29.11.2018Fachbeitrag

Update Datenschutz Nr. 47

Orientierungshilfe der deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden für die Direktwerbung

Nahezu jedes Unternehmen hat sich seit Geltung der DSGVO u.a. auch mit Fragen der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit von Direktwerbung und anderen Marketingmaßnahmen zu beschäftigen. Auf ihrer Datenschutzkonferenz am 07./08.11.2018 haben die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden zu diesem Thema eine neue „Orientierungshilfe“, (Stand November 2018), beschlossen. Darin sind sie auf insgesamt 14 Seiten sichtbar bemüht, etwas mehr Klarheit hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten zu Zwecken von Direktwerbemaßnahmen, wie etwa Werbebriefe, E-Mail-Werbung sowie Werbeanrufe, zu schaffen. Die Orientierungshilfe beschäftigt sich neben den Fragen nach der Zulässigkeit von Datenverarbeitungen zu Werbezwecken u.a. auch mit Informationspflichten, Einwilligungsanforderungen und Vorgaben zum Werbewiderspruch und der Datenlöschung.

Weiter Werbebegriff 

Die Aufsichtsbehörden gehen von einem weiten Werbebegriff aus, wonach jede Äußerung mit dem Ziel einer Absatzförderung erfasst sein soll. Als Beispiele für Werbung werden u.a. Zufriedenheitsnachfragen bei Kunden nach einem Geschäftsabschluss oder Geburtstags- und Weihnachtsmailings genannt. 

Interessenabwägung als Rechtsgrundlage – Direktwerbung als berechtigtes Interesse 

Angesichts des Wegfalls der speziellen Regelungen im Werbebereich (§ 28 Abs. 3 bis 4 des alten Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG-alt) rückt die Orientierungshilfe zu Recht die Interessenabwägung des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO als Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungen zu (Direkt-) Werbezwecken in den Vordergrund. Danach sind solche Datenverarbeitungen zulässig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sind und die Interessen der betroffenen Person nicht überwiegen. Vorzunehmen ist jeweils eine Interessenabwägung im konkreten Einzelfall, wobei – gemäß Erwägungsgrund 47 der DSGVO – die Direktwerbung als ein (nicht unerhebliches) berechtigtes Interesse des Verantwortlichen im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO anerkannt ist. Auf Seiten der Interessen der betroffenen Personen soll u.a. entscheidend sein, was diese im Einzelfall subjektiv erwarten, aber auch was objektiv vernünftigerweise erwartet werden kann und darf. Werde eine Datenverarbeitung zu Werbezwecken in bestimmten Bereichen der Sozialsphäre typischerweise akzeptiert, spreche dies für eine zulässige Datenverarbeitung. Bei der Ermittlung der Erwartungen der betroffenen Personen spielen auch nach Auffassung der Aufsichtsbehörden die zuvor nach Art. 13 und Art. 14 DSGVO gegebenen Datenschutzhinweise eine erhebliche Rolle. Hat der Verantwortliche transparent und umfassend über eine vorgesehene Datenverarbeitung zu Direktwerbungszwecken informiert, spricht grundsätzlich einiges dafür, dass die Erwartung der betroffenen Person dahin geht, dass ihre Daten für die entsprechenden (Direkt-) Werbezwecke genutzt werden dürfen, ohne dass allerdings durch eine entsprechende Information alleine die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten für Werbung erweitert werden kann. 

Werbeselektionen und Profiling 

Nach Ansicht der Aufsichtsbehörden soll eine Datenverarbeitung zu (Direkt-) Werbezwecken grundsätzlich dann nicht mehr aufgrund der Interessenabwägung gerechtfertigt werden können, wenn durch automatisierte Selektionsverfahren detaillierte Profile, Verhaltensprognosen usw. mit zusätzlichen Erkenntnissen über die betroffenen Personen erstellt werden. Solche „eingriffsintensivere“ Werbeselektionen werden von den Aufsichtsbehörden – ohne weitere Begründung – als Profiling eingeordnet, das – ebenfalls ohne weitere Begründung – eine vorherige Einwilligung erfordere. Dies soll auch dann der Fall sein, wenn ein Profil bzw. Werbescore unter Verwendung von externen Datenquellen, wie etwa Informationen aus Sozialen Netzwerken, zum Zwecke der Direktwerbung erstellt wird. 

Wie aus den Regelungen des Art. 21 Abs. 2 DSGVO zum Werbewiderspruchsrecht bei Direktwerbung jedoch hervorgeht, das ausdrücklich auch das Profiling einschließt, soweit es mit Direktwerbung in Verbindung steht, sind Werbeselektionen und Werbescorings nicht grundsätzlich als einwilligungspflichtiges Profiling (im Sinne der Art. 4 Nr. 4 und Art. 22 DSGVO) einzuordnen. Werbeselektionen sind vielmehr – auch wenn sie umfassender und/oder detaillierter sein mögen oder zu Profilbildungen führen – grundsätzlich anhand der Interessenabwägung des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu beurteilen. 

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) als Maßstab für die DSGVO?

Wenig überraschend ist, dass die Aufsichtsbehörden darauf hinweisen, dass auch § 7 UWG, also das wettbewerbsrechtliche Verbot unzumutbarer Belästigung, bei Direktwerbemaßnahmen wie E-Werbung oder Werbeanrufen zu beachten ist. Überraschend und nicht zutreffend ist hingegen, dass die Aufsichtsbehörden die Wertungen des § 7 UWG und die hierzu ergangene wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung einfach eins zu eins sowie unbesehen ins Datenschutzrecht übernehmen. So soll nach Auffassung der Aufsichtsbehörden eine nach § 7 UWG unzulässige Direktwerbemaßnahme, wie z.B. Werbeanrufe bei Verbrauchern ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung, in der Interessenabwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO dazu führen, dass jedwede (auch vorbereitende) Datenverarbeitung zu diesem Zweck datenschutzrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann, weil die Interessen der betroffenen Personen wegen des wettbewerbs-rechtswidrigen Zweckes der Datenverarbeitung stets überwiegen. Soweit die Regelungen des UWG selbst auf vorrangigem europäischem Recht beruhen, mag dies zutreffen. Eine generelle Übertragung aller Grundsätze des UWG verbietet sich jedoch, weil die DSGVO als europäische Verordnung europaweit einheitlich auszulegen ist und sich somit einer Eins-zu-Eins-Übertragung solcher Maßstäbe des deutschen UWG entzieht, die nicht auf europäisches Recht zurückgehen. Aus dem gleichen Grund kann auch nicht einfach die zum deutschen UWG ergangene Rechtsprechung zur Auslegung anderer Anforderungen der DSGVO herangezogen werden. Das gilt z.B. für die Anforderungen an die Gestaltung von datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen nach Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO, bei denen die Orientierungshilfe auf die BGH-Rechtsprechung zu wettbewerbsrechtlichen Einwilligungserklärungen verweist, genauso wie für die Frage der zeitlichen Gültigkeit von datenschutzrechtlichen Einwilligungserklärungen und die Frage, wie lange Kundendaten nach dem letzten aktiven Geschäfts- oder Direktwerbekontakt noch für (Direkt-) Werbezwecke verwendet werden dürfen, zu deren Beantwortung die Orientierungshilfe auf ein (!) (veraltetes) wettbewerbsrechtliches Urteil des LG München I verweist, obwohl der BGH zwischenzeitlich für die Einwilligung nach § 7 UWG festgestellt hat, dass eine einmal erteilte Einwilligung nicht allein durch Zeitablauf erlischt.  

Informationspflichten

Hinsichtlich der in der DSGVO erheblich angewachsenen Informationspflichten nach Art. 13 und Art. 14 DSGVO machen die Aufsichtsbehörden nochmals darauf aufmerksam, dass die betroffenen Personen über geplante oder in Betracht kommende Datenverarbeitungen zu (Direkt-) Werbezwecken von Anfang an bereits bei Datenerhebung, z.B. in Kauf- oder Dienstleistungsverträgen, Prospektanforderungen etc., durch entsprechende Datenschutzhinweise umfassend und transparent zu unterrichten sind. Hierzu gehört auch ein Hinweis auf das jederzeitige Werbewiderspruchsrecht der betroffenen Personen gemäß Art. 21 Abs. 2 DSGVO, der in jeder Werbesendung nochmals wiederholt werden sollte. Zu den Einzelheiten der Informationspflichten und zu Fragen der Gestaltung der Datenschutzhinweise verweisen die Aufsichtsbehörden zu Recht auf die entsprechenden Leitlinien der Artikel 29-Gruppe in deren Working Paper (WP) 260. Von diesen Leitlinien weichen sie jedoch leider in einigen Punkten zum Nachteil der Verantwortlichen / Werbetreibenden ab. Das gilt insbesondere für den Mindestumfang an Datenschutzhinweisen bei beschränkten Informationsmöglichkeiten, wie z.B. bei Bestell-Postkarten, bei Bestellungen am Telefon etc., der in nicht nachvollziehbarer und nicht praktikabler Weise ausgedehnt wird.

Fazit

Insgesamt gibt die Orientierungshilfe der deutschen Datenschutz-aufsichtsbehörden zur Direktwerbung für die Praxis einige wichtige Hinweise. Sie ist indes nicht in allen Punkten haltbar, vor allem weil sie immer noch zu sehr vom BDSG-alt und der „deutschen Brille“ geprägt ist. Eine Auslegung der DSGVO nach einheitlichen europäischen Maßstäben tut not. Darüber hinaus wären ergänzende Hinweise zu eher stiefmütterlich behandelten Punkten, wie z.B. der Zweckänderung oder dem Kopplungsverbot, und weitere Beispiele, etwa zu konkreten Werbemaßnahmen, wie z.B. Newsletter Werbemaßnahmen im B2B-Bereich etc., hilfreich gewesen. Mit Blick darauf, dass die Erwartung der Werbeadressaten im konkreten Fall von wesentlicher Bedeutung ist, werden Unternehmen daher auch künftig nicht umhin kommen, geplante (Direkt-) Marketingmaßnahmen jeweils im konkreten Fall auf ihre datenschutzrechtliche Zulässigkeit zu prüfen. Das von den Aufsichtsbehörden vorgegebene strenge Korsett kann dabei stets hinterfragt werden. Das neue europäische Recht bietet teils mehr Flexibilität als die deutschen Behörden ihm zugestehen wollen. 

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