Ist ein Wartungsvertrag eine Versicherung?
Der folgende Artikel wurde am 13. Februar 2023 im Versicherungsmonitor erstveröffentlicht
Anbieter von Wartungs- und Instandhaltungskonzepten gestalten ihre Produkte häufig so aus, dass sie von klassischen Versicherungen kaum mehr zu unterscheiden sind. Eine wichtige Orientierungshilfe bei der Abgrenzung liefert nun eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg, in der es um die rechtliche Einordnung eines Vollwartungsvertrages für Windenergieanlagen ging. Wegen der Tragweite der sich stellenden Rechtsfragen wird die Angelegenheit demnächst sogar den Bundesgerichtshof beschäftigen.
Der Begriff des Versicherungsvertrages ist im deutschen Recht nicht gesetzlich definiert. Welche Kriterien erfüllt sein müssen, um von einem Versicherungsvertrag sprechen zu können, lässt sich daher nur anhand der Rechtsprechung und der Fachliteratur ermitteln. Danach ist für eine Versicherung charakteristisch, dass gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei die erforderlichen Mittel über ein vom Versicherer gebildetes Risikokollektiv bereitgestellt werden. Hiervon abzugrenzen sind solche Vereinbarungen, die einen inneren Zusammenhang mit einem anderen Rechtsgeschäft aufweisen. Es handelt sich dann bloß um unselbständige Nebenabreden.
Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung treten insbesondere bei Wartungs- und Instandhaltungskonzepten offen zu Tage, was dann zwangläufig auch die Gerichte auf den Plan ruft. So sah sich das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg vor Kurzem mit einem Fall konfrontiert, der die rechtliche Einordnung eines Vollwartungsvertrages für Windenergieanlagen zum Gegenstand hatte. Dieser Vertrag sah neben Wartungs- und Überwachungspflichten auch die Instandsetzung von Verschleißschäden sowie eine durch pauschalierten Schadensersatz abgesicherte Verfügbarkeitsgarantie vor. Es stellte sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob darin eine Übernahme des maßgeblichen Betriebsrisikos gegen Entgelt begründet liegt und der Vertrag dementsprechend als Versicherungsverhältnis zu qualifizieren ist, auf den die Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) Anwendung finden.
Dies hat das OLG Hamburg mit Urteil vom 24. November 2022 (Az. 15 U 103/21) verneint. Zur Begründung stellte es darauf ab, dass der Vertrag eine langfristige Garantie der Betriebsfähigkeit der verkauften Windenergieanlagen statuiere. Die Hauptpflicht des Wartungsunternehmens habe darin bestanden, die technische Funktionsfähigkeit der Windenergieanlagen zu gewährleisten. Um die Absicherung nicht in ihrer Sphäre liegender Risiken sei es ihr hingegen nicht gegangen. Bei der pauschalierten Entschädigungspflicht für den Fall des Nichterreichens bestimmter Verfügbarkeitsschwellen, die der Vertrag vorsah, handelt es sich laut OLG letztlich um eine Vertragsstrafe, die mit den Hauptleistungspflichten in einem inneren Zusammenhang stehe. Gerade weil sich das Unternehmen zur Wartung und zur Bewahrung des Sollzustands der Anlagen verpflichtet habe, könne es auch deren Verfügbarkeit garantieren. Es liege insoweit eine unselbständige Nebenabrede vor, die nicht als Versicherungsvertrag zu werten sei.
Die Folgen der vom OLG Hamburg vorgenommenen Einordnung sind von grundlegender Bedeutung. Dies betrifft zum einen die Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des VVG, zum anderen die steuerliche und aufsichtsrechtliche Behandlung der angebotenen Konzepte. Vermutlich wegen dieser Tragweite der sich stellenden Rechtsfragen hat das OLG Hamburg die Revision zugelassen, sodass sich demnächst – wenn nichts Unvorhergesehenes mehr passiert – der Bundesgerichtshof mit der Sache beschäftigen wird. Bis zur dringend benötigten Rechtsklarheit wird es also noch eine Weile dauern.