19.07.2022Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 71

BGH: Werbung mit „Kinderzahnarztpraxis“ erlaubt, mit „Kinderzahnarzt“ irreführend?

Die Konkurrenz unter Zahnarztpraxen ist groß. Für viele Zahnärzte ist es deshalb wichtig, Patienten von ihrem Leistungsangebot durch einen ansprechenden Internetauftritt zu überzeugen. Dabei dürfen die rechtlichen Vorgaben allerdings nicht außer Acht gelassen werden.

1. Die Fälle

Die Zahnärztekammer Nordrhein hat sich zuletzt in zwei verschiedenen Fällen jeweils an den Begriffen „Kinderzahnarztpraxis“ (BGH, Urteil v. 07.04.2022, I ZR 217/20) und der Bezeichnung einer Zahnärztin als „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ (BGH, Urteil v. 07.04.2022, I ZR 5/21) gestört und hielt diese Bezeichnungen für irreführend. Die beiden Unterlassungsklagen landeten zur Entscheidung schließlich beim BGH.

Im ersten Fall wurde mit der Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ auf der Internetpräsenz geworben. Die Räumlichkeiten werden auf der Homepage als „kindergerechte Umgebung“ beschrieben, die ein „überdimensionales Wartezimmer“ und Abenteuer bereithalte.

Mit der Wendung „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ wurde im zweiten Fall eine Zahnärztin sowohl im Internetauftritt als auch in einem Imagefilm bezeichnet. 

2. Die Entscheidung des BGH

Der BGH hatte jeweils darüber zu entscheiden, ob die von den Zahnarztpraxen verwendeten Begrifflichkeiten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Fall 2 Nr. 3 UWG irreführend sind. Eine Irreführung liegt danach vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den angesprochenen Verkehrskreisen erweckt (Verkehrsauffassung), mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt.

Im Kern ging es also um die Frage, ob die von den zahnärztlichen Angeboten angesprochenen Eltern und (mitsprachberechtigten) Kinder aufgrund der gewählten Bezeichnungen erwarten, dass die Zahnärzte eine besondere, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Qualifikation im Bereich der Kinderzahnheilkunde besitzen.

Interessanterweise schlossen sich die Karlsruher Richter in beiden Fällen der Auffassung des OLG Düsseldorf an, wonach die Bezeichnung „Kinderzahnarztpraxis“ nicht irreführend sei, die Bezeichnung einer Zahnärztin als „Kinderzahnärztin, Kie-ferorthopädin“ jedoch eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise darstelle.

Für Zahnärzte sind folglich die Kriterien interessant, anhand derer das Oberlandesgericht differenziert und die der BGH als rechtsfehlerfrei erachtet hat. Jene Kriterien können nämlich zur Orientierung bei der Gestaltung des eigenen Werbeauftritts dienen.

  • Dem Begriff „Kinderzahnarztpraxis“ fehle der personale Bezug, sodass der Begriff nicht über die Person oder Befähigung der tätigen Zahnärzte täusche. Es würden zwar berechtigte Erwartungen an eine kindergerechte Praxiseinrichtung und an Zahnärzte geweckt, die gegenüber kindlichen Bedürfnissen aufgeschlossene sind. Dass die praktizierenden Zahnärzte aber über besondere fachliche Kenntnisse der Zahnheilkunde verfügen, die ggf. durch eine umfassende Weiterbildung erlangt worden sind, erwarteten die angesprochenen Verkehrskreise demnach jedoch nicht.
  • Die Bezeichnung „Kinderzahnärztin, Kieferorthopädin“ sei hingegen im konkreten Zusammenhang irreführend. Zum einen, weil ein personaler Bezug hergestellt würde. Zum anderen, weil der Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ die Facharztbezeichnung „Kieferorthopädin“ hinzugefügt sei. Das OLG ist der Auffassung, dass der Durchschnittsverbraucher weiß, dass ein Kieferorthopäde eine zusätzliche, gegenüber staatlichen Stellen nachgewiesene Zahnheilkundequalifikation besitze. Die Bezeichnung „Kinderzahnärztin“ werde der bekannten Facharztbezeichnung gleichgesetzt. Dieser Auffassung schloss sich der BGH an.

Ob der Begriff „Kinderzahnarzt“ ohne weitere Zusätze irreführend ist, haben das OLG und der BGH offengelassen, auch wenn einiges dafürspreche.

Die unterschiedlichen Urteile verdeutlichen: Für die Bestimmung der Verkehrsauffassung kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Weil die Differenzierungskriterien nachvollziehbar dargelegt sind, halten die Entscheidungen geeignete Kriterien bereit, an denen sich Zahnarztpraxen mit entsprechender Spezialisierung für die Gestaltung der eigenen Webpräsenz orientieren können.

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