zuerst erschienen im Versicherungsmonitor am 31.08.2015
Die Haftung von gerichtlichen Sachverständigen
Der Gesetzgeber hat bereits vor einigen Jahren den Amtshaftungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) einen Paragrafen 839 a hinzugefügt, der die Haftung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit regelt. Dies gilt unmittelbar zugunsten der geschädigten Partei, obwohl diese zum Sachverständigen eigentlich nicht in einem direkten Vertrags- oder Deliktsverhältnis steht. Allerdings sind einige Besonderheiten zu beachten.
Abgestellt wird auf das schädigende Ereignis, und das ist bereits die Erstattung des Gutachtens selbst, nicht etwa die darauf beruhende Gerichtsentscheidung. Ein schriftliches Gutachten ist erstattet, sobald es bei der Geschäftsstelle des Gerichts eingegangen ist. Ein mündliches oder mündlich erläutertes Gutachten hingegen ist erst mit dem Ende der Vernehmung des Sachverständigen erstattet. Bedeutsam ist dies für die Frage des Verjährungsbeginns.
Wichtig ist, dass das Gesetz nur für vom Gericht selbst bestellte Sachverständige gilt. Sachverständige Zeugen oder Privatgutachter, deren Gutachten von einer Partei im Prozess vorgelegt werden, gehören nicht dazu. Für diese gilt nach wie vor die allgemeine deliktische Haftung für unerlaubte Handlungen, (zum Beispiel Verstoß gegen Strafgesetze) oder aber gegebenenfalls die vertragliche Schadensersatzpflicht gegenüber der benennenden Partei. Diese geht weiter und umfasst auch einfache Fahrlässigkeit.
Der Sachverständige muss von einem staatlichen Gericht ernannt worden sein, also beispielsweise nicht von einem Schiedsgericht. Paragraf 839 a BGB dient allerdings nach neuester Rechtsprechung auch für von der Staatsanwaltschaft eingeschaltete Sachverständige, selbst wenn dies dem Wortlaut des Gesetzes eigentlich nicht zu entnehmen ist.
Außerdem gilt: Das Gutachten muss objektiv unrichtig sein. Das ist der Fall, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht, das Gutachten also von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht oder aber der Sachverständige die falschen Schlüsse zieht. Auch darf der Sachverständige in seinem Gutachten keine eigenen Erfahrungs- oder Lehrsätze aufstellen, die nicht zutreffen oder aber solche von Dritten zugrunde legen, wenn diese nicht oder nicht mehr gelten. Vertritt er eine Mindermeinung, muss er auf die herrschende Meinung hinweisen und begründen, warum er dieser gerade nicht folgt. Gehen die Mängel eines Gutachtens so weit, dass es unverwertbar ist, wird es von der Rechtsprechung nicht mehr als unrichtiges, sondern als nicht existentes Gutachten behandelt und einem Urteil auch nicht mehr zugrunde gelegt. Das ist auch bei festgestellter Befangenheit des Sachverständigen der Fall. Gegebenenfalls trifft ihn dann wieder die volle deliktische Haftung, also auch für eigene Fahrlässigkeit.
Ansonsten haftet der Sachverständige in den Fällen, in denen das Gericht sein falsches Gutachten verwertet und seinem Urteil zugrunde legt, nur für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Die Beweislast trägt die anspruchstellende Partei, und das führt nicht selten zu ganz erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung.
Der Schaden muss nicht unbedingt materieller Art sein (also Vermögensschäden oder Prozesskosten). Sofern eine Änderung einer falschen gerichtlichen Entscheidung nicht mehr möglich ist, weil sie schon rechtskräftig ist, und damit die eigentlich vorgeschriebene Naturalrestitution nicht in Betracht kommt, ist Schadensersatz in Geld zu leisten. Das gilt auch für immaterielle Schäden, wie Freiheitsentziehung oder Reputationsschäden als Folge einer auf dem falschen Gutachten beruhenden Gerichtsentscheidung.
Ausgeschlossen ist der Anspruch, wenn die geschädigte Partei es vorsätzlich oder auch fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Rechtsmittel abzuwenden.
Da der Schaden schon mit dem Erlass der ersten für den Geschädigten nachteiligen Entscheidung entsteht, beginnt bereits zu diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist. Dies muss der Anspruchsteller beachten und bei längerer Verfahrensdauer im Rechtsmittelverfahren entweder Verjährungsverzichte einfordern oder aber vorsorglich eine Feststellungsklage gegen den Sachverständigen erheben, um nicht durch eine inzwischen eintretende Verjährung seinen Anspruch zu verlieren.
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