Update Arbeitsrecht April 2019
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Mitarbeiterbefragung
Die jüngst ergangene Entscheidung des BAG (BAG, Beschl. v. 11.12.2018 – 1 ABR 13/17) gibt erneut Anlass, die praxisrelevante Frage näher zu beleuchten, inwiefern die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt.
Die Antragsgegnerin – eine Konzernobergesellschaft eines Post- und Logistikunternehmens – führt seit 2007 eine jährliche konzernweite Mitarbeiterbefragung mittels eines einheitlichen elektronischen Standardfragebogens durch. Die Teilnahme ist freiwillig und im Hinblick auf die Teilnehmer anonymisiert. Mit der Durchführung der Befragung ist ein Drittunternehmen beauftragt. Bei der Arbeitgeberin ist ein Konzernbetriebsrat errichtet. Die für die Umfrage verwendete elektronische Plattform wurde auf der Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung eingerichtet. Die im Jahr 2015 durchgeführte Befragung enthielt u.a. gegenüber dem Fragenkatalog im Vorjahr teilweise abgeänderte Fragen zum Verhalten des/der direkten Vorgesetzten. Diese Änderung sah der Konzernbetriebsrat als mitbestimmungspflichtig an. Er war der Auffassung, dass die beanstandete Befragung dem Arbeits- und Gesundheitsschutz unterliege. Zudem handele es sich um Personalfragebögen bzw. Beurteilungsgrundsätze. Er beantragte die Feststellung, dass ihm bei der Erstellung und Durchführung der Mitarbeiterbefragung 2015 ein Mitbestimmungsrecht zustehe und dass die Erhebung und Erfassung von Daten mittels Personalfragebogen in Form der Mitarbeiterbefragung 2015 nach § 94 Abs. 1 BetrVG unzulässig sei.
Das BAG hat die Rechtsbeschwerde des Konzernbetriebsrates vollumfänglich zurückgewiesen.
Zwar fehle es, so das BAG, dem Konzernbetriebsrat nicht an einer Regelungszuständigkeit für die beanspruchte Angelegenheit. Wie bereits, in seiner Entscheidung vom 21. November 2017 ausgeführt, setze die Mitbestimmung des Betriebsrates auf der Ebene ein, auf der die Entscheidungskompetenz in der betreffenden Angelegenheit liege. Bei einer Maßnahme der Konzernleitung sei – eine Mitbestimmungspflicht der Maßnahmen unterstellt – der Konzernbetriebsrat zu beteiligen (BAG, Beschl. v. 21.11.2017 – 1 ABR 47/16).
Vorliegend habe der Konzernbetriebsrat aber hinsichtlich der beanstandeten Änderung der Fragen der Mitarbeiterbefragung kein Mitbestimmungsrecht.
Ein solches folge entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die, für die Mitarbeiterbefragung verwendete, Plattform stelle eine technische Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift dar. Diese sei jedoch mitbestimmt eingeführt worden. Eine Änderung der Fragen führe entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zu einer Änderung der technischen Einrichtung. Die Datenerhebung und -auswertung seien bereits im Informationsblatt des eingesetzten IT Systems detailliert beschrieben. Aus der dort vorgesehenen Verknüpfung ergebe sich zwar, dass der jeweilige Vorgesetzte im Gegensatz zu den Teilnehmern durchaus individualisierbar sei, was der Konzernbetriebsrat unwidersprochen vorgetragen habe. Diese – unzureichende Anonymisierung – folge indes nicht aus der Änderung des Fragenkatalogs, sondern sei im – mitbestimmten – IT- System bereits angelegt. Es sei dem Konzernbetriebsrat, wenn er diesen Umstand ändern wolle, unbenommen, die Konzernbetriebsvereinbarung zu kündigen und eine neue Vereinbarung zu erzwingen.
Soweit sich der Antragsteller ausdrücklich nur auf § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG berufen habe, so sei dies – entgegen der Ansicht der Vorinstanz – für den Umfang der Prüfung durch das Gericht unbeachtlich. Am Ergebnis ändere dies allerdings nichts. Denn die Mitarbeiterbefragung bzw. deren Änderung sei weder nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 7 oder § 94 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Aufgrund der Freiwilligkeit und Anonymisierung der an der Befragung teilnehmenden Mitarbeiter stelle die Mitarbeiterbefragung keine Maßnahme zur Regelung des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb dar.
Zudem handele es sich bei der (modifizierten) Mitarbeiterbefragung nicht um eine Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung oder eine Maßnahme des Arbeitsschutzes.
Der verwendete Fragebogen sei darüber hinaus auch nicht als Personalfragebogen oder Beurteilungsgrundsatz zu qualifizieren. Dies ergebe sich auch nicht aus den Fragen zum Verhalten der direkten – unbenannten – Vorgesetzten. Hier würden nur subjektive Wertungen abgefragt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern hier abstrakt-generelle Beurteilungsmerkmale oder -kriterien aufgestellt würden, anhand derer ein konzernweites Beurteilungsschema eingeführt werde.
Mit dieser Entscheidung knüpft das BAG nahtlos an den Beschluss vom 21. November 2017 an. Bereits in dieser Entscheidung hatte das BAG festgestellt, dass bei einer konzernweiten, auf einer Entscheidung der Konzernleitung beruhenden Mitarbeiterbefragung dem örtlichen Betriebsrat keine Regelungskompetenz zukomme. Wörtlich formulierte der Senat prägnant, dass dort, „wo nichts bestimmt wird, auch nichts durch den Betriebsrat mitzubestimmen“ sei.
Auch im Hinblick auf das materielle Mitbestimmungsrecht ergeben sich keine Abweichungen zu der vorherigen Entscheidung des BAG. So hat das BAG im Beschluss vom 21. November 2017 festgestellt, dass die für eine freiwillige Mitarbeiterbefragung verwendeten Fragenbögen zu den Themen „Ihre Arbeitsumgebung“ und „Ihre Arbeitsbedingungen“ nicht als mitbestimmungspflichtige Personalfragebögen zu qualifizieren seien. Dies begründet das BAG mit dem Schutzzweck des § 94 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der dem präventiven Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer diene, soweit dieses durch Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten beeinträchtigt werden könne. Dieses Recht sei allerdings durch eine freiwillige Mitarbeiterbefragung nicht betroffen.
Auch eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG verneint das BAG konsequent dort, wo aufgrund der Freiwilligkeit der Befragung sowie der Anonymität keine ortsgebundenen arbeitsplatz, arbeitstätigkeits- oder arbeitsbereichsbezogene Schlüsse über Arbeitsbedingungen im Betrieb möglich sind.
Praxishinweis
Mitarbeiterbefragungen sind in freiwilliger und anonymisierter Form auch ohne Beteiligung des Betriebsrats möglich. Dabei macht es aus Sicht des BAG keinen Unterschied, ob für die Umfrage elektronische Fragebögen oder solche im Papierformat verwendet werden. In beiden Fällen hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf den verwendeten Fragenkatalog. Anders ist dies in Bezug auf die Einführung eines IT Systems zu beurteilen, mit dem die Datenerhebung und -auswertung erfolgt. Diese unterliegt der Mitbestimmung des zuständigen Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Welcher Betriebsrat im Einzelfall zu beteiligen ist, hängt davon ab, auf welcher Ebene die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der betroffenen Maßnahme liegt.