Update IP, Media & Technology Nr. 59
EuGH: Inbox-Werbung bei E-Mail-Diensten ist nur mit vorheriger Einwilligung zulässig
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass das Einblenden von E-Mail-ähnlichen Werbenachrichten im Posteingang eines E-Mail-Postfachs (sog. „Inbox-Werbung“ bzw. „Inbox-Advertising“), nur mit vorheriger Einwilligung des Nutzers zulässig ist (Urt. v. 25. November 2021 – Rs. C 102/20).
Der Fall
Der Beklagte – ein Energieversorger – beauftragte eine Werbeagentur mit der Schaltung von Werbeeinblendungen in Postfächern eines kostenlosen E-Mail-Dienstes. Die betreffenden Werbeeinblendungen, die in der Praxis keine Seltenheit sind, waren ähnlich gestaltet wie E-Mails und unterschieden sich von der Liste der anderen E-Mails des Nutzers nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt und zudem kein Absender angegeben und der Werbetext grau unterlegt war.
Nach Ansicht des Klägers, einem Mitbewerber des Beklagten, verstößt diese Form der Werbung, zumal ohne vorherige Einwilligung des Adressaten, gegen die Vorschriften des unlauteren Wettbewerbs, genauer gesagt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Danach stellt die Werbung unter Verwendung von elektronischer Post ohne die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung dar.
Der Kläger nahm den Beklagten daher nach erfolgloser Abmahnung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht gab dem Kläger Recht und verurteilte den Beklagten. In der nächsten Instanz sah das Oberlandesgericht Nürnberg in dem Fall dagegen keinen Wettbewerbsverstoß. Der Bundesgerichtshof (BGH), bei dem der Streit schließlich in der Revision landete, war der Auffassung, dass der Erfolg der Revision von der Auslegung des EU-Rechts abhänge und legte dem EuGH deshalb Fragen zur sog. Vorabentscheidung vor. Unter anderem sei nach Ansicht der BGH unklar, ob die in Rede stehende Inbox-Werbung die Voraussetzungen einer elektronischen Post i.S.d. sog. E-Privacy-Richtlinie (RL 2002/58/EG) erfülle.
Die Entscheidung
Der EuGH wies in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass die E-Privacy-Richtlinie darauf abziele, die Teilnehmer gegen die Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen. Dieses Ziel müsse unabhängig von der zugrundeliegenden Technologie gewährleistet sein, weshalb ein weiter und aus technologischer Sicht entwicklungsfähiger Begriff der von der Richtlinie erfassten Art von Kommunikation geboten sei.
Vor diesem Hintergrund ist der EuGH in Bezug auf die in Rede stehenden – in einer E-Mail-ähnlichen Form verbreiteten – Werbenachrichten der Auffassung, dass diese eine Form der elektronischen Post darstellen, die geeignet ist, das Ziel, die Nutzer vor einer Verletzung ihrer Privatsphäre durch unerbetene Nachrichten für Zwecke der Direktwerbung zu schützen, zu beeinträchtigen.
Darüber hinaus stellte der EuGH klar, dass die Verwendung elektronischer Post zum Zwecke der Direktwerbung nur unter der Voraussetzung gestattet ist, dass ihr Empfänger zuvor darin eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung müsse in einer Willensbekundung der betroffenen Person zum Ausdruck kommen, „die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt.“
Der BGH müsse daher feststellen, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche, durch Werbung finanzierte, Variante des betreffenden E-Mail-Dienstanbieters entschieden hat, „ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu erhalten.“ Ferner führte der EuGH hierzu aus: „Insbesondere muss zum einen festgestellt werden, dass dieser Nutzer klar und präzise u. a. darüber informiert wurde, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E‑Mails angezeigt werden, und zum anderen, dass er seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat.“
Darüber hinaus nahm der EuGH auch zu der Frage Stellung, ob es sich bei Inbox-Werbung um unerwünschtes, hartnäckiges Ansprechen handele. Ein unerwünschtes Ansprechen sei jedenfalls beim Fehlen einer vorherigen Einwilligung anzunehmen. Im vorliegenden Fall erfolgte die Werbeeinblendung zudem „so häufig und regelmäßig“, dass der EuGH sie auch als „hartnäckiges Ansprechen“ einstufte.
Fazit
Die weit verbreitete Inbox-Werbung ist als elektronische Post einzustufen und bedarf nach Ansicht des EuGHs daher einer vorherigen Einwilligung des Empfängers. Auch wenn Nutzer unentgeltlicher und damit werbefinanzierter Varianten von E-Mail-Diensten grundsätzlich mit Werbeeinblendungen einverstanden sind, bedarf es trotzdem deren vorheriger Einwilligung für die konkrete Werbeform der Inbox-Werbung. Für die rechtliche Bewertung kommt es daher darauf an, ob die im Rahmen der Anmeldung bzw. den AGB erteilten Informationen des E-Mail-Providers hinreichend klar und umfassend sind, sodass von einer wirksamen Einwilligung des Kunden für Inbox-Werbung ausgegangen werden kann. Auch im hier betreffenden Fall wird sich der BGH mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.