11.01.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Januar 2015

EuGH: Keine öffentliche Wiedergabe eines Werks allein durch „Framing“

EuGH, Beschluss vom 21.10.2014 (Rs. C-348/13)

Leitsatz:
Die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik, wie sie im Ausgangsverfahren in Frage steht, allein stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.

Anmerkung

Auf Vorlagefrage des BGH hatte sich der EuGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die nicht genehmigte Wiedergabe eines Films über sog. „Framing“ im Internet gegen urheberrechtliche Verwertungsrechte verstößt. Beim „Framing“ werden Inhalte, die auf einer anderen Webseite abrufbar bereitgehalten werden, über einen Link in einem auf der abgerufenen Webseite erscheinenden Rahmen („Frame“) zugänglich gemacht. Bei einem Klick auf den Link wird der Inhalt dann abgespielt. Der Besucher der Webseite hat den Eindruck, dass der Inhalt auf der besuchten Webseite abgerufen wird. Im Ausgangsfall hatte ein Unternehmen einen kurzen Clip zum Thema Wasserverschmutzung herstellen lassen. Dieser wurde auf „YouTube“ hochgeladen, wobei das Unternehmen geltend macht, dass dies ohne seine Zustimmung erfolgt sei. Zwei selbstständige Handelsvertreter eines Wettbewerbers hatten das Video im Wege des „Framing“ dann auf ihrer eigenen Seite zugänglich gemacht. Darauf wurden sie abgemahnt und gaben eine Unterlassungserklärung ab. Der weitere Rechtstreit hat Schadensersatz und die Erstattung von Rechtsverfolgungskosten zum Gegenstand.

„Framing“ keine öffentliche Zugänglichmachung gemäß § 19a UrhG

Die Wiedergabe des Films, urheberrechtlich eines „Werks“, mit Hilfe des „Framings“ auf den Webseiten der Handelsvertreter stellte nach Auffassung des BGH keine öffentliche  Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG dar. Die bisherige Rechtsprechung hatte hierzu vor allem das „normale“ Setzen eines Hyperlinks zum Thema. Eine solche Linksetzung ist vom Wortlaut her zwar eine „Zugänglichmachung“. Eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung liegt aber nicht vor. Der Inhalt ist nämlich bereits auf der Webseite, auf die verwiesen wird, zugänglich gemacht worden. Der Linksetzer hat auch keine Kontrolle über die Bereithaltung der Inhalte. Dies gilt nach Ansicht des BGH im Vorlagebeschluss in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturmeinung auch für das bisher höchstrichterlich noch nicht behandelte „Framing“. Auch hier liege die Kontrolle über die Bereithaltung des Werks nicht beim Linksetzer. Für die Frage, ob eine öffentliche Zugänglichmachung i.S.d. § 19a UrhG vorliege, sei auch der bloße Eindruck beim Nutzer irrelevant, das Werk werde auf der verlinkenden Internetseite wiedergegeben. Instanzgerichte wie das OLG Düsseldorf hatten dies noch anders gesehen und eine Verletzung des § 19a UrhG angenommen. Eine andere Bewertung nehmen BGH und EuGH bei Unterschieden im Detail bei der Setzung bestimmter „Deep Links“ vor, bei denen der Linksetzer technische bzw. beschränkende Schutzmaßnahmen des Rechteinhabers umgeht.

„Framing“ als Eingriff in sonstiges Verwertungsrecht?

Das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG ist aber nur eine besondere Ausprägung des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe eines Werks nach § 15 Abs. 2 UrhG. Neben den benannten Verwertungsrechten der §§ 15 Abs. 2, 19 ff. kommt auch die Annahme eines unbenannten Rechts der öffentlichen Wiedergabe in Betracht (Innominatsrecht). Das Gesetz ist hier flexibel, um neue Nutzungsarten erfassen zu können und dem „Hinterherhinken“ der Legislative bei technischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen entgegenwirken zu können. Hierzu zählen z. B. das Abrufübertragungsrecht oder das Online- Verbreitungsrecht.

Nach Auffassung des BGH könnte die Wiedergabe eines Filmes durch „Framing“ gegen ein solches unbenanntes Nutzungsrecht verstoßen. Bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe handelt es sich um ein sogenanntes harmonisiertes Recht. Es ist unionsrechtlich in Artikel 3 Abs. 1 der Informationsgesellschaftsrichtline (Richtlinie 2001/29) geregelt. Diese Vorschrift gilt zwar nicht unmittelbar. Das dort begründete Schutzniveau darf aber durch den nationalen Gesetzgeber weder über- noch unterschritten werden. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG hätte nach Ansicht des BGH für die Annahme der Verletzung eines unbenannten Verwertungsrechts gesprochen, dass sich der Linksetzer das Werk durch seine Einbettung in die eigene Internetseite zu eigen mache und sich die Zustimmung des Rechteinhabers für das eigene Bereithalten so erspare. Der Linksetzer hätte in diesem Fall eine zentrale Rolle bei der Werkvermittlung vergleichbar dem Setzer eines „Deep Links“.

Wiedergabe mit „Framing“ allein keine öffentliche Wiedergabe

Der EuGH hatte sich schon im Februar 2014 in der Rechtssache Svensson u. a. /Retriever Sverige (Urteil vom 13.2.2014 – C-466/12) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob das Setzen eines normalen „Hyperlinks“ auf eine andere Webseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Artikel 3 Abs. 1  Informationsgesellschaftsrichtlinie darstellt. Soweit die Inhalte auf der verlinkten Seite frei zur Verfügung gestellt wurden, wurde die Frage verneint. Der BGH hielt trotzdem aufgrund der vermeintlichen Besonderheiten des „Framing“ die Vorlagefrage aufrecht.

Der EuGH bestätigte nunmehr in Beschlussform, dass das „Framing“ allein keine öffentliche Wiedergabe darstellt. Ein förmliches Urteil sei nicht erforderlich, da sich die Beantwortung der Vorlagefragen aus der bisherigen Rechtsprechung und insbesondere des Svensson u. a./Retriever Sverige-Urteils klar ergebe. Hiernach ist eine Verlinkung auch auf ein frei zugängliches Werk zwar eine Wiedergabe. Hier unterscheidet sich der EuGH von der bisherigen Rechtsprechung des BGH, der schon grundsätzlich keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung annahm. Öffentlichkeit liegt aber nicht vor. Diese setzt voraus, dass das Werk entweder unter Verwendung eines anderen technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum, das sich von dem ursprünglich vorgesehenen Publikum unterscheidet, wiedergegeben wird. Die Annahme eines anderen technischen Verfahrens scheidet bei der Verlinkung aus, da die Übertragung im Internet jeweils gleich leitungsgebunden mit Hilfe des IP-Protokolls erfolgt. Bleibt die Frage, ob ein neues Publikum erreicht wird.

Dies sei beim „Framing“ jedenfalls dann nicht der Fall, wenn das Werk auf der verlinkten Webseite frei zugänglich ist. Machen die Rechteinhaber ihr Werk im Internet frei für alle Internetnutzer zugänglich, seien auch die Besucher der verlinkenden Seite ursprünglich intendiertes und kein neues Publikum. Insbesondere komme es nicht auf die Frage an, ob sich der Linksetzer das Werk zu eigen mache und den Eindruck erwecke, das Werk sei in Wirklichkeit Teil der eigenen Webseite. Es sei auch nicht entscheidend, ob das „Framing“ geeignet sei, gerade die Notwendigkeit einer Kopie des Werkes zu vermeiden.

Der neuerliche Beschluss des EuGH wäre nach dem Svensson u. a./Retriever Sverige-Urteil eigentlich nicht notwendig gewesen, die grundsätzlichen Erwägungen zu „Hyperlinks“ dort waren problemlos auf das „Framing“ zu übertragen. Jetzt ist aber unionsrechtlich die Gleichbehandlung von „Hyperlinks“ und „Framing“ im Rahmen des Artikel 3 Abs. 1 Informationsgesellschaftsrichtlinie bestätigt. Das Urteil vom Februar und der nochmalige Beschluss vom Oktober 2014 haben aber potentiell  aus anderen Gründen Sprengkraft und werfen Fragen auf. Der EuGH weicht hier mit der grundsätzlichen Annahme einer urheberrechtlich relevanten Nutzungshandlung bei der Linksetzung auf ein frei zugängliches Werk fundamental von der bisherigen deutschen „Paperboy“-Rechtsprechung (BGH GRUR 2003, 958, 962 – Paperboy) ab. Da die Frage des „neuen Publikums“ damit verbunden ist, ob der Rechteinhaber bei der Erstverwertung an das weitere Publikum gedacht hat, stellt sich die Frage, wie mit den Fällen zu verfahren ist, bei denen das Werk ohne Erlaubnis des Rechteinhabers in die Öffentlichkeit gelangt ist. Auch ist ein Unternehmen, das Inhalte auf seiner eigenen Internetpräsenz bereithält, möglicherweise gerade daran interessiert, dass sich der Nutzer dort und nicht woanders informiert.

Fazit

Die Annahme, dass bei Fehlen einer technischen Beschränkung des Zugriffs auf Inhalte von der Zustimmung zu jeder erdenklichen Nutzung im Internet auszugehen ist, ist eine faktisch kaum haltbare Fiktion. Für das Internet bedeutet dies, dass das Merkmal der „neuen Öffentlichkeit“ stets bei Nichtvorliegen von Schutzmaßnahmen zu verneinen wäre. In diesem Fall ist dann der Rechteinhaber wiederum völlig schutzlos. So weit geht der EuGH dann auch nicht. Ausdrücklich wird festgestellt, dass es jenseits der zwei „Regelbeispiele“ auch noch in anderen Fällen zu einer lizenzpflichtigen Verwertungshandlung i. S. einer öffentlichen Wiedergabe kommen kann, aber eben nicht „allein“ durch die Einbettung. Es bleibt also auch weiterhin Raum für eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, in der etwa die Frage, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient, eine Rolle spielen kann.

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