13.04.2023Fachbeitrag

Die Rente ist sicher – oder etwa doch nicht?

Der folgende Artikel wurde am 13. März 2023 im Versicherungsmonitor erstveröffentlicht

Kaum einer Gerichtsentscheidung ist in den vergangenen Wochen so viel mediale Aufmerksamkeit beschert worden, wie dem Urteil des Landgerichts Köln vom 8. Februar 2023 (Az. 26 O 12/22) zur Absenkung des Rentenfaktors bei einem Riester-Vertrag der Zurich. Dies mag unter anderem daran liegen, dass es die hinter dem Kläger stehenden Interessensverbände geschickt verstanden haben, das Urteil in der Tagespresse publik zu machen. Viel entscheidender für das große Interesse dürfte allerdings der Umstand sein, dass die streitentscheidenden Rechtsfragen im Bereich der Rentenversicherung eine enorme Tragweite haben.

„Die Rente ist sicher“ – als dem früheren Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm dieser Satz in den 1980er Jahren erstmals über die Lippen ging, ahnte er vermutlich noch nicht, dass sich sein Ausspruch beinahe wie eine Redewendung im deutschen Sprachgebrauch etablieren würde. Seither hat sich im deutschen Rentensystem einiges getan. Einschneidend war insbesondere die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung kurz nach der Jahrtausendwende, im Zuge derer die sogenannte Riester-Rente als eine vom Staat geförderte private Altersvorsorge eingeführt wurde. Modelle der privaten Zusatzvorsorge wie beispielsweise fondsgebundene Rentenversicherungsverträge erfreuen sich seitdem großer Beliebtheit.

Um eine fondsgebundene Rentenversicherung ging es auch in der eingangs bereits angesprochenen Entscheidung des Landgerichts Köln. https://versicherungsmonitor.de/2023/02/24/zurich-unterliegt-im-streit-um-rentensenkung/ Die zugrundeliegenden Vertragsbedingungen enthielten eine Klausel, wonach der Versicherer zu einer Herabsetzung der zugesicherten Monatsrente berechtigt sein sollte, wenn die Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist, etwa weil sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht hat oder die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend abgesunken ist.

Von dieser Möglichkeit zur Kürzung der zugesicherten Rente machte der verklagte Versicherer im Jahr 2017 Gebrauch, dies mit der Begründung, dass die Monatsrente wegen der langanhaltenden Niedrigzinsphase neu kalkuliert worden sei. Hiergegen setzte sich der Versicherungsnehmer mit seiner Klage zur Wehr. Er stellte bereits das Vorliegen der vertraglich geregelten Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Rente in Abrede und berief sich zudem auf die Unwirksamkeit der vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel.

Das Landgericht Köln gab dem Versicherungsnehmer (vorerst) Recht. Mit Urteil vom 8. Februar 2023 (Az. 26 O 12/22) hat es festgestellt, dass dem Versicherer kein Recht zur Herabsetzung der vertraglich vereinbarten Monatsrente zusteht. Der im Versicherungsschein vereinbarten Rentenfaktor – so die Urteilsbegründung – stelle einen wesentlichen Vertragsinhalt dar. Eine nachträgliche Kürzung des Rentenfaktors habe der Versicherer nicht vornehmen dürfen, da die Anpassungsklausel in den Vertragsbedingungen unwirksam sei. Denn die Klausel weiche zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung des Paragrafen 163 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ab. Zudem folge die Unwirksamkeit der Klausel aus Paragraf 307 Bürgerliches Gesetzbuch, da sie eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers zum Gegenstand habe.

Ob das Urteil des Landgerichts Köln in dieser Sache bereits „der Weisheit letzter Schluss“ ist, wird man zumindest mit einem Fragezeichen versehen müssen. Es würde jedenfalls sehr verwundern, wenn der verklagte Versicherer von einer Berufungseinlegung absehen sollte, zumal sich auch für die Wirksamkeit der Klausel einige beachtliche Argumente finden lassen. So lässt sich durchaus der Standpunkt vertreten, dass die Voraussetzungen des Paragrafen 163 VVG auch und gerade dann erfüllt sind, wenn die Kalkulation des Versicherers infolge einer außerhalb seines Einflussbereichs liegenden Niedrigzinsphase aus den Fugen gerät.

Klar ist aber auch: Findet der Versicherer auch im weiteren Instanzen-Zug mit seinen Argumenten kein Gehör, droht eine Klagewelle. So viel scheint sicher. Wobei: Was ist heutzutage schon sicher?

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