Risikomanagement
Das Einheitspatentsystem birgt erhebliche neue Risiken für alle Unternehmen. Bereiten Sie sich systematisch vor, um den Herausforderungen des Einheitlichen Patentgerichts (Unified Patent Court / UPC) erfolgreich zu begegnen. Erste Tipps finden Sie auf dieser Webseite.
Sie haben schon vom neuen europäischen Einheitspatent und dem Einheitlichen Patentgericht / Unified Patent Court ("UPC“) gehört? Seit dem 1. Juni 2023 können Sie vor diesem neuen Gericht verklagt werden. Dadurch ergibt sich ein zusätzliches und erhebliches Risiko:
Häufigkeit | Viele Patentinhaber, auch sogenannte "Patent Trolls", werden Patentverletzungsklagen beim UPC einreichen. |
Reichweite | Die Urteile gelten gleichzeitig in mehreren Ländern. |
Aufwand | Die Verteidigung ist deutlich aufwändiger (im Vergleich zu nationalen Verfahren). |
Zeitdruck | Es herrscht ein strenges Fristenregime mit sehr kurzen Fristen. |
Folge:
Ein neues, erhebliches und potenziell bestandsgefährdendes Risiko, das ein Risikomanagement erfordert (für DE: § 1 Abs. 1 StaRUG, § 289 Abs. 2 HGB).
Unsere Empfehlung
Bereiten Sie sich systematisch vor:
Level 1 – Risikoanalyse und Grundlagen
Patentüberwachung
Jetzt noch wichtiger: Überwachen Sie die maßgeblichen Patente, z.B. Ihrer Wettbewerber. Denken Sie an eine laufende Aktualisierung.
Team
Stellen Sie ein Team für UPC-Fälle zusammen. Das UPC kennt keine Gerichtsferien. Fristverlängerungen wird es voraussichtlich nicht geben. Das können Kläger ausnutzen. Wenn Sie erst einmal verklagt wurden, werden Sie kaum Zeit haben, erst ein Team zusammenzustellen. Wählen Sie geeignete Rechts- und Patentanwälte aus. Auswahlkriterien:
a) UPC-Zulassung. Nicht alle Patentanwälte haben sie.
b) Patent Litigation Erfahrung. Haben nur wenige spezialisierte Anwälte.
c) Technische Expertise.
d) Projektmanagement für komplexe Verfahren vorhanden.
e) Mehrsprachigkeit im Team.
f) Lösungen auch für UPC-Standorte außerhalb Deutschlands.
Versicherung
Klären Sie, ob und wofür Sie einen Versicherungsschutz bekommen. In der Regel nur für finanzielle Risiken der Vergangenheit verfügbar. Aber immerhin.
Level 2 – Risikobehandlung (noch vor einer Klage)
E-Mail-Zugang
Das Einheitliche Patentgericht kann Ihr Unternehmen (anders als nationale Gerichte) auch per E-Mail kontaktieren, zum Beispiel, wenn eine Klage eingegangen ist. Das Gericht wird dabei keine Details offenlegen, sondern nur fragen, ob Sie mit einer Zustellung per E-Mail einverstanden sind. Diese Anfrage wird möglicherweise an Ihre allgemeine E-Mail-Adresse gesandt, die auf Ihrer Homepage genannt wird. Stellen Sie daher Folgendes sicher:
1.) Ihre Firewall sollte E-Mails von @unified-patent-court.org und von @unifiedpatentcourt.org nicht sperren.
2.) Die zentrale Eingangsstelle sollte auf solche E-Mails nicht antworten, sondern sie an die Patent- bzw. Rechtsabteilung weiterleiten.
Liste von Gutachtern
Erstellen Sie eine Liste potentieller Parteigutachter. Sie sind vor dem UPC ein wichtiges Beweismittel, viel wichtiger als vor deutschen Gerichten. Wenn Sie verklagt werden sollten, werden Sie froh sein, eine solche Liste zu haben. Klären Sie mit Ihrem UPC-Team, ob und wie sie die möglichen Gutachter ansprechen. So können Sie verhindern, dass sie für die Gegenseite tätig werden. Vorsicht ist geboten, damit der Gutachter unabhängig bleibt und als Beweismittel vor Gericht funktioniert.
Allgemeines Fachwissen
Erstellen Sie eine Sammlung mit allgemeinem Fachwissen in den für Sie relevanten Feldern, z.B. Schulungsunterlagen, Ausbildungsliteratur von Berufseinsteigern, Präsentationen und Unterlagen von Fachtagungen. In UPC-Verfahren müssen die Parteien auch das allgemeine fachmännische Verständnis darlegen und beweisen, und zwar sehr schnell. Das ist ein großer Unterschied zu den nationalen Nichtigkeitsverfahren. Und häufig ist es besonders schwierig, technische Selbstverständlichkeiten zu belegen. Eine Sammlung der technischen Grundlagen kann sich daher auszahlen.
Stand der Technik
Recherchieren Sie Stand der Technik für Patente, die Sie als kritisch bewerten. UPC-Verfahren haben ein strenges Fristenregime. Starten Sie eine Recherche erst nach Erhalt einer Klage, stehen Sie unter enormen Zeitdruck, was zu höheren Kosten und Qualitätsverlust führen kann.
Nichtverletzungsgutachten
Wenn Sie außergerichtlich mit Patenten konfrontiert werden, kann es sinnvoll sein, ein externes Nichtverletzungsgutachten einzuholen. Anders als nach deutschem Recht kann es helfen, im "worst case" keinen oder nur geringeren Schadensersatz zahlen zu müssen, Art. 68 (1) und (4) EGPÜ.
Schutzschrift
Drohen einstweilige Maßnahmen, z. B. bei einer Produkteinführung oder einem Messeauftritt, kann in bestimmten Fällen eine sogenannte Schutzschrift sinnvoll sein. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, denn eine Schutzschrift kann es dem Gericht in manchen Fällen sogar leichter machen, eine einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung zu erlassen. Häufig ist es besser, sich nur sehr knapp zu äußern. Das gleiche gilt in der Regel auch bei außergerichtlichen Erwiderungen.
Level 3 – Erste Schritte, wenn Sie verklagt werden
Schritt 1
Projektleiter bestimmen – intern oder extern. Ablaufplanung.
Schritt 2
Work-Streams definieren und parallel bearbeiten. Zum Beispiel:
- Nichtverletzung darlegen
- Umgehungslösung (inkl. Freedom to Operate / neue Lösung zum Patent anmelden)
- Information von Kunden und evtl. der Öffentlichkeit
- Information von Lieferanten / Kooperation / Regress
- Rechtsbestand des Klagepatents angreifen
- Geheimhaltungsinteressen (angegriffenes Produkt / Auskunft)
- Vergleichsmöglichkeiten
- Gegenangriff
- Finanzplanung / Budgetierung