Update IP, Media & Technology Nr. 104
Patentanmeldungen zu genetischen Ressourcen: WIPO-Abkommen bringt neue Offenlegungspflichten
Ein neues WIPO-Abkommen stellt Patentanmelder vor ungewohnte Herausforderungen, wenn sich die Patentanmeldung mit „genetischen Ressourcen“ befasst. Unternehmen müssen sich insbesondere in den Bereichen Biotech, Pharma und Nahrungsmittelproduktion auf neue Offenlegungspflichten einstellen, um rechtliche und wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Worum geht es in dem Abkommen?
Am 24. Mai 2024 haben die Mitgliedstaaten der World Intellectual Property Organization (WIPO) nach 25 Jahren der Verhandlung ein bahnbrechendes Abkommen geschlossen, dessen Ziel es ist, „zu verhindern, dass Patente in Bezug auf genetische Ressourcen und damit verbundenes traditionelles Wissen fälschlicherweise erteilt werden“ (Artikel 1). Genetische Ressourcen sind alle Materialien pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, die funktionelle Erbeinheiten enthalten. Die Patentanmelder müssen das Herkunftsland oder die Quelle der genetischen Ressourcen offenlegen (Artikel 3 und 4). Das Abkommen erkennt dadurch insbesondere den Beitrag des Wissens von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften zu Innovationen an.
Nagoya-Protokoll und bisherige EU-Vorschriften
Aufbauend auf dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 wurde 2010 das Nagoya-Protokoll verabschiedet, ein internationales Abkommen, das sich mit dem Zugang zu genetischen Ressourcen und der gerechten Verteilung der Vorteile, die sich aus deren Nutzung ergeben, befasst. In das EU-Recht umgesetzt wurde das Nagoya-Protokoll im Jahr 2014 durch die „Access and Benefit Sharing“ (ABS) Verordnung (EU 511/2014). Die Verordnung schreibt vor, welche Verpflichtungen Nutzer genetischer Ressourcen in der EU haben und wie diese von den Mitgliedsstaaten kontrolliert werden müssen.
Diese Regelungen haben bisher jedoch nicht die gewünschten Effekte erzielt. Weder konnte der weltweite Verlust biologischer Vielfalt gestoppt werden noch sind aufgrund dessen nennenswerte Geldbeträge in Entwicklungsländer geflossen. Das neue WIPO-Abkommen verspricht eine effektivere Durchsetzung der Offenlegung mittels patentrechtlicher Pflichten. Gewissermaßen bekommt der Nagoya-Tiger nun Patent-Zähne!
Wie geht es weiter?
In den kommenden Jahren werden hierzu weltweit gesetzgeberische Aktivitäten zu beobachten sein. Wir gehen davon aus, dass die neuen Regeln nicht vor 2026 in Kraft treten, und zwar für Patentanmeldungen, die danach eingereicht werden. Dies bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass noch viel Zeit verbleibt, bis das Abkommen relevant wird. Erfindungen sind oft das Ergebnis jahrelanger Forschung. Heute bereits laufende oder bald startende Projekte werden teilweise zu Patentanmeldungen führen, für die die neuen Offenlegungspflichten schon gelten. Ist der Anmelder dann nicht vorbereitet, muss er erst Nachforschungen anstellen und die Einreichung verschieben. Das wiederum kann zu dramatischen rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteilen führen.
Unsere Empfehlung
Wer starke Patentanmeldungen und ein langfristig funktionierendes Geschäftsmodell haben will, sollte sich bald mit den neuen Anforderungen befassen.
Wir empfehlen als Einstieg einen Testlauf:
- Wären Sie in der Lage, diese Offenlegungspflicht zu erfüllen?
- Welche Verantwortlichkeiten und unternehmensinternen Prozessen sind erforderlich, damit die erforderlichen Informationen und Unterlagen rechtzeitig zur Patentabteilung gelangen?
Unsere High-Level Prognose ist, dass Patentabteilungen zunehmend Anforderungen aus den Bereichen „ESG“ sowie „Business & Human Rights“ erfüllen müssen. Dieses WIPO-Abkommen ist erst der Anfang.
Auf Anfrage übersende wir gerne und kostenlos eine Kopie des WIPO-Abkommens vom 24. Mai 2024. Schreiben Sie uns eine E-Mail an patent(at)heuking.de.