Newsletter Banking & Finance Juli 2016
Keine Vorfälligkeitsentschädigung bei Verbraucherdarlehen
Mit durchaus angreifbarer Begründung hat der BGH nunmehr entschieden, dass ein Kreditinstitut nach Kündigung eines Verbraucherdarlehens wegen Zahlungsverzuges des Kunden, ausschließlich Verzugszinsen auf die offene Darlehensforderung verlangen darf. Die darüber hinausgehende Geltendmachung einer Vorfälligkeitsentschädigung (VFE) ist ausgeschlossen.
Es war bisher absolut übliche Bankpraxis, dass von einem Kunden nach außerordentlicher Kündigung aufgrund einer von diesem zu vertretenden Pflichtverletzung eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt wurde. Mit der VFE wird der Schaden geltend gemacht, der dem Kreditinstitut aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Darlehensvertrages entsteht, insbesondere bzgl. der enttäuschten Zinserwartung.
Der dieser Praxis eine Absage erteilenden Entscheidung des BGH lag § 497 Abs. 1 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung zugrunde. Die mittlerweile erfolgten Änderungen der Vorschrift betreffen die Kernaussagen des BGH unseres Erachtens nicht, so dass die Entscheidung auch für spätere Fassungen gilt.
§ 497 Abs. 1 BGB a.F.
§ 497 Abs. 1 BGB a.F. lautete:
Soweit der Darlehensnehmer mit Zahlungen, die er aufgrund des Verbraucherdarlehensvertrages schuldet, in Verzug kommt, hat er den geschuldeten Betrag nach § 288 Abs. 1 zu verzinsen; dies gilt nicht für Mobiliardarlehensverträge. Bei diesen Verträgen beträgt der Verzugszinssatz für das Jahr 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren oder der Darlehensnehmer einen niedrigeren Schaden nachweisen.
Die angewendete Vorschrift (wie auch die aktuelle Fassung) lässt die Geltendmachung eines höheren Schadens ausdrücklich zu.
Auslegung des BGH
Gleichwohl stellt der BGH fest, dass sich aus dem vorstehenden Wortlaut nicht eindeutig ergebe, ob der Darlehensgeber im Falle der außerordentlichen Kündigung in Folge eines Zahlungsverzuges anstelle des Verzögerungsschadens auch eine VFE als Nichterfüllungsschaden verlangen kann. Die Vorschrift bestimme nach Auffassung des Gerichts lediglich, dass Verzugszinsen geschuldet seien. Es lasse sich nicht entnehmen, ob damit die Geltendmachung anderer Formen des Schadensersatzes ausgeschlossen sei (BGH aaO Rn. 24 – zitiert nach Juris).
Der BGH führt sodann aus, dass sowohl Gesetzgebungsgeschichte als auch Sinn und Zweck des § 497 Abs. 1 BGB a.F. für eine solche Sperrwirkung sprechen:
Der Gesetzgeber habe das Ziel verfolgt, mit der Verpflichtung zur Zahlung des Verzugszinses eine pauschalierte Schadensersatzregelung einzuführen, die den Verbraucher in die Lage versetzen soll, die Höhe der durch den Verzug eintretenden Mehraufwendungen selbst zu berechnen. Bereits dies schließe die zusätzliche Geltendmachung einer auf komplizierten Berechnungen beruhenden VFE aus. Darüber hinaus sei das vornehmliche Ziel des Gesetzgebers gewesen, den Ausschluss der vertraglich geschuldeten Zinsen als Grundlage einer Schadensberechnung sicherzustellen. Die Vertragszinsen stellen die Gegenleistung für das Nutzungsrecht des Kapitals dar. Dieses sei mit Kündigung jedoch entfallen, so dass ein Rückgriff auf den vereinbarten Zinssatz ausscheiden müsse (BGH aaO Rn. 20, 27).
Letztendlich sollen auch die Regelungen der §§ 490 Abs. 2, 502 BGB gegen die Geltendmachung einer VFE nach verzugsbedingter Kündigung sprechen. Der Gesetzgeber habe dem Darlehensgeber die VFE nur in den Fällen zugebilligt, in denen eine vorzeitige Kündigung durch den Darlehensnehmer erfolgt. Im Umkehrschluss müsse die VFE im Anwendungsbereich des § 497 Abs. 1 BGB ausgeschlossen sein.
Eigene Einschätzung
Vor dem Hintergrund des Wortlautes von § 497 Abs. 1 BGB muss die Feststellung des BGH, es sei nicht eindeutig, welche Ansprüche dem Darlehensgeber zustehen, verwundern: „Im Einzelfall kann der Darlehensgeber einen höheren … Schaden nachweisen.“
Mit der Pauschalierung der Verzugszinsen sollte sicher eine Vereinfachung für den Verbraucher herbeigeführt werden. Richtig ist ebenfalls, dass der Verzugszins unter Schadensersatzgesichtspunkten nicht auf Grundlage des Vertragszinses bestimmt werden sollte (BT-Drs. 11/5462, Seite 25 f).
Damit ist aber noch keine Aussage dahingehend getroffen, dass weitere Schadenspositionen ausgeschlossen sein sollen (ebenso Härtel in Juris PR-BKR 4/2016 Anm. 3).
Verzugszinsen sind regelmäßig im Zeitraum zwischen Kündigung und Rückzahlung der Forderung geschuldet. Die VFE entschädigt das Kreditinstitut darüber hinaus für den Schaden, der bis zum Ende der Zinsbindungsfrist, also auch noch nach Beendigung des Verzugs, entsteht. Allein die verschiedenen Zeiträume sprechen damit für das Nebeneinander von Verzugszins und VFE.
Der BGH beschränkt den Ausschluss der VFE ausdrücklich auf die Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Für die Fälle der Kündigung wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse/Sicherheiten oder nach Verletzung wesentlicher Vertragspflichten war jedenfalls bisher allgemein anerkannt, dass dem Kreditinstitut ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB zusteht und dieser ebenfalls die Vorfälligkeitsentschädigung umfasst (Knöpfel in NJW 2014, 3125, 3126).
Warum die Geltendmachung einer VFE ausgerechnet in dem Fall ausgeschlossen sein soll, in dem der Kreditnehmer seiner vertraglich geschuldeten Hauptleistungspflicht nicht nachkommt, ist vom BGH nicht befriedigend beantwortet.
Fazit
Der BGH hat sich in der hier besprochenen Entscheidung ausführlich mit der Gegenposition (z. B. OLG München WM 2014, 1341) auseinander gesetzt. Es ist daher zu befürchten, dass die Praxis sich mit den Auswirkungen vorerst abfinden muss. Es bleibt abzuwarten, wie häufig folgender – vom OLG München gebildeter Fall – tatsächlich vorkommen wird: Der grundsätzlich solvente Kreditnehmer stellt seine Darlehenszahlungen ein, sorgt für eine günstigere Umfinanzierung des Ursprungsdarlehens und wartet auf die fristlose Kündigung. Mit dem neuen (zinsgünstigen) Darlehen wird dann der ursprüngliche Kreditgeber entschädigungslos abgelöst. Gerade für Kreditinstitute, die überwiegend Privatkunden finanzieren, könnten sich mit dieser BGH-Entscheidung weitere wirtschaftlich negative Auswirkungen ergeben.