Update IP Nr. 16
Neuigkeiten aus dem Bereich des Social Media Law
Social Media ist aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Auch die Gerichte haben sich inzwischen fortlaufend mit Rechtsfragen aus dem Bereich der Social Media zu beschäftigen. Wie so oft geht es in nahezu allen Verfahren mehr oder minder um das Gleiche – nämlich den Schutz des guten Rufs in der digitalen Welt. Gleich vier Verfahren verdienen es, kurz dargestellt zu werden.
I. EuGH-Schlussanträge: Ausdehnung der Reichweite der Plattformhaftung bei rechtswidrigen Kommentaren
Die ausstehende Entscheidung des EuGH (Rechtssache C-18/18 - Glawischnig-Piesczek / Facebook Ireland Limited) könnte die Prüfpflichten und damit verbundenen Haftungsrisiken von Facebook aufgrund von gegen das Unternehmen gerichteten einstweiligen Verfügungen deutlich verschärfen.
Nach Ansicht der Generalanwaltschaft haftet Facebook als Plattformbetreiber nach den Vorschriften der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr nämlich dafür, a) sämtliche Kommentare, die mit einem ehrverletzenden Kommentar, dessen Rechtswidrigkeit festgestellt wurde, wortgleich sind sowie b) sinngleiche Kommentare, sofern sie von demselben Nutzer herrühren, zu identifizieren und weltweit zu löschen.
Nach der Argumentation des Generalanwalts Szpunar sei es Facebook als Host-Provider gegenüber zumutbar, aufgrund einer entsprechenden einstweiligen Verfügung eines Gerichts exakte Kopien einer gerichtlich als rechtswidrig eingestuften Äußerung in seinem gesamten Netzwerk aufzuspüren und auch diese (Dritt-) Kommentare – unabhängig von der Urheber-schaft – zu löschen. Der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr sei dabei auch keine räumliche Begrenzung zu entnehmen, sodass durchaus eine weltweite Sperrung bzw. Entfernung der Inhalte verlangt werden könne.
Neben identischen Kommentaren sollen auch sinngemäße Äußerungen von der Prüf- und Löschungspflicht erfasst werden. Diese Pflicht soll Facebook jedoch nur insoweit treffen, wie die Kommentare von demselben Nutzer stammen, dessen ursprünglicher Kommentar als rechtswidrig eingestuft wurde. Diesbezüglich habe das Gericht, welches die einstweilige Verfügung erlasse, besonders darauf zu achten, dass die Wirkungen der Verfügung klar, konkret und vorhersehbar seien. Eine Pflicht zur Überprüfung sämtlicher Kommentare aller Nutzer des Netzwerks auf sinngemäße rechtswidrige Inhalte lehnt der Generalanwalt jedoch ab.
Der zugrunde liegende Sachverhalt betrifft eine österreichische Politikerin, die hinsichtlich eines sie beleidigenden Facebook-Kommentars eine einstweilige Verfügung gegen Facebook erwirkte, deren genaue Reichweite nun in Luxemburg geklärt werden soll.
II. BGH: Ausweitung der schadensersatzrechtlichen Haftung auf selbstständiges Dazwischentreten Dritter durch Upload auf Social Media Plattformen
Der BGH (BGH, Urt. v. 09.04.2019 – VI ZR 89/18) hat die Haftung des Schädigers im Rahmen eines deliktischen Schadensersatzanspruches dadurch ausgeweitet, dass er auch das selbstständige Dazwischentreten Dritter dem ursprünglichen Schädiger als adäquat kausal herbeigeführte Rechtsgutsverletzung zurechnet.
Konkret geht es um einen Schadensersatzanspruch gegen einen Fernsehsender, welcher in einer ausgestrahlten und in die Mediathek gestellten Dokumentation unwahre Tatsachen über den Geschädigten behauptet hatte. Nach erfolgreicher Unterlassungsklage wurde die Doku-mentation jedoch von Dritten ungewollt auf Social Media Plattformen wie YouTube oder Metavideos hochgeladen. Die Anwaltskosten des Vorgehens gegen die den Upload vornehmen-den Dritten verlangte der Geschädigte im Wege des Schadensersatzes ebenfalls von dem Fernsehsender ersetzt.
Mit dieser Entscheidung setzt sich der BGH zumindest vermeintlich mit der bisherigen Recht-sprechung des I. Zivilsenats in Widerspruch. Dieser zufolge trifft den Unterlassungsschuldner eine Einstandspflicht für das Handeln selbstständig dazwischentretender Dritter überhaupt nur dann, wenn das Handeln des Dritten diesem wirtschaftlich zugutekommt.
Nach der ausdrücklichen Argumentation des BGH bestehe vorliegend jedoch gerade kein Widerspruch, da es vorliegend nicht um den Umfang vertraglicher oder gesetzlicher Unterlassungspflichten gehe, „sondern um die sich im Rahmen eines deliktsrechtlichen Schadenser-satzanspruchs stellende und nach allgemeinen haftungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilende Frage, ob dem Schuldner die von ihm adäquat kausal herbeigeführte Rechtsgutsverlet-zung haftungsrechtlich zuzurechnen ist.“
III. OLG Köln: Vertraglicher Anspruch auf Account-Freischaltung gegen Plattform-betreiber nach unberechtigter Sperrung
Das OLG Köln (OLG Köln, Beschl. v. 09.05.2019 – 15 W 70/18) stellte in seinem o.g. Beschluss klar, dass Nutzer von Social-Media-Angeboten, deren Account ohne rechtlichen Grund gesperrt wurde, einen Anspruch gegen den Plattformbetreiber haben, wieder Zugang zu ihrem Account zu erhalten.
Im vorliegenden Fall war der Account eines Nutzers wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die AGB des Plattformbetreibers gesperrt worden. Auf seine Beschwerde hin gestand der Betreiber zwar ein, dass tatsächlich gar kein Verstoß gegen die AGB vorliege, unterließ jedoch eine Freischaltung des gesperrten Accounts. Nach Ansicht des OLG Köln müsse sich der Betreiber an der von ihm eingestandenen unberechtigten Sperrung des Accounts festhalten lassen.
IV. VG Berlin: Fertigung heimlicher Lehrer-Bilder auf Instagram rechtfertigt Schüler-Suspendierung
Das heimliche Fertigen von Fotos und Videos von Lehrern in einer Schule, die sodann von einem Dritten auf Instagram verbreitet und teilweise mit sexistischen und beleidigenden Kommentaren versehen werden, rechtfertigt nach Ansicht des VG Berlin (VG Berlin, Beschl. v. 07.06.2019 – VG 3 L 357.19 u. VG 3 L 363.19) die vorläufige Suspendierung der die Auf-nahmen anfertigenden Schüler.
Die Schüler hätten zumindest billigend in Kauf genommen, dass die Bilder wie geschehen von dem Dritten eingesetzt würden. Zudem sei es lebensfremd anzunehmen, die Schüler hätten nicht gewusst, wie der Dritte die Bilder einzusetzen gedenke
Die Weiterverbreitung und ehrschädigende Kommentierung der Bilder in Social Media sei zudem geeignet, das geordnete Schulleben zu beeinträchtigen und das Vertrauen der Schülerschaft in einen regelgeleiteten und friedlichen schulischen Rahmen fortwährend zu erschüt-tern. Dies gelte besonders, wenn die Bilder geeignet seien, die abgebildeten Lehrkräfte in der Öffentlichkeit bloßzustellen.