12.06.2019Fachbeitrag

Update Datenschutz Nr. 59

Neues zur Videoüberwachung – Nur tatsächlich vorhandene Zwecke heiligen die Mittel

Kaum ein Unternehmen setzt keine Videoüberwachungsanlagen ein. Gefilmt werden beispielsweise Werks- und Arbeitsräume oder Eingangsbereiche. Häufig werden die Videoaufnahmen nicht nur live auf einen Monitor übertragen („Kamera-Monitor-System“), sondern auch automatisch für einen bestimmten Zeitraum aufgezeichnet. Als mögliche Zwecke der Videoüberwachung werden häufig die Wahrung des Hausrechts und die Aufdeckung sowie Prävention von Straftaten, wie etwa Diebstahl, Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung, angeführt.

Nichtsdestotrotz wirft der Einsatz von Videoüberwachungsanlagen in der Praxis zahlreiche – teils noch ungeklärte – Fragen aus datenschutzrechtlicher Sicht auf. Dies betrifft unter anderem in formeller Hinsicht Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Informationspflichten sowie in materieller Hinsicht insbesondere die Frage nach der Zulässigkeit der Datenverarbeitung gemäß den Vorgaben der DSGVO. Denn der Einsatz von Videoüberwachungsanlagen stellt eine automatisierte Verarbeitung dar und die Videoaufzeichnungen in Unternehmen, Geschäften und Arztpraxen enthalten in der Regel personenbezogene Daten, da durch diese natürliche Personen identifiziert werden können. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr – quasi im Rahmen eines obiter dictum – in einem Urteil vom 27. März 2019 (Az. 6 C 2.18) Ausführungen zur Zulässigkeit einer Videoüberwachung auch unter dem Regime der DSGVO gemacht.

Sachverhalt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Die Klägerin, eine Zahnärztin, ist Inhaberin einer Praxis in einem Gebäude, in dem sich weitere Arztpraxen sowie eine Tagesklinik für Psychiatrie befinden. Die Eingangstür der Praxis ist während der Öffnungszeiten nicht verschlossen und der Empfangstresen nicht besetzt, der Öffentlichkeit folglich zugänglich. Die Klägerin installierte eine Digitalkamera oberhalb des Tresens, die laufende Bilder in Echtzeit erstellte. Die Bilder wurden auf Monitore in den Behandlungszimmern übertragen. Eine darüber hinausgehende Speicherung der Videoaufnahmen fand nicht statt.

Die Digitalkamera überwachte den Bereich hinter dem Empfangstresen sowie diejenigen Bereiche, in denen sich die Besucher nach dem ungehinderten Betreten der Praxis aufhielten (Bereich vor dem Empfangstresen, Flur zwischen Eingangstür und Tresen und ein Teil des vom Flur abgehenden Wartebereichs).

Die Klägerin brachte an der Außenseite der Eingangstür und am Empfangstresen jeweils ein Schild mit der Aufschrift „Videogesichert“ an.

Die Datenschutzaufsichtsbehörde ordnete unter anderem an, die Digitalkamera so auszurichten, dass die Bereiche, die Besuchern offenstehen, während der Öffnungszeiten der Praxis nicht mehr erfasst werden. Die Klägerin wehrte sich auf dem Verwaltungsrechtsweg im Ergebnis erfolglos in allen drei Instanzen gegen diese Anordnung.

Zur Unzulässigkeit dieser Videoüberwachung

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte, dass die Videoüberwachung der Klägerin unzulässig war. Das Gericht war der Auffassung, dass diese Form der Videoüberwachung – es war in dem dortigen Fall wegen der Anordnung vor Inkrafttreten der DSGVO die alte Rechtslage nach dem BDSG a.F. noch zu berücksichtigen – nicht mit § 6b Abs. 1 Satz 1 BDSG a.F. in Einklang stand. Danach war eine Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen Räumen zulässig, wenn sie (Nr. 2) zur Wahrung des Hausrechts oder (Nr. 3) zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

Das Gericht vertrat die Ansicht, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, ein berechtigtes Interesse bzw. die Wahrung ihres Hausrechts nachzuweisen, anhand derer die Erforderlichkeit der Videoüberwachung zu überprüfen war. Die Erforderlichkeit besteht, wenn ein Grund, etwa eine Gefährdungslage, hinreichend durch Tatsachen oder die allgemeine Lebenserfahrung belegt ist, und ihm nicht ebenso gut durch eine andere gleich wirksame, aber schonendere Maßnahme Rechnung getragen werden kann.

Der Grund der Aufklärung und die Prävention einer Straftat sind anerkannte berechtigte Interessen, jedoch kann dies nur dann eine Videoüberwachung rechtfertigen, wenn eine Gefährdungslage besteht, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Dies verlange nach tatsächlichen Erkenntnissen eine Gefährdung, d.h. subjektive Befürchtungen oder ein Gefühl der Unsicherheit reichen hierfür allein nicht aus. Erforderlich seien also Indizien bzw. objektive Anhaltspunkte, dass Straftaten, wie Einbrüche, Überfälle oder Gewalttaten, erfolgen können. Die Lagerung von Wertsachen und Arzneimittel reiche dafür nicht aus, so das Gericht. Auch befinde sich die Praxis nicht in einem Gebiet mit erhöhtem Gefahrenpotential. Die Rechte der betroffenen Patienten vor einer Videoüberwachung seien daher als schutzwürdiger anzusehen.

Das Gericht wies darauf hin, dass das Bestreben, Betriebskosten durch Einsparung von Personal zu senken, zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 6b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. begründe, jedoch habe die Klägerin dies nicht ausreichend dargelegt und bewiesen. Sie habe insbesondere nicht dargelegt, dass die Personalkosten sich nicht durch andere organisatorische Maßnahmen genauso effektiv einsparen ließen.

Ferner hat das Gericht klargestellt, dass das Anbringen von Hinweisschildern und das Betreten der Personen keine Einwilligung im datenschutzrechtlichen Sinne darstellen konnte, weil alleine schon die – nach alter Rechtslage vorgesehene – Schriftform nicht erfüllt war.

Ausführungen zur DSGVO

Das Gericht hat lediglich hilfsweise ausgeführt, dass die Videoüberwachung auch unter Berücksichtigung des Art. 6 UAbs. 1 DSGVO unwirksam sei. Zunächst einmal könne Art. 6 UAbs. 1 lit. e) DSGVO keine Datenverarbeitung rechtfertigen, weil dieser grds. nur für Behörden gelte. Auch § 4 Abs. 1 Satz 1 BDSG n.F. ist für Videoüberwachungen privater Verantwortlicher nicht anwendbar.

Schlussendlich führt das Gericht aus, dass Maßnahmen zur Videoüberwachung durch eine Interessenabwägung nach Art. 6 UAbs. 1 lit. f) DSGVO gerechtfertigt werden können. Zur Prüfung des berechtigten Interesses, der Erforderlichkeit und Interessenabwägung könne auf die zu § 6b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BDSG a.F. gemachten Ausführungen zurückgegriffen werden. Ferner verweist das Gericht auf Erwägungsgrund 47 der DSGVO, wonach etwa die Verhinderung von Betrug ein berechtigtes Interesse darstellt. Im Ergebnis hat das Gericht auch hier unter Berücksichtigung der DSGVO dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Patienten ein höheres Gewicht beigemessen.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Eine Datenüberwachung von öffentlich zugänglichen Räumen sollte entsprechend den Vorgaben der Interessenabwägung gemäß Art. 6 UAbs. 1 lit. f) DSGVO ausgestaltet sein. Für die Praxis ist entscheidend, dass das Unternehmen nicht lediglich abstrakt auf ein bestehendes Hausrecht sowie eine Gefährdungslage im Zusammenhang mit potentiellen Straftaten verweist, sondern dokumentiert, dass tatsächlich eine Gefahr besteht, die nur durch eine Videoüberwachung begegnet werden kann.

Ferner sollte konkret geprüft werden, welche Bereiche die Kamera aufzeichnet und hinterfragt werden, ob der Aufnahmebereich nicht ebenso gut beschränkt werden kann (Grundsatz der Datenminimierung).

Auch weitere Vorgaben der DSGVO sollten bei der Videoüberwachung immer im Blick behalten werden: Nach Ansicht der Datenschutzaufsichtsbehörden sollten Aufzeichnungen aus Videoüberwachungen spätestens nach 48 Stunden gelöscht werden, wenn keine sonstigen Gründe für eine längere Speicherung sprechen.

Ferner sollte den Hinweispflichten durch Hinweisschilder zwecks Erfüllung der Transparenzvorgaben des Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO nachgekommen werden sowie auch den sonstigen Informationspflichten. Darüber hinaus verlangt eine Videoüberwachung in der Regel auch immer die Vornahme einer Datenschutzfolgenabschätzung.

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