03.08.2015Fachbeitrag

zuerst erschienen im Versicherungsmonitor am 03.082015

Der lange Weg durch die Instanzen

Auch in Versicherungsangelegenheiten kommt es zu zahlreichen Gerichtsverfahren. Gemeint sind nicht nur die Deckungsprozesse, sondern besonders in der Haftpflichtversicherung auch die Haftungsprozesse, die sich über Jahre hinziehen können. Angesichts der Sparzwänge, denen die Justizminister der einzelnen Länder unterworfen sind und die wachsende Auswirkungen auf die Personalsituation in den Gerichten haben, sind jahrelange Verfahren selbst innerhalb einer Instanz keine Seltenheit mehr, ganz zu schweigen von den Verfahren, die durch die Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof geführt werden. Hinzu kommt, dass Richterstellen mitten in einem Prozess umbesetzt werden, mit der Folge, dass vieles noch einmal mit einem neuen Richter von vorne beginnt. Ich habe gerade in erster Instanz einen im Grunde einfachen Prozess vor einem Landgericht mit Einzelrichter nach sage und schreibe vier Jahren und fünf verschiedenen Richtern abschließen können.

Das sollte nicht sein. Dass es hier ein Problem gibt, hat der Gesetzgeber inzwischen erkannt und durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren berücksichtigt. Für das Zivilrecht, um das es hier alleine gehen soll, ist auf die durch das Gesetz umformulierten Paragrafen 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie eine inzwischen stark angewachsene Rechtsprechung und Literatur zurückzugreifen. Ein überlanges Gerichtsverfahren, durch das ein Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, kann nach den Grundsätzen der Staatshaftung zur Entschädigung führen. Die Hürden liegen allerdings hoch.

Formelle Verzögerungsrüge nötig

Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens mit einer formellen Verzögerungsrüge beanstandet hat. Diese wiederum kann erst dann erhoben werden, wenn begründeter Anlass zu der Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Frist abgeschlossen wird. Eine bloße Bitte um Beschleunigung genügt jedenfalls nicht. Vorzeitige Rügen bleiben unbeachtet und werden auch dann nicht berücksichtigt, wenn es später tatsächlich zu einer überlangen Verfahrensdauer kommt.

Außerdem gibt es keine gesetzliche Definition der überlangen Verfahrensdauer. Die Gerichte haben somit erheblichen Beurteilungsspielraum. Manche Entscheidungen sprechen von mehr als einem Jahr pro Instanz für einen Zivilprozess ohne Beweisaufnahme, andere setzen die Schwelle bei drei Jahren für zwei Instanzen, immer gerechnet ab Eingang der Klage. Wieder andere Gerichte ziehen als Erfordernis das Interesse des betroffenen Verfahrensbeteiligten an einer baldigen Entscheidung heran. Damit lässt sich alles begründen oder auch ablehnen.

Anspruchsbegründend sind darüber hinaus nur vom Gericht selbst zu verantwortende Verzögerungen – also nicht einmal solche, die absichtlich von einer Partei herbeigeführt werden, es sei denn das Gericht schreitet nicht dagegen ein. Ein solches Einschreiten aber birgt die Gefahr der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs und ist damit wiederum schwer zu rügen.

Volle Darlegungs- und Beweispflicht

Erschwert wird dies alles noch dadurch, dass der Anspruchsteller nicht nur seinen Schaden nachweisen muss, sondern auch für die Anspruchsgrundlage voll darlegungs- und beweispflichtig ist.

Hervorzuheben ist auf der anderen Seite, dass die Justizverwaltung sich bei der Begründung von Verzögerungen nicht auf eine mangelhafte Personal- und Finanzausstattung, strukturelle Probleme in der Gerichtsorganisation, Überlastung des zuständigen Richters oder ähnliches berufen kann. Bei Erkrankung des zuständigen Richters hingegen sind die Gerichte in ihren Ansichten gespalten. Zu guter Letzt ist bei der Setzung zeitlicher Grenzen auch die richterliche Unabhängigkeit in den Fällen zu berücksichtigen, in denen die Verzögerung durch Verfahrensweisen des Richters selbst zu rügen wäre.

Was lernen wir daraus? Verzögerungen von Gerichtsverfahren sind besonders für den Anspruchsteller höchst unangenehm. Er ist dagegen zwar nicht vollkommen machtlos, aber die Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs ist trotz gesetzlich gegebener Möglichkeiten recht schwierig und wohl nur in ganz krassen Fällen anzuraten. Letztlich ist dies alles vom Einzelfall abhängig und Ermessenssache.

Herbert Palmberger ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner bei der Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek.

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