27.02.2020Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 22

BGH: Händler auf Amazon haften grundsätzlich nicht für irreführende Kundenbewertung

Mit Urteil vom 20. Februar 2020 (Az. I ZR 193/18) hat der BGH entschieden, dass Verkäufer eines auf Amazon angebotenen Produkts grundsätzlich nicht für irreführende Kundenbewertungen haften.

Der Fall

Die Beklagte vertreibt sogenannte Kinesiologie-Tapes. In der Vergangenheit warb sie damit, dass die Tapes zur Schmerzbehandlung geeignet seien. Da diese Eignung aus medizinischer Sicht jedoch nicht nachweisbar ist, wurde die Werbung von einem Wettbewerbsverband beanstandet. Infolgedessen gab die Beklagte gegenüber dem Verband im November 2013 eine mit einem Vertragsstrafeversprechen abgesicherte Unterlassungserklärung ab und stellte die beanstandete Werbung ein.

Später bot die Beklagte ihre Produkte auch über die Handelsplattform Amazon an. Dort haben Kunden die Möglichkeit, Produkte zu bewerten. Unter einem Angebot aus Januar 2017 waren diverse Kundenrezensionen abrufbar. Diese enthielten Aussagen wie „schmerzlinderndes Tape!“, „This product is perfect for pain“, „Schnell lässt der Schmerz nach“ und „Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“. Dies nahm der Wettbewerbsverband zum Anlass, die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung zur Zahlung einer Vertragsstrafe aufzufordern. Die Beklagte bemühte sich daraufhin gegenüber Amazon um Löschung der Kundenrezensionen, was von Amazon abgelehnt wurde.

Schließlich erhob der Verband Klage auf Unterlassung sowie auf Zahlung der Vertragsstrafe und Abmahnkosten. Der Verband argumentierte, die Beklagte habe sich die Kundenrezensionen zu eigen gemacht. Die Beklagte hätte auf Löschung hinwirken müssen. Sei dies nicht möglich, dürfe sie die Produkte bei Amazon nicht mehr anbieten.

Das Urteil

Die Vorinstanzen haben der Beklagten Recht gegeben und eine Rechtsverletzung abgelehnt. Der BGH  sah dies auch so und hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Ein Unterlassungsanspruch des Klägers aus § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 und S. 2 HWG, wonach die Werbung für Medizinprodukte mit irreführenden Aussagen Dritter verboten ist, besteht nicht. Zwar enthalten die Kundenbewertungen tatsächlich irreführende Aussagen, da die behauptete schmerzlindernde Wirkung der Kinesiologie-Tapes wissenschaftlich nicht hinreichend nachweisbar ist. Jedoch hat die Beklagte nach den Feststellungen des BGH mit den Bewertungen weder aktiv geworben oder diese veranlasst, noch hat sie sich die Kundenbewertungen zu eigen gemacht, indem sie die inhaltliche Verantwortung dafür übernommen hat. Zudem war durch die gesonderte Darstellung der Kundenbewertungen für jedermann ersichtlich, dass es sich dabei nicht um Produktinformationen der Beklagten handelte.

Auch aus § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Fall 2 Nr. 1 UWG traf die Beklagte keine Pflicht, eine Irreführung durch Kundenbewertungen zu verhindern. Zum einen wird durch das bloße Angebot auf Amazon keine Garantenstellung für die Kundenbewertungen begründet. Zum anderen ist die Bedeutung von Kundenbewertungssystemen auf Online-Marktplätzen zu berücksichtigen. Aus Sicht des BGH sind Kundenbewertungen gesellschaftlich erwünscht und sind darüber hinaus als Meinung verfassungsrechtlich geschützt.

Eine Abwägung mit dem ranghohen Rechtsgut der öffentlichen Gesundheit war im vorliegenden Fall nicht erforderlich, da es keine Anhaltspunkte für eine Gesundheitsgefährdung durch Kinesiologie-Tapes gebe.

Ausblick

Für Händler ist dies eine gute Nachricht. Der BGH hat mit seinem Urteil klar zum Ausdruck gebracht, dass Händler grundsätzlich nicht für irreführende Kundenbewertungen haften und auch nicht in der Pflicht stehen, solche zu verhindern oder zu beseitigen.

Vorsicht ist geboten, wenn aktiv mit Kundenbewertungen geworben werden soll, wenn diese also etwa in eine Produktbeschreibung eingebettet werden. Dann wird die Bewertung des Dritten zu einer eigenen Werbung des Händlers. Er macht sich diese zu eigen und haftet dafür, als handele es sich um seine eigene Aussage.

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