27.02.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 95

Online-Coaching und das Fernunterrichtsschutzgesetz – 180-Grad Wende der Rechtsprechung

In der Coaching-Branche herrscht schon seit einiger Zeit Unsicherheit und das, obwohl der Markt für Coachings geradezu floriert. Coachings aller Art sind so beliebt wie noch nie zuvor. So ziemlich jeder Lebensbereich kann nun von einem diversen Coaching-Angebot abgedeckt werden.

Die Inhalte eines Coachings können sich sehr unterscheiden, wie ein Coaching tatsächlich gestaltet ist, hängt von dem Anbieter ab. Coaching kann aber jedenfalls als ein interaktiver, individuell ausgerichteter und von Professionalität geprägter „Support“ von Menschen bezeichnet werden. Spätestens seit Corona wurden allerdings besonders Online-Coachings, die dem digitalen Fortschritt aufgrund von Tools wie Microsoft Teams, Zoom und BigBlueButton geschuldet sind, unglaublich beliebt. Mithilfe dieser Tools werden Mitgliederbereiche geschaffen, persönliche Zoomtelefonate durchgeführt und eine regelmäßige Betreuung eingerichtet.

Grundsätzlich verfügt ein Coaching-Programm über eine bestimmte Laufzeit, was bedeutet, dass ein vorheriges Kündigen zumeist nicht möglich ist. Der Vertrag endet erst mit Ablauf der Laufzeit. Nur wenn eine solche Laufzeit nicht vereinbart ist, besteht die Möglichkeit einer Kündigung. Allerdings ist dies der seltene Fall und stellt keine Regel dar. Das außerordentliche Kündigungsrecht bleibt unberührt, hängt allerdings vom Einzelfall ab. Daraus folgt, dass sobald Teilnehmer einen Coaching-Vertrag abgeschlossen haben, dieser in der Regel auch verbindlich bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit bleibt.

Im letzten Jahr kam es allerdings vermehrt zu dem Fall, dass Teilnehmer eines Coachings entweder die Zahlung der Kursgebühr verweigerten oder einen Rückzahlungsanspruch geltend machten. Nicht nur einmal wurde dies auch gerichtlich erstritten. Die Teilnehmer beriefen sich (auch) auf das FernUSG und behaupteten, der dem Coaching zugrundeliegende Vertrag sei nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG. Dieser Behauptung wurde von nicht nur einem Gericht stattgegeben. Mittlerweile ist es soweit gekommen, dass Anwaltskanzleien auf ihren Webseiten damit werben, Teilnehmern eines Coachings, auch nach Abschluss der Kurseinheiten, ihr Geld zurück zu verschaffen. Dabei wird regelmäßig auf die Entscheidung des OLG Celle bezüglich des FernUSG verwiesen (OLG Celle, Urt. v. 1. März .2023 – 3 U 85 / 22).

I. Was ist das FernUSG?

Das FernUSG trat am 1. Januar 1977 in Kraft und enthält Vorschriften zum Schutze von Teilnehmern am Fernunterricht. Damals war es die Absicht des Gesetzgebers, die postalisch angebotenen „Fernlehrgänge“ abzusichern, um somit Interessenten des damals neuen Geschäftsmodells zu unterstützen. Das FernUSG richtet sich insbesondere an die Anbieter von Fernunterricht und bürdet diesen eine Reihe von Regeln auf. Besonderes Augenmerk verdient die Zulassungspflicht, denn wenn jemand Fernunterricht im Sinne des FernUSG anbietet, so ist gem. § 12 FernUSG eine Zulassung von der ZfU erforderlich. Fehlt es an einer solchen Zulassung, hat dies zur Folge, dass der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig ist. Dies wiederum kann in der Tat dazu führen, dass Teilnehmer die gesamte Kursgebühr zurückfordern können und das nicht nur in den Anfängen des Kurses, sondern auch wenn der Kurs von einem Teilnehmer abgeschlossen wurde.

Auch in Bezug auf Online-Coachings wurde das FernUSG in nicht nur einer Entscheidung für anwendbar erklärt. Insbesondere die Entscheidung des OLG Celle vom 1. März 2023 (Aktenzeichen: 3 U 85 / 22) konnte für Unsicherheiten unter vielen Coaches sorgen.

Allerdings scheint die bisherige Linie der Rechtsprechung vor dem Hintergrund zweier hochaktueller Entscheidungen des LG München I und des OLG Hamburg möglicherweise einer Wende zu unterliegen.

II. Bisherige Rechtsprechungslinie

Insbesondere die Entscheidung des OLG Celle prägte das bisherige Rechtsverständnis hinsichtlich des FernUSG im Zusammenhang mit Online-Coachings (OLG Celle, Urt. v. 1. März 2023 – 3 U 85 / 22) maßgeblich. Das OLG Celle erklärte in seiner Entscheidung im Frühjahr 2023 das FernUSG nicht nur auf Online-Coachings generell anwendbar, sondern stellte fest, dass das FernUSG auch im reinen B2B-Bereich Anwendung finden könne. Die Gesetzesbegründung sieht das Gesetz jedoch explizit zum Zwecke des Verbraucherschutzes vor. Das OLG Celle argumentiert diesbezüglich, dass zum einen das FernUSG den Begriff des „Verbrauchers“ nur an einer Stelle beinhaltet und zwar in § 3 Abs. 3 FernUSG. Zum anderen werden vom Gericht praktische Gesichtspunkte herangezogen, die die Anwendung auch zwischen Unternehmern rechtfertige. Schließlich kommt das Oberlandesgericht zum Ergebnis, dass das FernUSG die Anwendung auch auf Unternehmer jedenfalls nicht ausschließe.

Im Hinblick auf die Voraussetzung der „Überwachung des Lernerfolges“ bejaht das OLG Celle dies, sofern der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch habe, zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten. Beachtlich ist jedoch, dass das OLG Celle die bloße Möglichkeit zur Rücksprache, dementsprechend dem Lehrbeauftragten Fragen stellen zu können, ausreichen ließ. Es bedürfe keiner gesonderten individuellen Prüfungsaufgaben.

III. Umbruch in der FernUSG-Judikatur

Zwei neue Entscheidungen scheinen frischen Wind in das Thema FernUSG und Online-Coachings zu bringen. Die Entscheidung des OLG Celle könnte in den Hintergrund gerückt werden.

1. Entscheidung: LG München I, Urteil vom 12. Februar 2024 – 29 O 12157 / 23

a) Sachverhalt

Die Beklagte ist Geschäftsführerin eines Coaching-Unternehmens. Ihr Angebot beinhaltet Kurse und Seminare, die die Persönlichkeitsentwicklung und den Business-Aufbau zum Gegenstand haben. Die Klägerin war im Jahr 2022 Teilnehmerin eines Coachings der Beklagten.

Im April 2022 nahm die Klägerin an einem kostenfreien Workshop der Beklagten teil, woraufhin die beiden sich kennenlernten. Sodann meldete die Klägerin sich für ein Coaching für Business-Aufbau für 20.000 EUR an. Das Coaching sollte dabei neun Monate andauern. Zu den Kernbestandteilen des Programms gehörten insbesondere Zoom-Webinare, Audio und/oder visuelle Präsentationen und periodische Coachingeinheiten „1:1“. Den Kunden wurden demnach Zoommeetings mind. drei Mal die Woche, Zugang zu einer exklusiven Facebook Gruppe, Chat Support via WhatsApp und ein Zugang zum Mitgliederbereich bereitgestellt. 

Im Februar 2023 teilte die Klägerin während eines Zoommeetings mit, den Vertrag kündigen zu wollen. Grund hierfür seien fehlende Coachings 1:1. Die Beklagte wendete ein, sie würde jeden Tag Coachings anbieten, am Ende des Coachings sei zudem Raum für Teilnehmende Fragen zu stellen. Ferner sei eine Kündigung laut der Beklagten nicht möglich, das Coachingprogramm könne lediglich ausgesetzt werden. Daraufhin verlangt die Klägerin Rückzahlung der gezahlten 20.000 EUR. Erneut werden die fehlenden Coachings 1:1 als Grund benannt. Zudem bringt die Klägerin vor, die Beklagte habe ihre Notsituation ausgenutzt und falsche, unrealistische Versprechungen gemacht, um damit für den Vertragsschluss zu animieren. Im Übrigen sei der Vertrag nichtig, weil das FernUSG im vorliegenden Fall einschlägig sei.

b) Die Gründe

Das LG München I geht zunächst ausführlich auf die Rechtsgrundlage der örtlichen Zuständigkeit ein. Anders als von der Klägerin vorgebracht, weist das Gericht darauf hin, dass sich die örtliche Zuständigkeit eben nicht aus § 26 Abs. 1 FernUSG ergebe. Zunächst sei das FernUSG vorliegend gar nicht anwendbar, da es sich dafür bei dem Coaching der Beklagten um Fernunterricht im Sinne des FernUSG handeln müsse. Fernunterricht nach § 1 Abs. 1 S. 1 FernUSG liege bei einer auf vertraglicher Grundlage erfolgenden entgeltlichen Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind, vor.

Den Begriff der „räumlichen Trennung“ würde die Rechtsprechung unterschiedlich auslegen. Auf der einen Seite wird streng auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 FernUSG abgestellt mit der Folge, dass eine räumliche Trennung schon dann vorliegt, wenn sich der Lehrende und der Lernende nicht am selben Ort aufhalten. Es sei demnach auf die physische räumliche Trennung abzustellen. Insbesondere das OLG Köln unterstützte diese Ansicht. Das OLG Köln bejahte eine räumliche Trennung, wenn weniger als die Hälfte des Lerninhaltes im herkömmlichen Nah- oder Direktunterricht vermittelt wurde (OLG Köln, Urt. v. 24. November 2006 – 86 SsOWi 71 / 06).

Auf der anderen Seite argumentiert nun das LG München I, dass das FernUSG, welches im Jahre 1977 in Kraft getreten ist, in seiner Auslegung den heutigen Verhältnissen und dem heutigen insbesondere medialen Fortschritt anzupassen sei. In einer so stark digital vernetzten Welt sei eine so strenge Abstellung auf den Wortlaut archaisch. Ferner sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei Erlass des FernUSG schlicht nicht mit den heutigen Entwicklungen rechnen konnte, weshalb diese auch bei der Formulierung des Gesetzes nicht mitberücksichtigt worden seien. Daher sei eine reine Abstellung auf eine physische Trennung überholt.

Das LG München I stellt in seinen Erwägungen vielmehr auf eine zeitliche Komponente ab und ob eine zeitliche Trennung besteht. Im Hinblick darauf stellt das Gericht fest, dass ein Zoommeeting keine zeitliche Trennung aufweise, da die Veranstaltung synchron verlaufe. Unschädlich sei dabei die Möglichkeit, sich die Inhalte des Zoommeetings später nochmal anschauen zu können. Bei einem Zoommeeting würde der Lernende die vom Lehrenden vermittelten Inhalte direkt aufnehmen können, sodass von einem Direktunterricht gesprochen werden könne.

Vor diesem Hintergrund kommt das LG München I zu dem Ergebnis, dass auch im vorliegenden Fall keine räumliche Trennung gegeben sei, begründet wird dies damit, dass die Vermittlung der Inhalte des Coachingprogramms der Beklagten hauptsächlich über live Zoommeetings erfolge.

Des Weiteren zeigt das LG auf, dass weiterhin für die Anwendbarkeit des FernUSG erforderlich sei, dass eine „Überwachung des Lernerfolges“ stattfindet. Eine weite Auslegung sei nach dem BGH geboten. Mündliche Fragen im Anschluss an eine Lehrveranstaltung würden beispielsweise schon ausreichen, sofern es sich dabei um eine individuelle Kontrolle durch die Lehrkraft handele. Vertraglich wurde keine Lernkontrolle von der Klägerin oder Beklagten vereinbart. Der Klägerin wurden darüber hinaus keine Prüfungsaufgaben zur Verfügung gestellt und überdies bestünde keine wirkliche Gelegenheit, den Lernerfolg durch die Beklagte überprüfen zu lassen. Unerheblich in diesem Rahmen sei die Tatsache, dass die Teilnehmer der Coachings im Falle eines Verständnisproblems die Möglichkeit hatten, während der einzelnen Einheiten Fragen zu stellen. Das Gericht stellt klar, dass es sich bei den Coachings nicht um einen Lehrgang oder ein Studium handele. Denn die Kontrolle des Lernerfolges sei dahingehend zu verstehen, dass die Kontrolle durch einen Lehrbeauftragten zu erfolgen hat. Eine Selbstkotrolle entspreche nicht dem Sinn und Zweck. Außerdem macht das LG München I deutlich, dass die Lerninhalte eines solchen Coachings ohnehin schwer überprüfbar seien. Das Programm zum Business-Aufbau erfolge unter besonderer Berücksichtigung des Gesichtspunkts Persönlichkeitsentwicklung, der keine Zugänglichkeit zu einer Lernkontrolle aufweise. Schließlich konstatiert das Gericht, dass auch das Erzielen bestimmter Lernerfolge nicht möglich sei, da diese von der individuellen Entwicklung der einzelnen Teilnehmer abhängig seien.

Letztlich geht das LG München I auf die Notwendigkeit einer Verbrauchereigenschaft für die Anwendbarkeit des FernUSG ein. Die Gesetzesbegründung normiere die Intention des Gesetzes, insbesondere dem Verbraucherschutz zu dienen. Im Anschluss daran erkennt das Gericht, dass es häufig der Fall sein könne, dass es sich bei den Vertragspartnern solcher Coaching-Verträge zunächst um Verbraucher handeln könne, diese dann jedoch im Rahmen des Coachings beginnen, sich selbstständig zu machen, woraufhin sie möglicherweise schon als Existenzgründer gelten könnten. Das LG München I löst dieses Problem, indem es für die Verbrauchereigenschaft auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellt.

2. Entscheidung: OLG Hamburg, Urteil vom 20. Februar 2024 – 10 U 44 / 23

Die Entscheidung des OLG Hamburg schließt sich in vielerlei Hinsicht dem Urteil des LG München I an. In dem, dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt, bot die Klägerin eine „Masterclass“ als Online-Coaching an, welches darauf gerichtet war, Teilnehmer bezüglich des Aufbaus eines eigenen Online-Shops und Gewerbes zu beraten. Es handelte sich um ein sechsmonatiges Programm mit einem Zugang zu einem Videokursbereich, der 235 Schulungsvideos zur Verfügung stellte. Darüber hinaus bestand alle drei Wochen die Möglichkeit, an einem zweistündigen Zoommeeting teilzunehmen. Die Kosten für das Coaching beliefen sich auf 6.400 EUR.

Die Gerichte standen dann vor der Frage, ob der Coaching-Vertrag wirksam war. Das Landgericht Hamburg verneinte die Wirksamkeit in der ersten Instanz und erklärte den Vertrag für nichtig gem. § 7 Abs. 1 FernUSG. In der Berufung bewegte sich die Entscheidung des OLG Hamburg in die andere Richtung.

Das OLG Hamburg legt fest, dass Online-Coaching, dessen Programm keine „Überwachung des Lernerfolges“ im Sinne des § 1 FernUSG beinhaltet, keiner Zulassung nach § 12 FernUSG bedarf. Zudem geht das Gericht in seiner Entscheidung näher auf den Aspekt der „Vermittlung von Kenntnissen“ ein. Es sei erforderlich, dass die Aspekte des Lernens und der Wissensaneignung im Vordergrund stehen. Ein Coaching, welches primär darauf fokussiert sei, eine Menge an Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sich Kunden, die für sie relevanten Informationen raussuchen, würde der Anforderung nicht gerecht werden. Insofern seien rein „beratende“ Coachings schon kein Fernunterricht aufgrund von mangelnder Vermittlung von Kenntnissen.

Im Hinblick auf die „Überwachung des Lernerfolges“ argumentiert das Gericht, dass der dem Coaching zugrundeliegende Vertrag keinerlei Aufschluss darüber gewährt, ob eine Lernkontrolle erfolgen könne. Ferner sei nicht ersichtlich, dass der Kunde eine Lernkontrolle „einfordern“ könne. Es sei nichts in dieser Hinsicht vertraglich verankert, sodass davon auszugehen sei, dass eine Lernkontrolle während des Coachings schlicht nicht vorgesehen war.

Aus diesen Gründen kam das OLG Hamburg zum Entschluss, dass es ich bei dem Coaching nicht um Fernunterricht im Sinne des § 1 FernUSG handele. Damit hob das OLG Hamburg die Entscheidung der Vorinstanz aus dem Sommer 2023 auf (LG Hamburg, Urt. v. 19. Juli 2023 – 304 O 277 / 22) und verurteilte den Teilnehmer zur Zahlung der Kursgebühr für das Coaching.

IV.  Stellungnahme

Das Thema FernUSG im Zusammenhang mit Online-Coachings beschäftigt die Gerichte auch in diesem Jahr immens. Noch nicht mal zwei Monate des Jahres 2024 sind vergangen und schon liegen zwei weitere, wegweisende Urteile zum Thema FernUSG vor.

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Celle erschien es zunächst, als wäre eine sehr weite Auslegung der „Überwachung des Lernerfolges“ nach § 1 Abs. 1 FernUSG geboten. Verschiedene Entscheidungen ließen darauf schließen, dass unter der „räumlichen Trennung“, die eine Anforderung des Fernunterrichts darstellt, eine tatsächliche physische Trennung zu verstehen sei. Es wurde demnach deutlich, dass eine klare Rechtsprechungslinie sich gebildet hat, die dazu tendiert, Online-Coachings nicht nur ein Mal als Fernunterricht im Sinne des FernUSG einzuordnen. Die Gerichte waren gewillt, Online-Coaching-Verträge für nichtig zu erklären, sollte es an der gesonderten Zulassung der ZfU nach § 12 FernUSG fehlen. Daraus folgt, dass zahlreiche Coaching-Anbieter, dessen Angebot sich teilweise auf reine Beratung erstreckt, einer Zulassungspflicht unterliegen.

In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die wichtige Frage: War dies die Absicht des Gesetzgebers, als das FernUSG 1977 erlassen wurde?

Es scheint so, als würden die Entscheidungen der Gerichte aus dem Jahr 2023 das heutige digitale Zeitalter verkennen. Dies wird insbesondere daran deutlich, dass die Entscheidungen in ihrer Argumentation die Leitsätze der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2009 heranziehen (BGH, Urt. v. 15. Oktober 2009 – III ZR 310 / 08). Denn der dem BGH-Urteil zugrundeliegende Sachverhalt gestaltete sich deutlich anders, als die des letzten Jahres. Der Unterschied kommt insbesondere aufgrund des Umstands, dass damals das Lernmaterial den Teilnehmern postalisch zugeschickt wurde, zum Tragen. Dies erinnert und verdeutlicht die klassische Variante des Fernunterrichts. Die heutigen digitalen Angebote sind damit nicht zu vergleichen. Von einer postalischen Zusendung von Lernmaterial war z.B. in dem Sachverhalt, der dem Urteil des OLG Celle zugrunde lag, nie die Rede. Daher ist es sinnbefreit, die vom BGH damals entwickelten Grundsätze als allgemeingültig und nicht einzelfallabhängig einzustufen. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die 70er Jahre und der Erlass des FernUSG zwar sehr weit zurückliegen, aber auch das BGH-Urteil aus dem Jahre 2009 liegt schon über ein Jahrzehnt zurück. Der digitale Fortschritt, der in dieser Zeit stattgefunden hat, wurde von den letztjährigen Entscheidungen dennoch missachtet

Darüber hinaus kommt aus den Entscheidungen aus 2023 nicht hervor, dass die Gerichte einen Unterschied zwischen einer Beratungsleistung und der reinen Wissensvermittlung erkannt haben. Damit das FernUSG einschlägig ist, muss es sich um eine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten handeln. Allerdings gestalten sich nicht wenige Coachings rein beratend. Die Differenz wird insbesondere an dem Ziel der Veranstaltungsleiter deutlich. Bei einem Lehrbeauftragten kommt es lediglich darauf an, dass der Lernende sich den Lernstoff aneignet. Es soll „sitzen“ am Ende der Kurseinheiten. Ein Coach hingegen möchte zum größten Teil Erfahrungswerte, Informationen und Beratung zur Verfügung stellen und teilen, damit der Teilnehmer am Ende sein eigenes Ziel erreichen kann. Wie dieses Ziel und der aus dem Coaching resultierende Erfolg ausschaut, kann ein Coach anders als ein Lehrbeauftragter nicht im Vorhinein abschätzen. Die Diskrepanz zwischen Beratungsleistung und reiner Wissensvermittlung äußerte sich auch in den Entscheidungen des LG Hamburg und des OLG Hamburg. Das Landgericht hielt noch an der Annahme fest, dass so ziemlich jedes Coaching die Anforderung an eine Wissensvermittlung erfüllen würde. Dagegen zweifelte das OLG Hamburg diese Eigenschaft an und sah den Schwerpunkunkt des Coachings in der Beratung.

In Anbetracht dessen sind die jüngsten Entscheidungen des LG München I und des OLG Hamburg sehr erfreulich. Denn obwohl das FernUSG mit Sicherheit zu seiner Zeit ein gewichtiges Instrument für die Regulierung von Fernunterricht darstellte, so birgt es in der heutigen Welt eine riesige Hürde für den digitalen Fortschritt. Insbesondere für den Bereich der digitalen Beratung stellen die Anforderungen des FernUSG ein enormes Hemmnis da. Würde man an der alten Rechtsprechungslinie festhalten, wonach mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen wird, dass ein Online-Coaching auch Fernunterricht darstellt, so sollte man sich auch über die erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen bewusst sein. Denn die Anbieter könnten vermehrt bei Unzufriedenheit ihrer Teilnehmer mit einem Rückzahlungsanspruch für die Kursgebühr konfrontiert werden. Anzumerken ist in diesem Kontext auch, dass sich dies nicht zwingend nur auf Anbieter von Online-Coachings erstreckt. Auch andere Anbieter digitaler Lehrinhalte sind betroffen, sofern ihr Angebot nicht nach einem klassischen Fernunterricht konzipiert ist.

Die Entscheidungen des LG München I und des OLG Hamburg erkennen, die mit einer zu weiten Auslegung des FernUSG einhergehenden Probleme und begründen einen Umbruch in der Rechtsprechung zum FernUSG. Zu begrüßen ist insbesondere, der souveräne Umgang des LG München I mit dem Problem der Anforderung der „Verbrauchereigenschaft“ und wie diese mit Existenzgründern vereinbar ist. Eine vertragliche Verankerung der „Überwachung des Lernerfolges“, die vom OLG Hamburg nun explizit gefordert wird, stellt ebenfalls eine schöne Entwicklung dar.

Zu hoffen bleibt schließlich, dass der BGH in dem Revisionsverfahren gegen das Urteil des OLG Celle sich den geradegenannten Gerichten anschließt und die neue Rechtsprechungslinie untermauert.

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