Schon vergeben?

Der Vergaberecht-Podcast von HEUKING

Unter dem Titel „Schon vergeben – Der Vergaberecht-Podcast von HEUKING“ erklärt der Podcast alle zwei Wochen praxisnah und auch für Einsteiger verständlich die Grundzüge des Vergaberechts.

02.06.2022

Folge 24: Update Vergaberecht Mai 2022

In der 24. Folge unseres Vergaberechts-Podcasts besprechen Dr. Ute Jasper und Daniela Kreuels aus vergaberechtlicher Sicht relevante aktuelle Entscheidungen und Entwicklungen.

Wichtige Neuerungen sind neben der ab dem 01.06.2022 geltenden Abfragepflicht beim Wettbewerbsregister auch die Russland-Sanktionen, die ein Zuschlags- und Erfüllungsverbot für öffentliche Auftraggeber beinhalten. Beides erfordert organisatorischen Aufwand seitens der Auftraggeber.

Die besprochenen Urteile stellen wir Ihnen im Nachfolgenden gern kurz vor, jeweils mit einem Link zu unseren Urteilszusammenfassungen und den Volltexten. Wer nicht bis zur nächsten Update-Folge warten möchte, der melde sich gern unter schonvergeben(at)heuking.de zu unserem Newsletter an. Wer sich mit uns interaktiv zu den neuesten Entwicklungen im Vergaberecht austauschen möchte, der kann sich gern auch unter folgendem Link zu unseren Webinaren anmelden:

Top-Urteile zum Verwaltungsrecht – verständlich vorgestellt
Die nächsten Termine: 23.06.2022, 29.09.2022, 01.12.2022

Nun aber zu den Entscheidungen im Einzelnen:

  1. Der Auftraggeber ist verpflichtet, etwaige Interessenkonflikte aufzuklären, die geeignet sind, den Wettbewerb zwischen den Bietern zu verfälschen, sobald ihm Anhaltspunkte hierfür bekannt werden (EuG, Beschluss vom 26.05.2021 – T-54/21 R):

    Das Europäische Gericht hat entschieden, dass wenn ein Bieter bestimmte besondere Informationen hat (beispielsweise über die Mitbieter, Dritte oder Mitarbeiter des Auftraggebers), es nicht zu einem Ausschluss führt, wenn dies nicht rechtswidrig erfolgte. Der Auftraggeber muss dann allerdings dafür sorgen, dass alle Bieter den gleichen Informationsstand haben, denn es gilt neben dem Transparenzgrundsatz auch der Grundsatz der Gleichbehandlung.
     
  2. Der Auftraggeber muss prüfen, ob die ihm im Vergabeverfahren übermittelten Informationen vertraulich sind und er deshalb diese einem unterlegenen Bieter nicht mitteilen darf (EuGH, 07.09.2021, C-927/19):

    Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Beschluss entschieden, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren sich nicht darauf verlassen darf, dass der Bieter Geschäftsgeheimnisse ausreichend gekennzeichnet hat. Als Auftraggeber muss man vielmehr selbst prüfen und den Bieter notfalls aufklären, denn die Prüfpflicht liegt ausschließlich beim Auftraggeber. 
     
  3. Übernimmt ein neuer Auftragnehmer eine Rahmenvereinbarung im Rahmen der Abwicklung des insolventen ursprünglichen Auftragnehmers, handelt es sich um einen Auftragnehmerwechsel im Zuge einer Umstrukturierung (EuGH, 03.02.2022, C-461/20):

    Der Wechsel des Auftragsnehmers in einem laufenden Vergabeverfahren ist grundsätzlich nicht zulässig, im Falle einer Umstrukturierung des Auftragnehmers allerdings erlaubt. Das Urteil des Europäischen Gerichtshof entschied, dass die Insolvenz des Auftragnehmers eine umstrukturierungsähnliche Situation darstellt und somit zum Auftragnehmerwechsel erlaubt. 
     
  4. Wenn sich eine Tochtergesellschaft des Auftraggebers als Bieter beteiligt, müssen beide Einheiten strikt voneinander getrennt werden (BGH, 12.10.2021, EnZR 43/20):

    Der BGH hat entschieden, dass das Auftreten der Tochtergesellschaft eines Auftraggebers als Bieterin erlaubt ist, wenn Auftraggeber sowie Tochtergesellschaft dafür sorgen, dass beide Bereiche streng organisatorisch getrennt sind. 
     
  5. Ein Bieter hat keinen Anspruch auf Ersatz seines entgangenen Gewinns, wenn der Auftraggeber das fehlerhafte Vergabeverfahren aufhebt, mit dem bezuschlagten Auftragnehmer einen Aufhebungsvertrag schließt und den Auftrag anschließend in einem neuen, ordnungsgemäßen Vergabeverfahren vergibt (BGH, 23.11.2021, III ZR 20/19)):

    Bei Fehlern innerhalb des Vergabeverfahrens kann der Auftraggeber das Verfahren aufheben und ein zweites neu ausschreiben. Die Bieter des ersten Verfahrens haben dabei allerdings keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil sie denken, dass sie den Zuschlag erhalten sollten, denn das erste Verfahren ist durch die Aufhebung ungültig, so der BGH.
     
  6. Öffentlicher Auftraggeber ist bereits, wer voraussichtlich Mittel erhalten wird, mit denen ein Bauvorhaben zu mehr als 50 % finanziert werden wird (KG, 19.03.2021, Verg 1008/20):

    Das Kammergericht entschied, dass Förderempfänger öffentliche Auftraggeber sind, sobald der Förderbescheid Anwendung des Vergaberechts vorschreibt oder wenn der Förderbetrag mehr als 50% entspricht. Dazu sind auch Beträge für Umbau und Sanierungen dazuzurechnen, sowie bereits erhaltene und geplante Förderbeträge. Mithin kommt es insgesamt auf den Gesamtbetrag an.
     
  7. Ein Bieter kann sich nicht auf etwaige Vergaberechtsverstöße berufen, wenn sein Produkt zulässigerweise gestellte zwingende Anforderungen nicht erfüllt (OLG Rostock, 11.11.2021, 17 Verg 6/21); Teilt ein Auftraggeber einen europaweit ausgeschriebenen Auftrag nachträglich auf und schreibt er ihn dann “in Scheiben“ national statt europaweit erneut aus, missachtet er das Vergaberecht. Verzögert sich das Verfahren dadurch, berechtigt dies den Auftraggeber nicht dazu, den Zuschlag vorzeitig zu erteilen (OLG Rostock, 16.09.2021, 17 Verg 7/21):

    Das OLG entschied in seinem Urteil, dass ein Vergabefehler des Auftraggebers innerhalb eines Verfahrens allein nicht zum Schadensersatz ausreicht, weil das Vergabeverfahren zum Einen nicht rechtmäßig ist und zum Anderen weil das eigene Angebot des Bieters nicht den Mindestanforderungen entsprach. 

    Das OLG Rostock sagte in einem anderen Urteil auch, dass man europaweit auszuschreibende Aufträge nicht einfach teilen kann, um unterhalb der EU-Schwellenwerte zu bleiben („Verbot der Salami-Taktik“).

    Direktvergaben funktionieren auch nur in absoluten Ausnahmen. Der Auftraggeber muss ganz sicher sein, dass europaweit kein anderer Bieter die Leistung erbringen kann. Diese müssen beispielsweise durch technische Gründe belegt werden.
     
  8. Der Auftraggeber darf in der Leistungsbeschreibung auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft verweisen, wenn der Auftragsgegenstand das rechtfertigt (BayOLG, 25.03.2021, Verg 4/21; BrandenbOLG, 08.07.2021, 19 Verg 2/21):

    Zwei Gerichte in Bayern und Brandenburg sind der Meinung, dass Produktvorgaben nicht zulässig sind, wenn eine neutrale Beschreibung zu einem unverhältnismäßigen Mehraufwand führen würde oder die Funktionalität gefährden würde.
     
  9. Ein öffentlicher Auftraggeber darf auf eine losweise Vergabe verzichten, um die Gefahr einer erheblichen Verzögerung von Straßenbauarbeiten zu vermeiden (OLG Düsseldorf, 13.03.2020, Verg 10/20)):

    Das OLG Düsseldorf entschied, dass beispielsweise ein Verzögerungsrisiko eine Generalunternehmervergabe rechtfertigt.
     
  10. Der Auftraggeber ist nicht verpflichtet, die Angebote auf Basis einer detaillierten Punkte-Matrix zu werten (OLG Frankfurt a.M, 12.08.2021, 11 U 1/21):

    Angebote müssen nicht mit einer Punkte-Matrix gewertet werden, man darf einfach mithilfe einer Qualitätswertung in Reinschrift erklären, warum das jeweilige Angebot in den Kriterien besser ist als ein anderes.

    Ähnlich bei Konzept- und Lösungsvorschlägen, wenn ein Bieter zB konkrete Lösungen für einen besonderen Fall aufzeigt. 
     
  11. Wenn ein Auftraggeber die Kosten unzureichend ermittelt und ihm die Leistung anschließend zu teuer wird, darf er das Verfahren trotzdem aufheben. Er ist – so das OLG Rostock (30.09.2021 – 17 Verg 5/21) nicht „durch seinen Fehler im Vergabeverfahren gefangen“ (OLG Rostock, 30.09.2021 – 17 Verg 5/21):

    Auftraggeber sind bei eigenen Fehlern nicht im Vergabeverfahren gefangen, sondern können dieses sorglos aufheben, müssen dann aber mit Schadensersatz gegenüber den Bietern rechnen, allerdings nicht für den entgangenen Gewinn, sondern für den Aufwand, welcher für die Bieter im Verfahren entstanden ist.

Abonnieren Sie unseren Podcast gern in Ihrem Podcastfeed, um auf dem Laufenden zu bleiben. Bei Lob, Kritik, Anmerkungen oder Anregungen zum Podcast freuen wir uns über Ihre Email an schonvergeben(at)heuking.de. Auch Themenwünsche sind uns immer herzlich willkommen!

Sie benutzen aktuell einen veralteten und nicht mehr unterstützten Browser (Internet-Explorer). Um Ihnen die beste Benutzererfahrung zu gewährleisten und mögliche Probleme zu ersparen, empfehlen wir Ihnen einen moderneren Browser zu benutzen.