24.07.2019Fachbeitrag

Update IP Nr. 17

Neues zum Widerrufsrecht – BGH-Urteil zum Matratzenkauf

Das Widerrufsrecht für Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften führt seit seiner Einführung zu Streitfragen. Grundsätzlich soll der Verbraucher auch bei Online-Käufen so gestellt werden wie ein Kunde in stationären Geschäften. In der Praxis erweist sich dieser vermeintlich einfache Grundsatz jedoch immer wieder als schwierig. Es überrascht daher nicht, dass das Bestehen eines Widerrufsrechts bei Matratzenkäufen die Gerichte beschäftigt hat. Jetzt ist der BGH in seinem Urteil vom 3. Juli 2019 (Az.: VIII ZR 194/16) der Auffassung des EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren gefolgt und hat festgehalten, dass bei Matratzen auch nach Entfernung einer Schutzfolie ein Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht. Er beendet damit einen fünf Jahre dauernden Rechtsstreit und stärkt die Verbraucherrechte im Rahmen von Fernabsatzverträgen.

I. Der Fall

In dem entschiedenen Fall bestellte der Kläger zu privaten Zwecken eine Matratze im Online-Versandhandel der Beklagten, die unter anderem Matratzen vertreibt. Die Matratze wurde dem Kläger mit einer versiegelten Schutzfolie geliefert, welche er nach Erhalt entfernte. Schließlich widerrief der Käufer durch eine E-Mail an die Beklagte mit Bitte um Rücktransport fristgerecht den Vertrag nach §§ 355, 312g BGB. Daraufhin wurde die Beklagte mehrmals erfolglos zur Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgefordert. In den AGB der Beklagten, die auch eine Widerrufsbelehrung enthielten, wurde auf eine im Gesetz vorgesehene Beschränkung des Widerrufsrechts aus Gründen des Gesundheitsschutzes bzw. der Hygienegründe hingewiesen (§312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Die Frage, die die Gerichte nach Erhebung der Klage durch den Käufer auf Erstattung des Kaufpreises und der Transportkosten durch alle Instanzen beschäftigte, war ob der Verkäufer sich auf die „Hygiene-Beschränkung“ berufen konnte. Die Vorinstanzen hielten die Entfernung der Schutzfolie für unproblematisch und gaben der Klage des Käufers statt. Der BGH legte schließlich dem EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor. Problematisch war insbesondere, ob eine Matratze unter die entsprechende Vorschrift der EU-Verbraucherrechterichtlinie (RL 2011/83/EU) fällt, auf der § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB beruht. Unter anderem wollte der BGH wissen, ob bei Matratzen eine Verkehrsfähigkeit der Ware aus hygienischen Gründen wegfalle, etwa wie bei Zahnbürsten oder bestimmten Kosmetika, wenn man eine Versiegelung oder Umverpackung entferne. Der BGH verwies dabei auf den Umstand, dass Matratzen anders als die genannten Hygieneartikel durchaus verschiedene Nutzer hätten, z.B. im Hotelgewerbe, zudem gereinigt werden könnten und es insbesondere auch einen Markt für Gebrauchtmatratzen gebe.

II. Das Urteil

Der EuGH bestätige die in der Vorlageentscheidung des BGH schon angelegte Fragestellung, nach der eine Eingrenzung des Widerrufsrecht von Verbrauchern eng auszulegen sei und letztlich die endgültige Aufgabe einer Verkehrsfähigkeit der Ware erfordere. Unter Hinweis auf Anproben von Kleidungsstücken war der EuGH der Auffassung, eine Matratze könne auch nach einem „Probeliegen“ durch den Verbraucher trotz Entfernung der Schutzfolie wieder vermarktet werden. Dies bestätigte der BGH wenig überraschend in seinem Urteil vom 3.7.2019 (Az.: VIII ZR 194/16). Eine Matratze sei keine „versiegelte Ware“ im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB und falle somit nicht unter diese Ausnahmevorschrift. Zur Begründung zog der BGH überzeugend den Sinn und Zweck des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen heran. Dieses solle den Verbraucher in der besonderen Situation im Fernabsatzhandel schützen. Der Verbraucher habe anders als im Ladengeschäft nicht die Möglichkeit, die Kaufsache vor Abschluss des Vertrages zu sehen, zu prüfen und auszuprobieren. Durch das Widerrufsrecht solle dieser Nachteil ausgeglichen werden, indem es dem Verbraucher eine angemessene Bedenkzeit einräume.

An diesem Sinn und Zweck seien auch die Ausnahmeregelungen des § 312g Abs. 2 BGB zu messen, die nach den Erwägungen des EuGH eng auszulegen seien. § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB greife demnach nur, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene endgültig nicht mehr verkehrsfähig sei. Im Hinblick auf das Widerrufsrecht könne wie vom EuGH festgehalten, eine Matratze mit einem Kleidungsstück gleichgesetzt werden. Dieses komme bei einer Anprobe ebenfalls mit dem menschlichen Körper in direkten Kontakt. Unternehmer seien jedoch in beiden Fällen in der Lage, die Ware nach der Rücksendung durch eine Reinigung oder eine Desinfektion für eine Wiederverwendung geeignet zu machen. Nicht beachtet wurde bei diesem Vergleich seitens des BGH allerdings, dass die Reinigung eines Kleidungsstückes im Regelfall deutlich einfacher und günstiger ist.

III. Ausblick

Im Ergebnis überzeugt das Urteil des BGH. Es stärkt die Rechte der Verbraucher, indem höchstrichterlich die enge Auslegung der Ausnahmetatbestände des Widerrufsrechts bestätigt wird. Zwar bezieht sich die Entscheidung nur auf den Einzelfall des Matratzenkaufs, der angelegte Maßstab eines endgültigen Wegfalls der Verkehrsfähigkeit kann jedoch auch für andere Waren herangezogen werden. Von der Entscheidung unberührt bleibt bei einer übermäßigen und nicht notwendigen Prüfung der Ware die Pflicht des Verbrauchers zum Wertersatz. Die Rücksendung einer Matratze nachdem der Übernachtungsbesuch abgereist ist, wird nach wie vor unzulässig sein.

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