Update IP, Media & Technology Nr. 103
EU-Designrechtsreform – Ein Überblick
Eine neue EU-Designrechtsreform steht an. Zwar steht das genaue Datum des Inkrafttretens noch nicht fest, jedoch scheinen alle wesentlichen Hürden für ein neues Designrecht im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens überwunden zu sein.
Darüber, was es mit der Reform auf sich hat und mit welchen bedeutsamen Änderungen insbesondere mit Blick auf die Praxis gerechnet werden kann, soll im Folgenden ein kurzer Überblick geschaffen werden.
I. Der Reformprozess
Im Jahre 2014 setzte sich die EU-Kommission schon kritisch mit dem EU-Schutzsystem für Designs auseinander. Schließlich resultierte aus dieser Auseinandersetzung ein Reformprozess des Designrechts. Der Prozess erwies sich vielseitig, was insbesondere dem Umstand geschuldet war, dass die Kommission sich mit vielen verschiedenen Stellungnahmen von Fachpersonen sowie Interessenkreisen zunächst beschäftigten musste.
Am 14. März 2024 waren endlich Resultate des langwierigen Prozesses zu erkennen. Denn das EU-Parlament hat zwei Legislativvorschläge an diesem Tag angenommen.
- Das Parlament möchte zunächst eine neue Design-Richtlinie auf den Weg bringen, die die Richtlinie 98 / 71 / EG (1998) ersetzen soll und Erneuerungen bezüglich des Schutzes von Geschmackmustern und Modellen bieten soll.
- Eine neue Verordnung über das Designrecht steht in Zukunft ebenso an und wird die bisher und derzeitig noch geltende Verordnung ersetzen.
II. Welche Veränderungen sind zu erwarten?
1. Endlich ist es so weit: Von Geschmacksmuster zu Design
Die Reform geht zunächst mit einer sehr erwünschten begrifflichen Veränderung einher. Denn von nun an wird aus dem altertümlichen „Geschmacksmuster“ das schon eingebürgerte „Design“. Auch der Unionsbegriff trifft auf Veränderung. Es heißt nun statt Gemeinschaftsgeschmacksmuster zukünftig „Unionsdesign“. Überraschenderweise und unverständlicherweise wurde in den Verordnungsentwürfen in deutscher Sprache bis Ende des Jahres 2023 noch der Begriff „Geschmacksmuster“ verwendet. Mit Abschluss des vergangenen Jahres hat sich aber auch Deutschland der gemeinsamen Linie angepasst und die Begrifflichkeit des 19. Jahrhunderts überwunden.
2. Schutzbereichserweiterung
Die begrifflichen Veränderungen zu „Design“ und „Erzeugnis“ und ihre Neudefinierung führt in Zukunft auch zu einer bedeutsamen Erweiterung des Schutzgegenstands des Designrechts.
a) Bleibender Gehalt
Designrechtlich wird weiterhin im Grundsatz das Design bzw. Erzeugnis oder ein Teil davon geschützt, die durch die folgenden Merkmale gekennzeichnet sind: Linien, Konturen, Farben, Gestalt, Oberflächenstruktur oder Werksstoffe des Erzeugnisses oder Verzierungen. Ferner bleibt die Regelung bezüglich Logos und graphischen Zeichen die Gleiche, denn Logos und graphische Symbole zählen weiterhin zu Erzeugnissen im designrechtlichen Sinne. Daher bleibt auch weiterhin die sich überschneidende Schnittstelle zwischen Design- und Markenrecht bestehen, da grundsätzlich markenrechtlich geschützte Zeichen aus Perspektive des Designrechts ebenfalls schutzwürdig sind.
b) Die Erweiterung
Heutzutage nehmen Technologien der künstlichen Intelligenz oder eines 3D-Druckers einen immer weiter zunehmenden Stellenwert ein. Diese Entwicklungen soll auch das Designrecht widerspiegeln. Der Designschutz soll sich zukünftig nicht mehr nur auf physische Gegenstände beschränken, sondern vielmehr auch in der Digitalen Welt Wirkung zeigen. Hierbei trifft die Veränderung zunächst den Begriff des Erzeugnisses selbst. Im Zuge der Designrechtsreform umfasst der Begriff des Erzeugnisses künftig:
„jeden industriellen oder handwerklichen Gegenstand…unabhängig davon, ob er in einem physischen Objekt verwendet wird oder eine nicht physische Form annimmt“
Hierzu zählen auch:
„räumliche Anordnungen von Gegenständen, mit denen ein Innen- oder Außenraumumfeld gebildet werden soll.“
Ferner zählen auch graphische Benutzeroberflächen, die sog. graphical user interfaces (GUI), nun zu Erzeugnissen. Ebenso verhält es sich mit digitalen Innenräumen, die künftig vom Designschutz erfasst werden können und insbesondere in Computerspielen erscheinen. Dies würde auch besonders in der Wirtschaft zum Tragen kommen. Mithin umfasst der Designschutz in Folge der Reform digitale Räume in unterschiedlichen Erscheinungsformen.
Zudem sorgt der neue Erzeugnisbegriff dafür, dass z. B. auch Objekte des Metaverse oder NFT-Objekte designrechtlich schutzwürdig sein können. Außerdem sollen Animationen, Karten sowie Schriftarten vom Designschutz profitieren können.
Anders verhält es sich hingegen bei Erzeugnissen, die ein Kulturerbe inne haben wie beispielsweise Denkmäler der Natur oder Kultur oder Artefakte. Diese sollen aus Gründen eines möglichen Missbrauchs weiterhin vom Designschutz ausgeschlossen bleiben.
Unverändert bleibt ebenfalls, dass Computerprogramme weiterhin keinen Schutz durch das Designrecht genießen. Vielmehr unterstellt das EU-Recht Computerprogramme dem Urheberschutz.
c) Neue Reparaturklausel
Große Veränderung bringt darüber hinaus die Einführung einer neuen Reparaturklausel für Ersatzteile mit sich. Künftig sollen nicht mehr einzelne Komponenten von Gegenständen designrechtlich geschützt sein. Dies bedeutet, dass identische (den Originalteilen entsprechende) Ersatzteile frei angeboten werden können. Diese Einführung ist insbesondere marktwirtschaftlich motiviert, da dadurch der Wettbewerb auf dem Markt sowohl geöffnet als auch deutlich angekurbelt wird. Angesichts des sog. Green Deals der EU, zu dessen Hauptaugenmerken die Reparaturfähigkeit von Gegenständen gehört, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Klausel in vielen Bereichen Anwendung finden wird.
Einzige Schranke dieser Regelung ist, dass Hersteller oder Verkäufer der Ersatzteile Verbraucher unmissverständlich darüber in Kenntnis setzen müssen, welchen gewerblichen Ursprung das Bauelement hat. Ferner muss über die Identität des Herstellers des Bauelements informiert werden.
Die „Liberalisierung“ des Ersatzteilmarkts haben die Mitgliedstaaten, die Ersatzteilen immer noch Designschutz gewähren, innerhalb einer verkürzten Frist von acht anstelle von zehn Jahren umzusetzen.
III. EUIPO-Gebühren
Auch die Gebührenordnung unterliegt einigen Veränderung im Zuge der Designrechtsreform. Insbesondere zwei Aspekte haben Tragweite.
1. Der Wegfall des „one class“ Erfordernisses
Lange Zeit mussten Anmelder von Designs bei Sammelanmeldungen besonders darauf achten, dass die Designs ihrer Sammelanmeldung der gleichen Locarno-Designklasse angehören. Andernfalls mussten die Designs einzeln angemeldet werden. Dieses sog. „one class“ Erfordernis soll nun jedoch wegfallen, sodass Anmelder zukünftig von den erheblichen Rabatten, auf die Sammelanmelder einen Anspruch haben, profitieren können. Folglich kommt es infolge des Entfalls der „one class“ Regelung zu einer Gebührensenkung, allenfalls bei einer Sammelanmeldung.
2. Gebührenordnung
Hinsichtlich der Struktur der Gebühren sollen ebenfalls Veränderungen stattfinden, da die von dem EUIPO geforderten Anmelde- sowie die separaten Eintragungsgebühren nun zu einer einheitlichen Gebühr zusammengeschlossen werden. Dies soll insbesondere den Anmeldeprozess für die Anmelder erleichtern. Zwar wurden Ende des Jahres 2023 noch erhebliche Senkungen der Anmeldegebühren vorgesehen. Mittlerweile wird jedoch deutlich, dass besonders die Verlängerungsgebühren, die bis zu vier Mal fällig werden können, sich erhöhen könnten. Dies würde zwar die Designinhaber finanziell belasten, jedoch erscheint dies angesichts des Ziels, das Register von veralteten Designs zu entlasten, ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung.
IV. Allgemeines Sichtbarkeitserfordernis – nein!
Des Weiteren beinhaltet die Reform die endgültige Beilegung der Diskussion über ein allgemeines Sichtbarkeitserfordernis, welches zum Teil in der Praxis schon als Ausschließungsgrund angewendet wurde, ohne dass dies im Gesetz vorgesehen ist.
Ein allgemeines Sichtbarkeitserfordernis hätte zur Folge, dass nur die Gestaltungsmerkmale eines Erzeugnisses designschutzfähig sind, die bei üblicher Verwendung bzw. bei üblichem Gebrauch des Erzeugnisses sichtbar sind. Damit würde in der Praxis eine Pauschalisierung der Ausnahme, dass innenliegende Bauteile eines komplex konstruierten Erzeugnisses nicht schutzfähig sind, vorgenommen werden.
Dem wurde jedoch erfreulicherweise im Zuge der Reform entgegengewirkt. Es käme nun lediglich darauf an, ob bestimmte Gestaltungsmerkmale im Rahmen der Designanmeldung sichtbar wiedergegeben wurden und nicht, dass diese Merkmale bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Erzeugnisses sichtbar sind (vgl. ErwGr. 19 der Design-RiLi sowie ErwGr. 13 der UDV).
Damit bleibt die Ausnahme bezüglich der innenliegenden Bauteile eines komplexen Erzeugnisses tatsächlich eine Ausnahme.
V. Fazit
Die neue Reform des Designrechts ist zu begrüßen.
Es werden eben nicht alte Strukturen im Sinne einer Revolution über Bord geworfen, sondern vielmehr werden alte Strukturen den heutigen Umständen angepasst, sodass auch das Designrecht seinen Finger am Puls der Zeit hat. Man könnte daher eher von einer Evolution sprechen. Insbesondere betroffen sind davon die technologischen Entwicklungen, dessen Fortschritt sich auch im Designrecht widerspiegeln sollte.
Zudem sorgen die neuen Veränderungen für eine Vereinfachung der Anmeldungs- bzw. Eintragungsprozesse von Designs in der Praxis.
Ferner kann durch die neue Reparaturklausel eine Harmonisierung der Reparaturthematik unter den Mitgliedstaaten der EU erzielt werden. Zwar könnte dies noch eine Weile dauern, da den Mitgliedstaaten bis zu acht Jahren für die Umsetzung zustehen, jedoch beinhaltet auch dies einen Vorteil, da dies der Industrie eine gewisse Vorlaufzeit gewährt, um sich auf die anstehenden Änderungen einzustellen und vorzubereiten.
Insgesamt ist festzustellen, dass die EU eine Stärkung des Wettbewerbs innerhalb des Designsektors anstrebt und insbesondere die Investitionsbereitschaft in innovative Designs fördern möchte. Nur die Zeit wird zeigen, ob mit den Reformen der gewünschte Effekt erzielt werden kann. Aber in einer zunehmend digitalen und designorientierten Wirtschaft ist die EU gut beraten, ihren Rahmen proaktiv an die Zukunft anzupassen.