23.01.2025Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 113

Kopplungsangebote im Healthcare-Sektor – Rechtliche Fallstricke aus wettbewerbsrechtlicher Sicht

Kliniken sehen sich häufig mit sog. Koppelungsangeboten von Verkäufern oder Herstellern von Heilmitteln und Medizinprodukten konfrontiert. Diese Koppelungsangebote sehen häufig eine (Mindest-)Abnahme marktüblich bepreister medizinischen Verbrauchsmaterialien und zusätzlich besonders lukrative Konditionen für sog. „Investitionsgüter“ vor, bei denen die Verbrauchsmaterialien eingesetzt werden sollen. Bei diesen „Investitionsgütern“ handelt es sich in der Regel um technisches Spezialequipment bzw. Großgeräte, nicht selten mit Einkaufspreisen im fünfstelligen Bereich oder höher.

Mit einem schnellen Vertragsabschluss zur Sicherung der vermeintlich günstigen Möglichkeit der Beschaffung des Investitionsgutes ist der jeweilige Entscheidungsträger jedoch selten gut beraten, da die beschriebene Konstellation gleich ein ganzes Bündel rechtlicher Fallstricke aus unterschiedlichsten Rechtsbereichen bereithält, insb. wenn daneben leitende Ärzte von dem Vertragspartner persönliche Vorteile wie Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen, Beraterverträge oder bezahlte Vortragsreihen oder Hospitationen erhalten.

Zu beachten sind in derartigen Konstellationen insb. straf- und compliance-, vergabe- und heilmittelwerbe- sowie lauterbarkeitsrechtliche Risiken. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich ausschließlich mit den teils engen rechtlichen Grenzen aus Heilmittelwerberecht und Lauterkeitsrecht:

I. Das Verbot von Werbegaben in § 7 HWG und die Bedeutung der „Unentgeltlichkeit“

§ 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) sieht ein grundsätzliches Verbot von Zuwendungen und sonstigen Werbegaben vor, um unsachlichen Beeinflussungen vorzubeugen. Der Fokus im Leistungswettbewerb der Anbieter soll auf die Parameter Qualität und Preis der Hauptleistung (hier also des jeweiligen Heilmittels) gelenkt werden. Um dies zu erreichen, dürfen Werbegaben grds. weder angeboten noch von einem Angehörigen der Fachkreise (Angehörige der Heilberufe, Kliniken etc.) angenommen werden, wenn nicht einer der aufgezählten Ausnahmetatbestände erfüllt ist.

Das Verbot des § 7 HWG erfasst grds. nur eine produkt- bzw. leistungsbezogene Absatzwerbung, reine Image- bzw. Unternehmenswerbung soll nicht erfasst sein. Diese Abgrenzung ist im Einzelfall regelmäßig schwierig, gerade bei ständigen Geschäftsbeziehungen, etwa zwischen einem Krankenhaus und einem Lieferanten, liegt jedoch nahe, dass der Lieferant mit einer Werbegabe nicht nur sein Image pflegen, sondern zugleich auch seinen laufenden Vertrag über den andauernden Bezug bestimmter Heilmittel durch das Krankenhaus absichern möchte. Es empfiehlt sich daher, im Verhältnis zu Herstellern bzw. Lieferanten von Heilmitteln grds. zunächst von einer Absatzwerbung i. S. d. Norm auszugehen.

„Werbegaben“ i. S. d. § 7 HWG sind alle unentgeltlich gewährten geldwerten Vergünstigungen, insbesondere Waren oder Leistungen sowie alle sonstigen Zuwendungen, die akzessorisch oder abstrakt zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln werblich eingesetzt werden.

Dieser recht sperrigen Definition kann sich für die Praxis über das maßgeblichen Abgrenzungskriterium der „Unentgeltlichkeit“ genähert werden. „Unentgeltlichkeit“ betrifft dabei die Frage, ob aus dem Blickwinkel des Empfängers die Werbegabe als Geschenk empfunden wird, dafür also keine Gegenleistung erbracht werden muss.

Dies erfordert jeweils eine konkrete Einzelfallwürdigung. Aus der (übersichtlichen) Rechtsprechung der vergangenen Jahre lassen sich jedoch Leitlinien als erste Orientierungshilfe entnehmen:

Eine Unentgeltlichkeit ist grds. dann zu bejahen, wenn eine Nebenleistung gesondert gewährt aber nicht gesondert in Rechnung gestellt wird.

Eine Unentgeltlichkeit ist hingegen grds. dann zu verneinen, wenn diese im Rahmen eines Austauschgeschäfts erfolgt, also eine Gegenleistung erbracht werden muss. Dabei ist auch die Gewährung günstiger Konditionen für die Hauptleistung, die teils deutlich unter dem marktüblichen Durchschnitt liegen, als Teil des erwünschten Hauptleistungswettbewerbs nicht per se unzulässig. Der sog. „fair market value“ spielt insofern im Rahmen von § 7 HWG keine ausschlaggebende Rolle. Stehen sich folglich Leistung und Gegenleistung in einem Austauschverhältnis gegenüber, spricht dies daher zunächst einmal gegen eine „Unentgeltlichkeit“.

Fehlt es indes gänzlich an einer Eignung zur unsachlichen Beeinflussung der Entscheidung des Empfängers, etwa wenn diesem die Nebenleistung gewährt wird, ohne dass er hierfür zunächst eine Hauptleistung (z. B. ein medizinisches Verbrauchsmaterial) beziehen muss und auch keine sonstige laufende Geschäftsbeziehung besteht, kann dies jedoch ausnahmsweise zulässig sein.

II. Keine Umgehung der „Unentgeltlichkeit“ durch Vereinbarung eines Scheinentgelts

Allein die Vereinbarung einer symbolischen Gegenleistung lässt eine „Unentgeltlichkeit“ und mithin eine Unzulässigkeit nach § 7 HWG jedoch nicht entfallen. Um entsprechenden Umgehungsversuchen entgegenzutreten, sieht die Rechtsprechung die Grenze der „Unentgeltlichkeit“ bereits dort als erreicht an, wo die versprochene Gegenleistung im Rahmen des Austauschgeschäfts derart außer Verhältnis steht, dass sie lediglich noch Scheincharakter hat, im Ergebnis also ein sog. „Scheinentgelt“ vorliegt.

Ab welchem (Wert-)Verhältnis von Leistung und Gegenleistung von einer Scheinentgeltlichkeit auszugehen ist, lässt sich nicht abstrakt beziffern. Dies ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Anhand einiger Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen eine Scheinentgeltlichkeit bejaht wurde, kann jedoch eine erste grobe Orientierung gegeben werden:

Nach Ansicht des OLG Nürnberg liegt ein Scheinentgelt etwa dann vor, wenn ein Zahnarzt bei Abnahme einer bestimmten Menge Dentallegierung ein technisches Gerät für einen Euro erhält, für das er normalerweise EUR 420 hätte zahlen müssen (OLG Nürnberg, Urt. v. 10.06.2008 - 3 U 2224/07).

Das OLG Köln hat zudem entschieden, dass eine unentgeltliche Zuwendung dann vorliegt, wenn die Werbegabe nicht gänzlich ohne Entgelt, sondern nur mit 28 % des sonst angesetzten Preises und damit deutlich unter dem Einstandspreis abgegeben wird (OLG Köln, Urt. v. 23.02.2011 - 6 W 2/11). In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall bestand das untersagte Angebot aus einem deutlich reduzierten Dentalscanner zu einem rabattierten Preis von EUR 5.000 anstelle sonst üblicher EUR 17.900, welches in Anspruch genommen werden konnte, wenn zugleich für drei Jahre die Verpflichtung zur monatlichen Mindestabnahme einer gewissen Anzahl von zahnmedizinischen Verbrauchsgütern eingegangen wurde.

Wird also ein Leistungsbestandteil deutlich unter seinem Einstandspreis angeboten, liegt die Annahme eines „Scheinentgelts“ nahe.

III. Keine Scheinentgeltlichkeit bei Vorliegen eines Gesamtangebotes

Im Einzelfall kann eine Scheinentgeltlichkeit jedoch trotz eines kritischen Wertverhältnisses der Leistungen wiederum dann ausgeschlossen sein, wenn das Austauschgeschäft mehrere Leistungskomponenten in Gestalt eines Gesamtangebotes enthält, das nicht in eine Haupt- und Nebenleistung aufgeteilt werden kann und zu einem Gesamtpreis abgegeben wird.

So hatte der BGH in seiner Kleidersack-Entscheidung (Urteil v. 30.01.2023 – I ZR 142/00) die Beurteilung der Berufungsinstanz gehalten, dass beim Angebot eines „Aktionspakets“ an Zahnarztpraxen, welches Arzneimittel und einen Kleidersack zu einem Gesamtpreis umfasste, wobei der Kleidersack rechnerisch für DM 44 anstelle für DM 119 bereitgestellt wurde, ein Gesamtangebot zu einem Gesamtpreis vorliege, für das mangels Aufteilbarkeit der Leistungen und Gegenleistungen kein Scheinentgelt angenommen werden könne. Folglich verstieß das Gesamtangebot mangels Unentgeltlichkeit nicht gegen § 7 HWG.

Aber aufgepasst: Das Angebot des „Aktionspakets“ wurde aber gleichwohl untersagt, da es aufgrund unsachlicher Beeinflussung der Zahnärzte als unzulässig i. S. d. Lauterkeitsrechts eingestuft wurde.

IV. Eng umgrenzte Ausnahmen für Geld- und Naturalrabatte

Ist ein Angebot als unentgeltliche Werbegabe i. S. v. § 7 HWG einzuordnen, so ist dieses grds. unzulässig.

Die Vorschrift enthält jedoch einige Ausnahmeregelungen, von denen für die hier maßgeblichen Koppelungsangebote regelmäßig der Ausnahmetatbestand in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UWG von Interesse ist, der sog. Geld- und Naturalrabatte im Rahmen eines Erwerbsgeschäfts erfasst:

  • Geldrabatte sind danach zulässig, soweit es sich um einen (zahlenmäßig) bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag handelt. Maßgeblich ist jedoch, dass der Rabatt unmittelbar auf den für das medizinische Verbrauchsmaterial verlangten Preis gewährt wird. Im o. g. Fall des OLG Köln wurde die auf den Dentallaborscanner gewährte Preisreduktion daher nicht als ausnahmsweise zulässiger Geldrabatt eingestuft, da der Rabatt eben nicht auf die ebenfalls abzunehmenden zahnmedizinischen Verbrauchsgüter gewährt wurde, sondern eben nur auf den beigestellten Scanner als Investitionsgut. Dies berge nach Ansicht des OLG Köln die Gefahr, dass nicht mehr die Preiswürdigkeit der beworbenen zahnmedizinischen Verbrauchsgüter handlungsleitend sei, sondern die Möglichkeit, den Scanner vergünstigt zu erwerben, im Ergebnis also sachfremde Erwägungen die Kaufentscheidung bestimmten.
  • Naturalrabatte sind zulässig, die in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware bzw. gleicher Leistung gewährt werden. Das maßgebliche Kriterium ist insofern, dass eine Gattungs- und Qualitätsidentität zwischen den zusätzlich gewährten Waren bzw. Leistungen und den erworbenen Waren bzw. Leistungen bestehen muss. Es ist also erforderlich, dass bei allen wesentlichen, die Eigenart der Ware oder Leistung bestimmenden Eigenschaften eine völlige Identität gegeben ist zwischen den gekauften und der als Rabatt zugegebenen Ware. Lediglich eine Gleichartigkeit, Ähnlichkeit oder Gebrauchsnähe genügt nicht (BGH, Urt. v. 6.11.2014 – I ZR 26/13).

Werbegaben für Angehörige der Heilberufe sind zudem immer nur dann zulässig, wenn sie zur Verwendung in der ärztlichen oder pharmazeutischen Praxis bestimmt sind.

V. Lauterkeitsrechtliche Perspektive

Neben der heilmittelwerberechtlichen Perspektive sind Koppelungsangebote auch aus Perspektive des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kritisch zu betrachten.

Zwar ist eine Wertwerbung durch unentgeltliche oder vergünstigte Zugaben nicht per se unlauter i. S. d. UWG.

Eine Unlauterkeit kommt jedoch in Betracht, wenn im konkreten Einzelfall eine unzulässige Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit gem. § 4a Abs. 1 Nr. 3 UWG oder eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern gem. § 4 Nr. 4 UWG anzunehmen ist. Erstes soll nach der Rechtsprechung dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung die Rationalität der Entschließung des Durchschnittsadressaten vollständig in den Hintergrund treten lässt, z. B. wenn die Vergünstigung eine derart starke Anlockwirkung entfaltet, dass der Adressat davon abgehalten wird, sich mit anderen Angeboten näher zu befassen. Diese Konstellation dürfte auf B2B-Sachverhalte allerdings seltener Anwendung finden.

In Betracht kommt zudem eine Unlauterkeit auf Basis der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel wegen der konkreten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des jeweiligen Adressaten. Mit dieser Begründung wurden entsprechende Werbegaben in der Rechtsprechung in der Vergangenheit als lauterkeitsrechtlich unzulässig eingestuft, so etwa durch den BGH in seiner o. g. Kleidersack-Entscheidung. Darin entschied der BGH, dass die Zugabe eines stark vergünstigten Kleidersacks i. R. e. Gesamtangebotes verbunden mit dem Bezug von Heilmitteln geeignet sei, die adressierten Zahnärzte unsachlich dahingehend zu beeinflussen, dass die beworbenen Heilmittel nur wegen der damit verbundenen günstigen Erwerbsmöglichkeit für den Kleidersack erworben werden und das Angebot damit unlauter ist.

Der BGH nahm dabei maßgeblich daran Anstoß, dass durch das Angebot die Gefahr begründet werde, dass für die adressierten Ärzte nicht mehr die medizinisch-sachlichen Interessen des Patientenwohls entscheidungsleitend sein könnten, sondern sachfremde Erwägungen wie die günstige Erlangung des Kleidersacks.

VI. Rechtsfolgen von Verstößen

Verstöße gegen § 7 HWG können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu EUR 50.000 geahndet werden.

Darüber hinaus stellt § 7 HWG auch eine Marktverhaltensregel i. S. d. § 3a UWG dar und können Verstöße entsprechend vom anspruchsberechtigten Personenkreis des Lauterkeitsrechts, insb. von Mitbewerbern, verfolgt, insbesondere kostenpflichtig abgemahnt werden. In Rede stehen dann jeweils Ansprüche auf Unterlassung und ggf. Annexansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten.

Verstöße gegen Vorschriften des UWG können ebenfalls auf diese Weise verfolgt werden.

VII. Fazit und Ausblick

Die Norm des § 7 HWG wird überwiegend nicht als gesetzgeberisches Meisterwerk, sondern als Norm mit inzwischen deutlichem Reformbedarf, bewertet. Entsprechend komplex kann sich dann auch die Beurteilung gestalten, ob in der jeweiligen Einzelfallgestaltung eine unzulässige Werbegabe vorliegt, ob ggf. ein Ausnahmetatbestand greift oder der in Aussicht gestellte Vorteil rechtlich unbedenklich ist.

Diese Bewertung wird häufig ohne Hinzuziehung juristischer Expertise nicht zu leisten sein.

Wichtig ist jedoch auch hier zuallererst ein ausreichendes Problembewusstsein. Insofern kann als grober Richtwert für Koppelungsangebote gelten, dass immer dann eine dezidiertere Prüfung angeraten erscheint, sobald das versprochene Investitionsgut unterhalb des Einstandspreises angeboten wird.

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