Zuwendungen an Vertragsärzte: Der BGH-Beschluss ist kein Freibrief!
Darauf weisen die Medizin- und Strafrechtsexperten der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek hin. "Das Presseecho auf die Entscheidung erweckt den Eindruck, der BGH habe Zuwendungen im Gesundheitswesen für generell zulässig erklärt", sagt Wirtschaftsstrafrechtler und Compliance-Anwalt André Szesny. "Das ist aber nicht der Fall." Der BGH hat sich nur mit der Frage der Strafbarkeit von Zuwendungen durch Pharmaunternehmen an Vertragsärzte befasst. Dies hat er in der am vergangenen Freitag veröffentlichten Entscheidung verneint. Mit anderen Rechtsvorschriften musste sich der BGH nicht auseinandersetzen.
"Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vorschriften im Berufs-, Sozial- und Heilmittelwerberecht es Ärzten ausdrücklich verbieten, für die Verordnung von Medikamenten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern oder anzunehmen", erläutert Medizinrechtlerin Yvonne Remplik, ebenfalls Heuking Kühn Lüer Wojtek. Zwar drohen hier keine Geld- oder Freiheitsstrafen. "Es können aber empfindliche Geldbußen von bis zu fünfzigtausend Euro pro Zuwendungsfall verhängt werden - nicht nur für Ärzte, sondern auch für die zuwendenden Unternehmen. Auch berufsrechtliche Sanktionen sind möglich."
Remplik und Szesny raten Ärzten und Pharmaunternehmen daher davon ab, schon bestehende Compliance-Pläne wieder in der Schublade verschwinden zu lassen. "Das wäre ein Fehler", so Strafrechtsanwalt Szesny. Wer noch keine Struktur zur Vermeidung von Verbotsverstößen eingerichtet hat, sollte dies jetzt angehen. Dies ist auch aus steuerlichen Gründen erforderlich: Denn verbotene Zuwendungen dürfen nicht gewinnmindernd abgesetzt werden. "Wer dies trotzdem tut, kann sich wegen Steuerhinterziehung strafbar machen. Damit ist trotz des BGH-Beschlusses das Strafrecht wieder im Boot", sagt Szesny.