11.09.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 108

Verhältnis zwischen Abmahnerfordernis und plattforminternen Abhilfe- und Meldesystemen – Entscheidung des LG Köln

Die Entscheidung des Landgerichts Köln vom 22. Juli 2024 (AZ: 14 O 197/24) beschäftigt sich insbesondere mit der Frage, ob das Abmahnerfordernis durch plattforminterne Abhilfe- und Meldesysteme ersetzt werden kann. Insofern würde die Bejahung dessen dazu führen, dass die Inanspruchnahme von plattforminternen Abhilfe- und Meldesystemen ausreicht, um ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO, welches die Kostentragung dem Antragsteller auferlegt, durch die Gegenseite abzuwenden.

I. Der Sachverhalt

Bei der Verfügungsklägerin handelt es sich um ein Medienunternehmen, welches über die Nutzungsrechte von Werken albanischer Künstler verfügt und diese auch verwertet. Dadurch werden Einnahmen für die Künstler, also die Kunden des Unternehmens, generiert. Im Gegenzug wird das Medienunternehmen an den Einnahmen beteiligt. Zwischen der Verfügungsklägerin und ihren Kunden wurde ein Vertrag über Nutzungsrechte geschlossen, weshalb die Verfügungsklägerin Verletzungen von Urheberrechten auch im eigenen Namen geltend machen kann.

Der Verfügungsbeklagte ist geschäftsführender Gesellschafter eines Medienunternehmens X.

Streitgegenständlich war hier eine Videoproduktion, die von einem Kunden der Verfügungsklägerin erstellt wurde. Das Video wurde von dem Verfügungsbeklagten allerdings auf der Plattform „YouTube“ öffentlich zugänglich gemacht. Daraufhin wandte sich die Verfügungsklägerin mit einer Beschwerde (sog. „M“) an YouTube selbst und ließ den Beitrag des Verfügungsbeklagten sperren. Von dem Verfügungsbeklagten erging darauffolgend eine sog. „Counter Notification“.

Eine gegen den Verfügungsbeklagten gerichtete Abmahnung erfolgte vor Stellung des Verfügungsantrags seitens der Verfügungsklägerin nicht.

Der Verfügungsbeklagte gab ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 ZPO ab.

Daraufhin stritten die Parteien nur noch über die Tragung der Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Entscheidung

Das LG Köln kam in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Kosten von der Verfügungsklägerin gem. § 93 ZPO zu tragen seien.

Dies sei dem Umstand geschuldet, dass der Verfügungsbeklagte vorliegend den Verfügungsanspruch fristwahrend anerkannt hat und der Beklagte zudem keine Veranlassung zur Klagerhebung gegeben hat.

1. Abmahnerfordernis in den Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes

Denn laut LG Köln liege eine Veranlassung zur Klageerhebung seitens eines Beklagten im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes dann vor, wenn: „er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger davon ausgehen muss, er werde nur durch Klageerhebung zu seinem Recht kommen. Eine Veranlassung zur Klageerhebung in den Fällen des gewerblichen Rechtsschutzes liegt regelmäßig vor, wenn auf eine nicht entbehrliche und ordnungsgemäße Abmahnung keine ausreichende Unterwerfungserklärung erfolgt.“

Ferner stellte das LG Köln fest, dass auch eine Berechtigungsanfrage oder ein Austausch von unterschiedlichen Rechtsansichten nicht in der Lage seien, die Abmahnung in dieser Hinsicht zu ersetzen. Im Übrigen sei die Abmahnung nur in spezifischen Ausnahmefällen entbehrlich bzw. dem Antragsteller unzumutbar. Dies betreffe allerdings zumeist Fälle, in denen Besichtigungsansprüche geltend gemacht wurden.

2. Verhältnis zwischen plattforminternen Abhilfe- und Meldesystemen im Sinne des Art. 16 DSA und der Abmahnung

Daraufhin beschäftigte sich das Gericht mit der Frage, inwiefern sich die durch die Verfügungsklägerin erfolgte Meldung bei der Plattform „YouTube“ und die darauffolgende „Counter Notification“ des Verfügungsbeklagten auf das Abmahnerfordernis auswirke.

Zunächst stellt das LG Köln klar, dass eine solche plattforminterne Meldung durch die Verfügungsklägerin grundsätzlich nicht eine urheberrechtliche Abmahnung im Sinne des § 97a UrhG ersetzen könne oder ihr gar gleichstehen könne. Allerdings räumt das Landgericht diese Möglichkeit nicht komplett aus, vielmehr konkretisiert es seine Ansicht auf den dem Urteil zugrundeliegenden Einzelfall. Der vorliegende Fall sei ungeeignet, um aufgrund der plattforminternen Meldung das Abmahnerfordernis entfallen zu lassen.

Des Weiteren macht das LG Köln deutlich, dass auch die „Counter Notification“ des Verfügungsbeklagten nicht automatisch bedeute, dass der Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe.

Es sei insbesondere die gesetzgeberische Wertung des § 97a Abs. 1 UrhG, der sich auf „gerichtliche Verfahren auf Unterlassung“ bezieht, zu bedenken. Diese „Soll-Vorschrift“ beinhalte zwar keine gesetzliche Pflicht zur Abmahnung, allerdings verkörpere sie den Wunsch der Vermeidung gerichtlicher Verfahren.

Darüber hinaus erklärt das LG Köln, dass die plattforminternen Meldemaßnahmen („M“ und „Counter Notification“), die den Vorschriften § 14 UrhDAG bzw. §§ 7 Abs. 1, 8 UrhDAG oder Art. 16 DSA entsprechen würden, einen anderen Sinn und Zweck vertreten würden, als das Abmahnerfordernis. Zwar würden die Abhilfe- und Meldesysteme auch den Interessen der Rechteinhaber dienen, allerdings biete ein solches System auch den Plattformen selbst Schutz vor einer möglichen urheberrechtlichen Haftung nach dem UrhDAG, wenn sich die Urheberrechtsverletzung mithilfe ihrer Dienste ereignen.

Dementsprechend seien die Plattformbetreiber auch: „kein Ersatz- oder Spezialgericht für Rechtsverletzungen im Internet.“

Letztlich seien plattforminterne Meldungen auch nicht mit einer Abmahnung gleichzustellen, da diese Meldungen nicht auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gerichtet seien.

Somit kam das Gericht in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass eine Abmahnung seitens der Verfügungsklägerin erforderlich gewesen wäre.

Somit führte das sofortige Anerkenntnis nach § 93 ZPO seitens des Verfügungsbeklagten dazu, dass die Kosten des Rechtsstreits von der Verfügungsklägerin zu tragen seien.

III. Fazit

In der vorliegenden Entscheidung befasste sich das LG Köln mit einer hochspannenden Frage und machte auf diesem Weg die Unterschiede zwischen einer Abmahnung im Sinne des § 97a UrhG und einer plattforminternen Meldung sehr deutlich. Dies ist zu begrüßen, da die insbesondere von Art. 16 DSA geforderten Abhilfe- und Meldesysteme der Plattformen den Anschein zulassen könnten, dass es mit einer Meldung durch den Rechteinhaber der Plattform gegenüber vor Stellung des Verfügungsantrags „getan ist“. Das LG Köln spricht in seiner Entscheidung jedoch genau von dem Gegenteil und sah die Abmahnung in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall als unverzichtbar an.

Interessanterweise lies das Gericht jedoch die Möglichkeit eines Ersetzens der Abmahnung durch eine plattforminterne Meldung offen. Es merkte in dieser Hinsicht nur an, dass der dem Gericht vorliegende Sachverhalt für ein solches Ersetzen „ungeeignet“ sei.

Daher bleibt spannend, ob auf diese Entscheidung hin eine gerichtliche Klärung der Frage, wie eine plattforminterne Meldung aussehen muss, um für ein Ersetzen der Abmahnung geeignet zu sein, folgen wird.

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