01.12.2020FachbeitragCorona

Update Kapitalmarktrecht Nr. 40

EU-Recovery Prospectus – Aktueller Sachstand des Gesetzgebungsverfahrens

Mit unserem Update Kapitalmarktrecht Nr. 037 vom 31. Juli 2020 hatten wir bereits darüber berichtet, dass der europäische Gesetzgeber plant, Unternehmen zur Überwindung der Auswirkungen der Corona-Krise vorübergehend die Eigenkapitalaufnahme zu erleichtern. Zu diesem Zweck soll es Emittenten, deren Aktien bereits seit 18 Monaten zum Handel auf einem regulierten Markt zugelassen sind oder an einem KMU-Wachstumsmarkt (in Deutschland ist dies derzeit nur das Scale-Segment der Deutschen Börse in Frankfurt) gehandelt werden, vorübergehend möglich sein, für eine Aktienemission statt eines vollständigen, lediglich einen verkürzten Prospekt („EU-Recovery Prospectus“ „Wie-deraufbauprospekt“) im Umfang von 30 Seiten zu veröffentlichen. Mit diesem Update geben wir Ihnen einen Überblick über den aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens.

Das EU-Parlament hat sich am 19. November 2020 mit der Angelegenheit befasst und folgende wesentlichen Änderungen verabschiedet, auf deren Grundlage ein kurzfristiges Inkrafttreten der geplanten Regelungen denkbar ist:

  • Der Wiederaufbauprospekt soll die finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklungen seit dem Ende des letzten Geschäftsjahres und die langfristige Geschäftsstrategie und langfristigen Ziele (sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Art) beschreiben und insbesondere auch eine Zusammenfassung von mindestens 400 Wörtern über die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der COVID-Pandemie auf den Emittenten enthalten, sofern es solche gibt. Ferner ist in dem Wiederaufbauprospekt darzulegen, ob der Emittent in diesem Zusammenhang staatliche Hilfen für die Erholung in Anspruch genommen hat und welche Bedingungen hiermit verknüpft sind.
  • Neu ist auch, dass der Wiederaufbauprospekt Angaben zur Kapitalisierung und Verschuldung des Emittenten enthalten muss, die zum Zeitpunkt der Billigung des Wie-deraufbauprospekts nicht älter als 90 Tage sein dürfen. Dies entspricht den Anforderungen eines regulären Wertpapierprospekts und dient offensichtlich der besseren Information der Anleger über die aktuelle finanzielle Situation des Emittenten.
  • Die in dem Wiederaufbauprospekt aufzunehmenden Risikofaktoren sollen nunmehr kategorisiert und nach deren Erheblichkeit für den Emittenten gewichtet werden. Auch dies entspricht den Anforderungen bei einem regulären Prospekt. Bislang war in dem Vorschlag der EU-Kommission lediglich vorgesehen, dass die wesentlichen Risiken aufgeführt werden.
  • Die Regelungen zum Wiederaufbauprospekt sollen nunmehr bis zum 31. Dezember 2022 gelten. In dem ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission war noch eine Geltung für einen Zeitraum von 18 Monaten ab Inkrafttreten des Gesetzes vorgesehen.

Fazit

Für die Praxis stellt unseres Erachtens einzig die Einführung des Erfordernisses der Angaben zur Kapitalisierung und Verschuldung eine bedeutsame Änderung für die Emittenten dar. Denn die Beibringung dieser Zahlen kann für die Emittenten oftmals praktisch aufwändig und damit zeitintensiv sein. Alle weiteren Änderungen erscheinen dagegen letztlich überschaubar und sollten die Erstellung eines Wiederaufbauprospekts im Vergleich zum Vorschlag der EU-Kommission nicht wesentlich komplexer machen.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren

Die von dem EU-Parlament verabschiedete Fassung wird nunmehr dem EU-Rat vorgelegt. Sollte der EU-Rat der Version des Parlaments zustimmen, treten die Regelungen in Kraft. Sollte der EU-Rat weitere Änderungen anregen, muss sich das Parlament in einer zweiten Lesung hierüber beraten und erneut abstimmen.

Es ist geplant, dass sich der Rat noch im Dezember mit der Angelegenheit befassen soll. Vor dem Hintergrund, dass dem Rat der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission bereits seit dem 24. Juli 2020 vorliegt und sich die von dem EU-Parlament vorgenommenen Änderungen in Grenzen halten, erscheint unseres Erachtens eine kurzfristige Entscheidung des EU-Rats und damit ein zeitnahes Inkrafttreten der Regelungen zumindest denkbar.

Wir werden Sie über den weiteren Verlauf des Verfahrens informieren.

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