09.09.2024Fachbeitrag

Erste Kommentare vor dem Hintergrund von Expertenvorschlägen und dem Vorgehen in anderen europäischen Ländern

Zum Eckpunktepapier der Bundesregierung für ein künftiges deutsches Weltraumgesetz

Die Bundesregierung hat am 4. September 2024 unter der Überschrift “Für eine stärkere Raumfahrtindustrie” die Eckpunkte für ein künftiges deutsches Weltraumgesetz („WRG“) veröffentlicht

das sog. Eckpunktepapier.

Das WRG wird in einer Einführung vor allem in den Zusammenhang mit internationalen Regulierungsverpflichtungen, der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und einer Stärkung der Sicherheitsautonomie gestellt. Ergänzt wird dies durch eine Bekräftigung der Absicht, die “Raumfahrtindustrie zu stärken und wettbewerbsfähiger” zu machen.

Das Eckpunktepapier beschreibt folgende wesentlichen Inhalte des WRG:

  • Definition des Anwendungsbereiches des WRG
  • Genehmigungsvoraussetzungen für Weltraumaktivitäten
  • Haftungsregress und Deckungsvorsorge für Schäden
  • Überwachungs- und Anforderungsrechte sowie Registrierungspflichten
  • Umsetzungs- bzw. Vollzugs- und Zuständigkeitsthemen

Die Regelungsinhalte an sich umfassen den standardmäßigen Mindestgehalt eines generellen Weltraumgesetzes. Diese Themen sind weder unerwartet noch weichen sie von dem standardmäßigen Themenfeldern genereller Weltraumgesetzen anderer europäischer Staaten ab.

Im Eckpunktepapier sind die näheren Inhalte der geplanten Regulierung notwendigerweise noch verkürzt dargestellt. Eine Bewertung wird den vollen, begründeten Entwurf erfassen müssen. Folgendes kann jedoch in einem ersten Zugriff angemerkt werden:

1. Anwendungsbereich

Weltraumaktivitäten inländischer Personen und Vereinigungen fallen, im Einklang mit anderen europäischen Weltraumgesetzen, auch dann in den Anwendungsbereich des WRG, wenn die Weltraumaktivitäten aus dem Ausland heraus erfolgen. Dies führt u.U. zur Notwendigkeit, sowohl die deutsche als auch eine oder mehrere andere anwendbare Rechtsordnungen parallel zu berücksichtigen. Das WRG soll deshalb die Möglichkeit eines Verzichtes auf die Anwendung des WRG für den Fall vorsehen, dass in einer anderen anwendbaren Rechtsordnung ein gleiches Schutzniveau besteht. Diese Fälle können und werden nach aller Voraussicht jedoch noch komplexer sein und verbinden sich mit den Fragen zur Definition des „launching state“ im internationalen Recht.

Ein Verzicht auf die Anwendung des WRG wird im Übrigen differenziert und nicht hinsichtlich des WRG insgesamt zu erwarten sein. Selbst bei gleichem Schutzniveau in dem anderen Land (den anderen Ländern) werden die Regressmöglichkeit nach dem WRG und die Notwendigkeit der Abwendung von Gefahren für nationale Interessen (Ziffer 2. d) Eckpunktepapier) als Genehmigungserfordernis dennoch ein relevantes Thema sein. Es wäre wünschenswert, wenn sich zu bestimmten Ländern sehr schnell ein planbarer Verzichtskatalog herausbilden würde bzw., besser hinsichtlich Planbarkeit, bei Inkrafttreten des WRG bereits vorliegen würde.

2. Genehmigungserfordernisse

Das WRG sieht einen allgemeinen Genehmigungsvorbehalt für Weltraumaktivitäten vor, der u.a. auch für “teilweise” Weltraumaktivitäten gelten soll.

Generelle Erleichterungen hinsichtlich der Genehmigungserfordernisse für KMU und Start-ups (außer hinsichtlich der Berechnung des Deckungsbetrages, s.u.) oder für bestimmte Arten von Weltraumaktivitäten sind bisher nicht konkret vorgesehen. Andere Rechtsordnungen sehen hinsichtlich bestimmter Genehmigungserfordernisse teilweise sehr konkrete Ausnahmetatbestände vor, die an die konkreten Weltraumaktivität bzw. deren Umfang oder auch – situativ – an den Betreiber anknüpfen.

Die Genehmigungsvoraussetzungen selbst sind teilweise durch die Verwendung sehr weiter, noch erheblich auszufüllender unbestimmter Rechtsbegriffe gekennzeichnet. Gerade in einem Bereich, der durch ständige Innovation und die Notwendigkeit langfristiger Planbarkeit gekennzeichnet ist, wird eine Anforderung wie “…nach dem Stand der Technik erforderliche Vorsorge getroffen…” oder “…kein Grund zur Annahme besteht…” im WRG oder dazu erlassenen Rechtsverordnungen / technischen Richtlinien nicht nur spezifischer ausgestaltet sein, sondern auch dafür sorgen müssen, dass sich keine Wertungswidersprüche ergeben. Es ist davon auszugehen, dass auch diese weiteren Rechtsquellen schon bei Inkrafttreten des WRG ausdifferenziert und vollständig vorliegen; das WRG wäre sonst nicht unmittelbar handhabbar.

Eine nach dem WRG erteilte Genehmigung soll ausschließlich den Bereich Weltraum betreffen und parallele Genehmigungserfordernisse aus anderen Bereichen nicht ersetzen. Das bedeutet, dass ggfls. mehrere Genehmigungsverfahren parallel durchlaufen werden müssen, unter Umständen sogar auf verschiedenen Ebenen und zusätzlich zu den Genehmigungen anderer Länder. Dies wirft Fragen zur Einheitlichkeit von Bewertungsgrundsätzen und zur Abstimmung von Anforderungen und insgesamt zur Dauer eines Genehmigungsverfahrens auf. Überlappungen sind beispielsweise denkbar, (wenn diese Themen nicht ohnehin im WRG aufgehen), zum Luftverkehrsgesetz, dem Telekommunikationsgesetz, zu NIS2, KRITIS Beurteilungen und zu Fragen der Umweltverträglichkeit.

Das Genehmigungserfordernis einer Vorsorge zur nachhaltigen Nutzung und zur Vermeidung von Verunreinigungen (definiert als Weltraumschrott; Ziffer 2. c) des Eckpunktepapiers) fällt besonders ins Auge. Die komplexe Formulierung spricht für einen engagiert diskutierten Kompromiss. Es wird durch das WRG zu klären sein, was genau mit Vorsorge für eine nachhaltige Weltraumnutzung gemeint ist, ob Verunreinigungen nur Weltraumschrott oder mehr umfasst und wie weit die Berücksichtigung der Umweltbelange auf der Erde geht (Wertschöpfungskette?). Die Formulierung dieses Genehmigungserfordernisses macht es jedenfalls zu einem potenziellen Einfallstor für ggfls. sehr weitgehende, schwierig zu antizipierende Anforderungen. Hervorzuheben ist, dass dieses Genehmigungserfordernis insgesamt unter dem Vorbehalt steht, dass Innovation hierdurch nicht gehemmt werden soll. Auch vor dem Hintergrund des für 2025 angekündigten EU-Weltraumgesetzes und der vielfältigen europäischen Initiativen zu “Safety”, “Security” und “Sustainibility” wird hinsichtlich dieses Genehmigungserfordernisses einiges an Gehalt zu erwarten sein.

Hinsichtlich gleichartiger Vorhaben sieht das Eckpunktepapier sinnvollerweise vor, dass die Genehmigung für Satellitenkonstellationen nicht zwingend für jeden einzelnen Satelliten beantragt werden muss. Es wird sich die Frage stellen, ob nicht auch andere in Funktion und Durchführung gleichartige Vorhaben desselben Akteurs gemeinsam behandelt werden können.

3. Haftungsregress und Deckungsvorsorge

Das WRG wird die Möglichkeit eines Regresses gegen Verursacher von solchen Schäden vorsehen, für die der deutsche Staat nach internationalen Grundsätzen haftet. Ein Weltraumakteur hat als Teil der Genehmigungserfordernisse nachzuweisen, dass er für den Regress wirtschaftlich einstehen kann (Ziffer 2. f) des Eckpunktepapiers).

Eine solche Haftung besteht nach dem Weltraumhaftungsübereinkommen vom 29. März 1972 (sog. UN Liability Convention - Beitrittsbeschluss vom 3. September 1975, BGBl. 1975 II S.1209, 1210; „WHÜ“).

Folgendes sticht heraus:

Eine Absicherung durch den Weltraumakteur hat nach dem Eckpunktepapier durch Versicherung oder Bankbürgschaft zu erfolgen. Andere Formen der Deckungssicherung, die – z.B. im Vergleich zu einer Bankbürgschaft oder Versicherung – für den Weltraumakteur billiger bzw. liquiditätsschonender sein könnten, werden in der Kürze des Eckpunktepapiers nicht erwogen. Hierzu gibt es Praxiserfahrung und Diskussionen in anderen Ländern, zum Beispiel in den USA und – nach neueren Konsultation - Großbritannien, die einbezogen werden sollten.

Der mögliche Regress soll bei leichter und mittlerer Fahrlässigkeit einen Maximalbetrag entsprechend 10% des dreijährigen Mittels des durchschnittlichen Jahresumsatzes des Weltraumakteurs entsprechen, dabei jedoch einen Maximalbetrag von EUR 50 Mio. nicht übersteigen. Der Standard-Regress kann damit ggfls. merklich unter dem in verschiedenen europäischen Weltraumgesetzen liegenden Maximalgrenze von EUR 60 Mio. liegen; insbesondere bei KMU und Start-ups mit geringem Umsatz. Da die Höhe des Umsatzes nichts mit dem Gefahrenpotential zu tun hat, lässt sich hier tatsächlich eine Förderung von kleineren und jungen Unternehmen erkennen.  

Maßgeblich für die Geltung diese Begrenzung ist allerdings die teilweise sehr schwierige Abgrenzung zwischen fahrlässigem und grob fahrlässigem Handeln, aus der sich auch für KMU und Start-ups ein unbegrenztes Risiko ergeben kann und sich in den Regularien anderer europäischer Länder oder dem WHÜ so nicht findet.

Für die Deckungssumme im Rahmen der Genehmigung kann es nur auf die oben erwähnten, begrenzten Maximalbeträge ankommen. Falls eine Versicherung angesichts des spitzen Versicherungsmarktes für neue Technologien nicht möglich oder zu kostspielig ist, wird die Begrenzung von Alternativen auf eine Bankbürgschaft ggfls. eine unnötige Hürde darstellen; die notwendigen Beträge werden der Innovation entgegen den Zielen des WRG entzogen. Auch hierzu gibt es bereits Praxis und Erfahrung bzw. Diskussion zur Anpassung einer solch starren Regelung in anderen Ländern, die berücksichtigt werden sollten.

Eine Variabilisierung des Deckungsbetrages je nach Risiko oder Umfang der Tätigkeit oder Einhaltung von über das Gesetz hinausgehenden Kriterien bzw. zur Förderung von Innovation scheint bisher nicht vorgesehen zu sein. Das überrascht ein wenig, da z.B. Nachhaltigkeitsgrundsätze nach Erläuterung und Einführung der Bundesregierung besondere Bedeutung für das WRG haben sollen. Es hätte sich daher angeboten, z.B. das in Großbritannien diskutierte Model einer Variabilisierung der Deckungssumme anhand der Erfüllung von bestimmten, über die gesetzlichen Mindest-Pflichten hinausgehenden Kriterien zu Nachhaltigkeit oder Sicherheit im Weltraum aufzunehmen (Belohnung für die „extra mile“) und dadurch sinnvolle Steuerungsmöglichkeiten zu nutzen. Eine zumindest grobe Unterscheidung anhand der Weltraumtätigkeit oder des Umfangs der Tätigkeit wird in anderen Ländern ebenfalls als Differenzierungsmerkmal genutzt.

Im Eckpunktepapier findet sich im Übrigen kein Hinweis auf eine Begrenzung der Haftung des Weltraumakteurs vor einer Inanspruchnahme durch (private) Dritte. Diese wäre danach unbegrenzt möglich. Das ist zwar grundsätzlich auch jetzt der Fall. Zumindest im Eckpunktepapier nicht übernommen ist jedoch ein in anderen Staaten gebräuchliches Modell, wonach der Weltraumakteur oberhalb des Haftungs-Maximalbetrages durch eine Garantenstellung des Staates vor einer direkten Haftung gegenüber einem geschädigten Dritten geschützt und damit die Haftung in alle Richtungen begrenzt wird.

4. Zuständige Genehmigungsbehörde

Für das Genehmigungsverfahren ist die Hoheit des BMWK vorgesehen. Allerdings sind alle “interessierten” Ressorts auf deren Wunsch in einem zeitlich kondensierten Verfahren zu beteiligen. Eine Genehmigung ist im Einvernehmen” mit den interessierten Resorts zu erteilen. Dies muss wohl als ein Vetorecht der „interessierten“ Ressorts verstanden werden. 

Die Beteiligung anderer Ressorts und die Notwendigkeit einer Übereinstimmung ist kein Spezifikum des WRG. Im Zusammenspiel mit der Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen und der Bezugnahme auf vielfach sehr neue technische Entwicklungen steigert dies jedoch das Planbarkeits-Risiko. Es fragt sich, ob die zu beteiligenden Ressorts nicht zumindest im Vorhinein festgelegt werden können, auch, um dort für einen Expertise Aufbau zu sorgen, zumal anderweitige Genehmigungserfordernisse lt. dem Eckpunktepapier ohnehin gesondert gelten.

Im Wettbewerb mit anderen Ländern sind Dauer, Komplexität und Übersichtlichkeit eines Genehmigungsverfahrens Punkte von ganz erheblicher Wichtigkeit. Die Antizipation der Dauer und des Ausgangs sowie der mittelbaren Kosten eines Genehmigungsprozesses wird im Zweifel für die Durchführung eines Weltraumaktivität als deutsches Raumfahrtunternehmen entscheidend sein. Eine möglichst weitgehende Konzentration von klaren Zuständigkeiten, über eine bloße Mitteilung von Kontaktstellen hinaus, erscheint notwendig, um eine deutsche Raumfahrtindustrie tatsächlich zu stärken.

5. Allgemein: Stärkung der deutschen Raumfahrindustrie, von KMU und der Start-Up Landschaft

Die Mitteilung der Bundesregierung zum Eckpunktepapier steht insgesamt unter der Überschrift “Stärkung der deutschen Raumfahrt”. Im Eckpunktepapier wird dies in anderen Worten in der Einleitung wiederholt, spiegelt sich jedoch kaum bis nicht in den konkreter dargestellten Regelungsinhalten. In Markt-Äußerungen zur Regulierung von Weltraumaktivitäten spielt die Angst vor Bürokratie und beschränkenden, gerade für KMU und Start-ups schwierig zu erfüllenden Vorgaben, eine große Rolle. So auch in ersten Reaktionen zu dem Eckpunktepapier.

Dass ein gesetzlicher, sicherer Rahmen an Sich bereits die Wettbewerbsfähigkeit (durch langfristig stärkt, überzeugt offenbar nicht ausreichend. Für einen stark durch hohe Kosten und ohnehin hohe Eintrittshürden geprägten Markt, der seine Hoffnung auf Innovation durch KMU und Start-ups setzt, wirkt eine zusätzliche gesetzliche Regulierung zunächst unmittelbar belastend. Im Zusammenhang mit dem zunächst vertagten Entwurf eines EU-Weltraumgesetzes wurde dieses Thema nicht nur viel diskutiert, sondern auch im Rahmen der Entwurfs-Konsultation von der EU offensiv angegangen. In der Diskussion bis 2024 waren Fristen für das Inkrafttreten bestimmter Regelungen, Ausnahmeregelungen und an besonders vorbildliches Verhalten (über das Pflichtprogramm hinaus) geknüpfte Incentivierungen. Das passt sicher nicht zu allen Themen des WRG. Zu einigen unter Umständen schon.

Im Kern sind dies jedoch nur Randbereinigungen, die allein auf die Milderung der kurzfristig zusätzlich belastenden Effekte zusätzlicher Regulierung zielen. Was daneben noch erforderlich ist, um die deutsche Raumfahrtindustrie nachhaltig zu stärken und das vorhandene Potential zu heben, ist von Stakeholdern und Interessenverbänden ausreichend und vielfach vorgetragen.

Es würde die Akzeptanz einer neuen Regulierung für den Sektor Weltraum ganz erheblich steigern und der Überschrift „Für eine stärkere Raumfahrtindustrie“ besser gerecht werden, wenn das WRG nicht für sich stehen, sondern in ein Gesamtkonzept von Maßnahmen mit unmittelbarer Stärkungswirkung eingebettet wäre, wie dies z.B. für das neue Weltraumrecht in Italien angekündigt ist.

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