03.05.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 97

Aktuelle Rechtsprechung zum ärztlichen Werberecht – Vorher-Nachher-Bilder, ärztliche Videosprechstunden und irreführende Fachqualifikationen

I. Das ärztliche Werberecht

Das sog. ärztliche Werberecht ist im Wesentlichen im Landesberufsrecht der Ärzte, im Heilmittelwerberecht (HWG) und im Wettbewerbsrecht (UWG) verankert. Diese Vorschriften sind jene, die die Berufsausübung regeln und dementsprechend auch dem Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG unterliegen. Ein Blick zurück zeigt, dass es insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG und der von ihm ausgehende Rechtfertigungsdruck ausgelöst haben, dass die Möglichkeit der Werbung für Ärzte diskutiert wurde. Das BVerfG argumentierte in diesem Kontext mehrfach, dass die Einschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG dem Vorbehalt des Gesetzes unterliege. Es bestand somit Bedarf für ein Werberecht, was seinerseits den Anforderungen, die an Grundrechtseingriffe regelmäßig zu stellen sind, gerecht wird. Eine Einschränkung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG darf nur unter der Voraussetzung des Gemeinwohls erfolgen, aber überdies die Grenze zur Unzumutbarkeit für Ärzte nicht überschreiten. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein potenzieller Eingriff in die Berufsfreiheit von Ärzten aufgrund von Werbung dann gerechtfertigt ist, wenn die ärztlichen Interessen zusammen mit dem Bedürfnis des Patienten nach Information das Recht der Berufsfreiheit gewichtiger ausfallen lassen. Demgegenüber ist es einem Arzt ausdrücklich verboten, auf so eine Art und Weise zu werben, sodass die Werbung auf einen durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer irreführend, anpreisend oder vergleichend wirken könnte. 2012 erfuhr das ärztliche Werberecht allerdings eine Novellierung, die einige Liberalisierungen zur Folge hatte, nichtsdestotrotz bestehen im ärztlichen Werberecht noch unzählige Verbote, die weiterhin zu berücksichtigen sind.

Im Folgenden sollen anhand einiger Entscheidungen aktuelle Problemkreise des ärztlichen Werberechts aufgezeigt und besprochen werden.

II. Die Entscheidungen im Einzelnen

Trotz der Novellierung im Jahre 2012 und der damit einhergehenden Liberalisierungen des ärztlichen Werberechts sind die Gerichte noch vielseitig mit dem Thema beschäftigt und treffen fortlaufend Entscheidungen in wichtigen Themenkreisen.

1. Der Begriff des operativ plastisch-chirurgischen Eingriffs im Sinne von § 1 I Nr. 2 lit. c HWG

Das Oberlandesgericht Köln hat sich in einer aktuellen Entscheidung (OLG Köln, Urt. v. 27.10.2023 – 6 U 77 / 23) an einer eindeutigen Klärung des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs im Anwendungsbereich des HWG versucht. Dies ist dem Gericht auch weitestgehend gelungen.

Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt hatte das Werben mit Vorher-Nachher-Bildern im Hinblick auf unterspritzende Behandlungen zum Gegenstand. Die Beklagtenseite brachte vor, dass die Behandlung mit Hyaluron, eine sog. Unterspritzung, keinen operativen plastisch-chirurgischen Eingriff darstelle, da es sich dabei vielmehr um eine vorübergehende Behandlung handle, die keine intramuskuläre Injektion beinhalte.

Das OLG Köln stellte zunächst klar, dass der hier maßgebliche Begriff nicht über eine Legaldefinition verfüge und aus diesem Grund einer Auslegung bedürfe. Daraufhin machte das OLG deutlich, dass es den Sinn und Zweck des HWG verfehle, nur die Eingriffe zu erfassen, bei denen tatsächlich unter Verwendung eines Skalpells die Hautbarriere penetriert wird und es sich insofern um einen intramuskulären Eingriff handelt. Der Schutz des HWG sei vielmehr darauf gerichtet, die Verbraucher vor erheblichen gesundheitlichen Risiken zu schützen, für welche Ärzte es nicht in Kauf nehmen dürften „mit zu werben“, indem sie für nicht medizinisch notwendige Behandlungen werben.

Das OLG macht anschließend deutlich, dass ein operativer plastisch-chirurgischer bereits dann anzunehmen sei, sofern „ein instrumenteller Eingriff am oder im Körper des Menschen erfolgt, mit dem Form- und Gestaltungsveränderungen an den Organen oder der Körperoberfläche vorgenommen werden.“ Unter diesen Begriff fasst das OLG Köln somit auch das Unterspritzen mit einer Kanüle, denn dies habe Form- sowie Gestaltungsveränderungen zur Folge. In diesem Zusammenhang erläutert das OLG auch den weiten Anwendungsbereich des Begriffs des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs. Es betont, dass das HWG dem Schutz der Verbraucher bzw. der Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden und Risiken diene. Insbesondere solle das Verbot von Werbung bezüglich nicht medizinisch notwendiger Eingriffe die Risiken für Verbraucher stark minimieren. Es sei zudem unerheblich, ob die schönheitschirurgischen Eingriffe tatsächlich in der Realisierung eines gesundheitlichen Risikos resultieren würden. Vielmehr liege der Fokus darauf, keinen Anreiz für medizinisch nicht notwendige Eingriffe zu bieten, insbesondere solle dies nicht durch Vorher-Nachher-Bilder geschehen.

2. Werbung für ärztliche Videosprechstunden

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.12.2022 – 4 U 262 / 22) beschäftigt sich mit dem Werben für ärztliche Videosprechstunden. Die Beklagte ist ein elektronischer Marktplatzbetreiber für Apotheken und betreibt eine Homepage, über die der Kunde zu telemedizinischen Dienstleistungen eines Anbieters mit Sitz in Irland gelangen kann. Geworben wurde auf Facebook und mittels eines Werbeflyers, die auf die vorgenannte Homepage verweisen. Der Kläger sah darin unter anderem eine Verletzung des § 9 HWG (Fernbehandlungsverbot). Insbesondere enthielt die Werbung auf Facebook und auf dem Werbeflyer nicht die von § 9 S. 2 HWG geforderte Einschränkung.

Zunächst stellt das OLG Karlsruhe fest, dass die Beklagte den Rechtsschein gesetzt habe, die Werbung sei ihr zuzuordnen. Aus dem Grund müsse sie sich die Werbung auch als eigene zurechnen lassen. Ferner betont das Gericht, dass Werbung mit Gesundheitsbezug erhöht strengen Anforderungen unterliege. Die Werbung müsse eindeutig, klar sowie richtig sein. Eine Gefahr der Irreführung potenzieller Kunden dürfe nicht bestehen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt warb die Beklagte uneingeschränkt für ärztliche Videosprechstunden. Zwischen verschiedenen Krankheitsbildern wurde nicht differenziert. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe erweckt dies den Eindruck, dass ärztliche Videosprechstunden immer statthaft seien. Dies sei unzulässig. Das Gericht führt aber weiter aus, dass auch die Angabe des Hinweises erst auf der Homepage unzulässig sei. Der Hinweis, dass eine ärztliche Videosprechstunde nicht immer ausreichend ist, müsse schon in der Werbung selbst verankert sein. Andernfalls würde der Kunde schon durch die konkrete Werbung genügend Informationen über eine Videosprechstunde erhalten, sodass er sich anhand dieser Informationen schon für eine solche entscheiden könne.

3. Irreführungen über ärztliche Fachqualifikationen

Ein medizinisches Versorgungszentrum (ZMVZ) hat bei der Zahnärztekammer einen Tätigkeitsschwerpunkt der Kinderzahnheilkunde angegeben. In dem ZMVZ ist zudem eine Fachzahnärztin für Kieferorthopädie tätig. Der BGH hatte hier zu entscheiden, ob die Bezeichnung als „Kinderzahnärztin“ zulässig sei, obwohl keine zusätzlichen Qualifikationen für Kinderzahnheilkunde nachgewiesen wurden (BGH, Urt. v. 07.04.2022 – I ZR 5 / 21).

Mit Blick auf die gesamte Argumentation des BGH wird deutlich, dass maßgeblich und entscheidend die Sicht durchschnittlicher Eltern und älterer mitentscheidender Kinder sei. Grundsätzlich ist der BGH der Ansicht, dass der Verkehr unter dem Begriff des Kinderzahnarztes eine Fachbezeichnung verstehe. Dies bedeutet, dass angesprochene Kreise davon ausgehen würden, dass der in Rede stehende Arzt, der als Kinderzahnarzt bezeichnet wird, zusätzliche Qualifikationen vor einer staatlichen Stelle nachgewiesen habe. Des Weiteren stellt der BGH jedoch klar, dass die Verwendung des Begriffs „Kinderzahnarzt“ nicht in jedem Fall unzulässig sei, insbesondere vermeide der Verweis auf § 13 Abs. 5 der Berufsordnung der Zahnärztekammer Nordrhein, der die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten regelt, mögliche Irreführungen. Allerdings sei dies hier nicht erfolgt.

Vielmehr stand hier die Bezeichnung als Kinderzahnärztin in Kombination mit dem Begriff der Kieferorthopädin, bei welchem es sich definitiv um eine Fachzahnarztbezeichnung handle. Dementsprechend würden durchschnittliche Eltern und ältere mitentscheidende Kinder beide Begriffe bzw. Bezeichnungen als gleichwertig ansehen. Ferner sei der Begriff des Kinderarztes auch nicht auf die Praxis bezogen, weshalb man nicht davon ausgehen könne, dass die Praxis bloß so ausgestattet sei, dass auch Kinder dort behandelt werden könnten. Im Übrigen weist der BGH daraufhin, dass die Bezeichnung als „Kinderzahnarztpraxis“ zulässig sei.

III. Fazit und Ausblick

1. Die Entscheidung sowie die konkreten Ausführungen des OLG Köln zum Begriff des operativen plastisch-chirurgischen Eingriffs im Rahmen des HWG stärken die Auffassung der bisherigen Rechtsprechung zu diesem Begriff (so ähnlich OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.02.2022 – 15 U 24 / 21). Durch die Argumentation des OLG Köln wird die Diskrepanz zwischen dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG („operativ“) und dem weitreichenden Schutzzweck, der maßgeblich den Schutz vor Gesundheitsschäden- und Risiken enthält, besonders gut deutlich. Die hohen Auslegungsschwierigkeiten zeigen zudem, dass der Begriff in seiner Anwendung nicht einfach ist. Dies lässt sich auch an der Anzahl an Entscheidungen, die Heilmittelwerbung für Eingriffe, bei denen zwar Stoffe in die Haut injiziert werden, um Form- und Gestaltungsveränderungen hervorzurufen, die allerdings nicht über die Merkmale eines klassischen operativen als auch invasiven Eingriffs verfügen, zum Gegenstand haben. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Entscheidung des Oberlandesgericht Köln zur Folge haben wird, dass das Werben mit Vorher-Nachher Bildern in Bezug auf Behandlungen zur Unterspritzung eingestellt wird.

Interessant wäre es noch zu klären, ob diese Entscheidung auch einen Einfluss auf kosmetische Behandlungen wie beispielsweise Laserbehandlungen haben wird und ob auch in diesem Bereich möglicherweise bald nicht mehr mit Vorher-Nachher-Bildern geworben werden darf.

2. Das OLG Karlsruhe bestätigt in seiner Entscheidung die bisherige Rechtsprechungslinie des BGH zum Thema Werbung für digitale Fernbehandlungen. Es wird deutlich, dass § 9 S. 2 HWG nicht uneingeschränkt das Werben für solche Videosprechstunden zulasse, sondern dies nur unter der strengen Voraussetzung einer Einschränkung von Videosprechstunden zulasse. In der Entscheidung wird ferner konkretisiert, wie der Verweis auf die Einschränkung zur erfolgen hat. Es sei maßgeblich, dass schon die Werbung selbst den Hinweis beinhalte, dass bei manchen Krankheitsbildern eine persönliche Vorstellung vor einem Mediziner erforderlich sei.

3. Im Ergebnis stellt der BGH fest, dass eine „Abfärbung“ des Begriffs des Kieferorthopäden auf den Begriff des Kinderzahnarztes erfolgt, sofern diese nebeneinanderstehen. Damit ist gemeint, dass aufgrund der Geläufigkeit des Begriffs „Facharzt für Kieferorthopädie“ unter Durchschnittsverbrauchern bei einem Nebeneinanderstehen beider Begriffe auch von einer staatlich anerkannten Zusatzqualifikation als Kinderzahnarzt ausgegangen wird.

Es gilt aber in diesen Fällen, die Umstände des Einzelfalls genau zu betrachten und abzuwägen. Entscheidend ist überdies, auf die Sichtweise eines Durchschnittsverbrauchers abzustellen.

Als PDF herunterladen

Ansprechpartner

Sie benutzen aktuell einen veralteten und nicht mehr unterstützten Browser (Internet-Explorer). Um Ihnen die beste Benutzererfahrung zu gewährleisten und mögliche Probleme zu ersparen, empfehlen wir Ihnen einen moderneren Browser zu benutzen.