Update IP, Media & Technology Nr. 107
OLG München zur Rückzahlung bei Online-Coaching-Verträgen
Die rechtliche Bewertung von Online-Coachings hat in den letzten Jahren zunehmende Aufmerksamkeit erfahren, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Wir berichteten hierzu bereits in unserem Update IP, Media & Technology Nr. 95.
Die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München vom 16. Mai 2024 (Az. 3 U 984/24) wirft ein neues Licht auf die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Coaching-Dienstleistungen als Fernunterricht zu betrachten sind. Dieser Beitrag fasst die Kernaussagen des Urteils zusammen und diskutiert deren Implikationen im Kontext der aktuellen Rechtslage und anderer relevanter Entscheidungen.
Für wen gilt das Fernunterrichtsschutzgesetz?
Das Fernunterrichtsschutzgesetz wurde ursprünglich geschaffen, um Verbraucher vor unseriösen Anbietern zu schützen, die über Fernunterricht lehren. Es richtet sich in erster Linie an Unternehmen, die Schulungen oder Ausbildungen anbieten, bei denen die Teilnehmer und Lehrenden räumlich getrennt sind und der Lernerfolg durch den Anbieter kontrolliert wird. In der Vergangenheit hat das FernUSG eine klare Grenze zwischen traditionellen Bildungseinrichtungen und Fernunterricht gezogen, indem es spezifische Anforderungen und Schutzmaßnahmen festgelegt hat, um die Qualität und Seriosität der angebotenen Bildungsleistungen sicherzustellen.
Im Fall des OLG München ging es um ein Coaching-Programm, das auf den Aufbau von Geschäftsstrategien abzielt. Der Kläger forderte die Rückzahlung der Gebühren mit der Begründung, das Coaching falle unter das FernUSG und der Vertrag sei somit nichtig. Das Gericht stellte jedoch fest, dass das FernUSG auf das Coaching-Programm nicht anwendbar ist, da weder eine räumliche Trennung im Sinne des Gesetzes vorlag noch der Lernerfolg überwacht wurde. Diese Entscheidung steht im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung des OLG Celle, die feststellte, dass das FernUSG auch auf bestimmte Formen des Online-Coachings anwendbar sein kann, insbesondere wenn eine strukturierte Wissensvermittlung und eine klare Überwachung des Lernfortschritts gegeben sind.
Wann ist Coaching Fernunterricht?
Die Frage, wann Coaching als Fernunterricht eingestuft werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab. Nach der aktuellen Rechtsprechung, einschließlich des Urteils des OLG München, spielen die Art und Weise der Wissensvermittlung sowie die Struktur des Angebots eine entscheidende Rolle. Das Gericht betonte, dass für die Einstufung als Fernunterricht eine räumliche Trennung und eine Form der Erfolgskontrolle erforderlich seien. Im vorliegenden Fall betraf das Coaching hauptsächlich individuelle Sitzungen und Live-Interaktionen, die nicht als Fernunterricht klassifiziert wurden.
Diese Entscheidung widerspricht anderen Urteilen, bei denen Online-Coachings als Fernunterricht eingestuft wurden, insbesondere wenn diese Coachings eine strukturierte Wissensvermittlung beinhalteten, die durch den Anbieter aktiv überwacht wurde. Die Unterscheidung zwischen Coaching und Fernunterricht bleibt daher ein komplexes Thema, das stark von den jeweiligen Umständen und der Gestaltung der Coaching-Dienstleistung abhängt.
Der Fall zeigt auch, dass nicht jedes Online-Coaching automatisch unter das FernUSG fällt. Es hängt vielmehr von der spezifischen Gestaltung und Durchführung des Coachings ab. Anbieter, die sich vor rechtlichen Problemen schützen wollen, sollten darauf achten, dass ihre Programme klar als Beratung oder Coaching ohne spezifische Erfolgskontrollen positioniert sind.
Ist Ferncoaching effektiv?
Die Effektivität von Ferncoaching, insbesondere im Vergleich zu traditionellen Formen der Weiterbildung, wird oft diskutiert. In rechtlicher Hinsicht betonen Gerichte wie das OLG München, dass die Effektivität von Coaching nicht unbedingt mit der Erfüllung der Kriterien des FernUSG zusammenhängt. Ferncoaching kann sehr effektiv sein, ohne die strengen Anforderungen des FernUSG zu erfüllen, insbesondere wenn der Fokus auf individuelle Beratung und Anpassung liegt und nicht auf einer formalen Wissensübermittlung und Erfolgskontrolle.
Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass Gerichte zunehmend unterscheiden zwischen Coachings, die als persönliche Entwicklungsprogramme konzipiert sind, und solchen, die als formalisierte Bildungsangebote gelten. Letztere könnten eher als Fernunterricht eingestuft werden, insbesondere wenn sie standardisierte Inhalte und methodische Überwachungen beinhalten.
Für Anbieter von Online-Coachings bedeutet dies, dass sie klare Grenzen ziehen müssen, um rechtliche Konflikte zu vermeiden. Es ist entscheidend, deutlich zu machen, dass das Coaching keine formale Bildung darstellt und keine spezifischen Lernerfolge garantiert werden. So können sie sich besser gegen Ansprüche auf Rückzahlungen oder andere rechtliche Herausforderungen schützen.
Fazit
Das Urteil des OLG München verdeutlicht die feinen rechtlichen Unterschiede zwischen verschiedenen Formen des Coachings und deren Klassifizierung unter dem FernUSG. Es betont, dass nicht alle Formen von Online-Coaching automatisch als Fernunterricht betrachtet werden sollten, insbesondere wenn sie primär auf individuelle Betreuung und Beratung abzielen. Diese Entscheidung könnte weitreichende Implikationen für die Branche haben, insbesondere für Anbieter, die ihre Dienstleistungen online anbieten.
Für Verbraucher und Anbieter gleichermaßen ist es wichtig, sich der rechtlichen Rahmenbedingungen bewusst zu sein und sicherzustellen, dass alle Verträge und Angebote den geltenden Gesetzen entsprechen. Weitere gerichtliche Entscheidungen in diesem Bereich sind zu erwarten, da die Gerichte weiterhin definieren, wie das FernUSG auf moderne Formen der digitalen Bildung und Beratung anzuwenden ist.