Newsletter Gesellschaftsrecht Dezember 2015
Keine unterjährige Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags mit einer abhängigen GmbH
BGH, Urteil vom 16. Juni 2015 – II ZR 384/13
Kürzlich hatte der Bundesgerichtshof (BGH) die Gelegenheit, eine strittige Frage zur Beendigung von Gewinnabführungsverträgen im GmbH-Konzern zu klären. Der BGH hat dabei entschieden, dass entsprechend der Rechtslage im Aktienrecht auch der Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen GmbH nicht unterjährig aufgehoben werden kann. Demgegenüber ließ der BGH die in der Praxis wichtige Frage unbeantwortet, ob allein die Veräußerung der Beteiligung an einer abhängigen GmbH einen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung des Gewinnabführungsvertrages darstellen kann.
Auch der Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen GmbH kann nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt aufgehoben werden
In Konzernen werden oft Gewinnabführungsverträge geschlossen, wonach sich eine abhängige Gesellschaft verpflichtet, ihren Gewinn an ihre Muttergesellschaft abzuführen (§ 291 AktG). Hintergrund sind meist steuerliche Erwägungen. Denn das Einkommen der abhängigen Gesellschaft wird steuerlich dem Einkommen der Muttergesellschaft zugerechnet, so dass Verluste der abhängigen Gesellschaft die Gewinne der Muttergesellschaft mindern (ertragsteuerliche Organschaft). Besteht ein Gewinnabführungsvertrag, ist die Muttergesellschaft allerdings zugleich auch verpflichtet, Verluste der abhängigen Gesellschaft auszugleichen (§ 302 AktG). Dieser Rechtsgedanke gilt auch im GmbH-Vertragskonzern.
Beendigung von Gewinnabführungsverträgen
Ein Gewinnabführungsvertrag endet grundsätzlich durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit, einseitige Kündigung oder einvernehmliche Vertragsaufhebung. Für die steuerliche Anerkennung eines Gewinnabführungsvertrags muss dieser jedoch auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden (§ 14 KStG). Vorbehaltlich eines wichtigen Grundes für die vorzeitige Beendigung entfällt andernfalls die steuerliche Wirkung des Gewinnabführungsvertrags rückwirkend für seine gesamte Vertragslaufzeit.
Gesetzliche Beschränkung der Möglichkeit zur Vertragsaufhebung
Im Aktienrecht kann eine einvernehmliche Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrags nur zum Ende des Geschäftsjahres oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums erfolgen (§ 296 Abs. 1 Satz 1 AktG). In Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung war bislang umstritten, ob dies auch für den Gewinnabführungsvertrag mit einer abhängigen GmbH gilt.
Die BGH-Entscheidung
Der BGH hat dies mit seiner Entscheidung vom 16. Juni 2015 nunmehr unter entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften bejaht. Eigenarten des GmbH-Rechts stünden dem nicht entgegen. Der BGH setzt damit seine Linie fort, aktienrechtliche Bestimmungen im GmbH-Konzern entsprechend anzuwenden, soweit der Schutzzweck der Vorschriften bei einer abhängigen GmbH gleichermaßen zutrifft und sie nicht auf Unterschieden der Binnenverfassung von Aktiengesellschaft und GmbH beruhen. Vielmehr rechtfertige unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Gesetzgebers auch insoweit das Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit eine Einschränkung der Vertragsfreiheit der Parteien des Gewinnabführungsvertrags.
Auswirkungen für die Praxis
Folglich ist wie im Aktienrecht die einvernehmliche Aufhebung eines Gewinnabführungsvertrags mit einer abhängigen GmbH nicht mit Wirkung zu einem beliebigen Zeitpunkt, sondern nur zum Ende eines Geschäftsjahres oder vertraglichen Abrechnungszeitraums möglich. Dies hat vor allem Bedeutung für den Verlustausgleichsanspruch der abhängigen GmbH gegenüber ihrer Muttergesellschaft, der somit weiterhin zum Ende des Geschäftsjahres der abhängigen GmbH oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums zu berechnen ist.
Alternative: Kündigung aus wichtigem Grund
Diese Einschränkung gilt nicht für die außerordentliche Kündigung eines Gewinnabführungsvertrags. Liegt ein wichtiger Grund vor, kann auch ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden (§ 297 AktG). Dies ist der Fall, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Gewinnabführungsvertrags bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Allerdings entfällt auch bei einer außerordentlichen Kündigung die steuerliche Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags für ein noch nicht beendetes Geschäftsjahr.
Praxisproblem: Veräußerung der Beteiligung
Über die Kündigung eines Gewinnabführungsvertrags aus wichtigem Grund ist in der Praxis häufig im Falle der Beteiligungsveräußerung zu entscheiden. Ob die Veräußerung der abhängigen Gesellschaft für sich allein bereits einen wichtigen Grund für die Beendigung eines Gewinnabführungsvertrags darstellen kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung steht dem eher kritisch gegenüber. Hauptkritikpunkt ist, dass sich die Muttergesellschaft damit selbst einen Kündigungsgrund schaffen könne, wenn sie sich aus freien Stücken ohne wirtschaftliche Zwänge zur Anteilsveräußerung entschließt.
Keine Entscheidung des BGH
Der BGH brauchte im entschiedenen Fall nicht auf diese Frage einzugehen und hat hierzu auch keine verbindliche Aussage getroffen. Bis auf Weiteres ist deshalb im Einklang mit der wohl überwiegenden Meinung davon auszugehen, dass der Umstand der Anteilsveräußerung allein zivilrechtlich (anders als im Steuerrecht) keinen wichtigen Grund zur Kündigung eines Gewinnabführungsvertrags begründet, so dass in diesem Fall nicht schon deshalb eine fristlose Kündigung desselben möglich ist.
Bisherige Gestaltung der Praxis
In der Praxis behilft man sich bisher meist damit, die Anteilsveräußerung als ausdrücklich vereinbarten Kündigungsgrund im Gewinnabführungsvertrag vorzusehen und ein Rumpfgeschäftsjahr der abhängigen Gesellschaft zu bilden, zu dessen Ende hin der Gewinnabführungsvertrag einvernehmlich aufgehoben und gegebenenfalls zusätzlich noch gekündigt wird. Damit wird dem Erfordernis einer Aufhebung zum Ende eines Geschäftsjahrs Genüge getan. Allerdings erfordert dies einen gewissen Organisationsund Kostenaufwand (z. B. beurkundete Beschlussfassung über die Geschäftsjahresänderung und deren Handelsregistereintragung als Wirksamkeitserfordernis). Weiterhin besteht Abstimmungsbedarf mit den Finanzbehörden (z. B. Einverständnis mit Änderung des Wirtschaftsjahres). Schließlich ergeben sich in Transaktionen oftmals auch Unsicherheiten hinsichtlich des konkreten Vollzugsdatums (Closing), so dass eine daran ausgerichtete Bildung eines Rumpfgeschäfts besonderer vertraglicher Regelungen bedarf.
Bislang keine rechtssicheren Alternativen
Alternativen hierzu sind rar und außerdem bislang weitgehend nicht praxiserprobt. Vorgeschlagen wird beispielsweise die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung im Gewinnabführungsvertrag oder die Vereinbarung unterjähriger Abrechnungszeiträume. Allerdings werden dadurch weitere streitige und noch ungeklärte Rechtsfragen aufgeworfen. Im Ergebnis ist deshalb von solchen Lösungsansätzen derzeit grundsätzlich abzuraten.
Fazit
Die entsprechende Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG auf die Aufhebung des Gewinnabführungsvertrags mit einer abhängigen GmbH kommt nicht überraschend. Allerdings wären weitere Aussagen des BGH zur Frage, ob die Veräußerung der abhängigen Gesellschaft auch zivilrechtlich einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung begründet, wünschenswert gewesen. Hier gilt es nun abzuwarten und vorsorglich weiterhin mit der praxisbewährten Gestaltung (Vereinbarung von Kündigungsgründen und Bildung eines Rumpfgeschäftsjahres) zu arbeiten.