Update IP, Media & Technology Nr. 54
Schleichwerbung beim Influencer-Marketing – Schafft der BGH nun endlich Rechtssicherheit?
Die Debatte über die Kennzeichnungspflichten im Influencer-Marketing ist seit einigen Jahren ein echter Dauerbrenner in der juristischen Fachliteratur. Verlässlich angefacht wurde sie dabei stets durch neue Entscheidungen aus der mittlerweile zahlreichen untergerichtlichen Rechtsprechung, mit nicht selten widersprechenden Positionen der Gerichte (hierzu haben wir bereits im IP-Update Nr. 32 berichtet). Nun hat sich erstmals der BGH in gleich drei Entscheidungen mit der Frage beschäftigt, wann Influencer Produkte-Beiträge auf der Social-Media-Plattform Instagram als Werbung kenntlich machen müssen.
I. Hintergrund und Ausgang der Verfahren
Die Verfahren hatte jeweils der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. angestrengt, der die Influencerinnen Cathy Hummels, Leonie Hanne sowie Luisa-Maxime Huss wegen unzulässiger Schleichwerbung auf Unterlassung verklagt hatte. Konkret beanstandete der Verband Sozialer Wettbewerb e.V. von den Influencerinnen gepostete Bilder, die mit sog. „Tap-Tags“ versehen waren, also kleinen Hinweisfeldern, die zunächst unsichtbar sind und durch einmaliges Antippen des Bildes für den Nutzer sichtbar werden. Diese Hinweisfelder fungieren sodann als Verlinkung, sodass der Nutzer durch Antippen des Hinweisfeldes z.B. weitergeleitet wird auf die entsprechende Instagram-Präsenz des Produktherstellers.
Maßgeblicher Unterschied in den drei Verfahren war die Tatsache, dass allein die Influencerin Huss eine Gegenleistung von dem von ihr per Tap-Tag verlinkten Hersteller der auf dem Posting abgebildeten „Raspberry Jam“ (Himbeer-Marmelade) erhalten hatte. Revisionsführer war in den Verfahren Hanne und Hummels der klagende Verband Sozialer Wettbewerb e.V. und im Verfahren Huss die beklagte Influencerin. In keinem der drei Verfahren hatte die eingelegte Revision Erfolg.
II. Influencerin Huss: Unzulässige Schleichwerbung bei erhaltener Gegenleistung oder übertriebener Werblichkeit des Gesamteindrucks
Der BGH wies die Revision von Huss (Az.: I ZR 90/20) zurück. Wie die Vorinstanzen ging auch der BGH vom Vorliegen einer unzulässigen Schleichwerbung i.S.d. § 5a Abs. 6 UWG aus.
Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Die im Wettbewerbsrecht stets erforderliche „geschäftliche Handlung“ sah der BGH im Fall Huss sowohl in der Variante des eigenen sowie des fremden Unternehmensbezugs als gegeben an.
Ein eigener Unternehmensbezug liegt nach Ansicht des BGH vor, da Influencer, die mittels eines sozialen Mediums wie Instagram Waren vertreiben, Dienstleistungen anbieten oder das eigene Image vermarkten ein (eigenes) Unternehmen betreiben. Zudem sei die Veröffentlichung von Beiträgen dieser Influencer in dem sozialen Medium geeignet, ihre Bekanntheit und ihren Werbewert zu steigern und damit ihr eigenes Unternehmen zu fördern.
Ein fremder Unternehmensbezug ist nach Ansicht des BGH bei einem Posting eines Influencers, welcher ein Produkt dieses Unternehmens zum Gegenstand hat, hingegen nur in zwei Fällen anzunehmen: entweder der Influencer erhält eine Gegenleistung von dem markierten Unternehmen oder das Posting weist nach seinem Gesamteindruck einen im jeweiligen Einzelfall festzustellenden „werblichen Überschuss“ auf.
Letzteres ist mit dem BGH bei übertriebener Werblichkeit und damit etwa dann anzunehmen, wenn das Posting ohne jede kritische Distanz allein die Vorzüge eines Produkts dieses Unternehmens in einer Weise lobend hervorhebt, dass die Darstellung den Rahmen einer sachlich veranlassten Information verlässt.
Zur Indizwirkung von Tap-Tags bei der Bewertung eines „werblichen Überschusses“ äußert sich der BGH (zumindest in der bislang verfügbaren Pressemitteilung) zweideutig. Zum einen soll allein der Einsatz von Tap-Tags in einem Posting nicht bereits per se einen „werblichen Überschuss“ begründen, zum anderen sei ein „werblicher Überschuss“ regelmäßig dann anzunehmen, wenn der eingesetzte Tap-Tag auf die Internetseite des Herstellers des abgebildeten Produkts verlinkt. Gerade letzteres dürfte in der Praxis jedoch der Normalfall sein.
Die nach § 5a Abs. 6 UWG erforderliche Erkennbarkeit des kommerziellen Zwecks muss bei verschiedenen Unternehmensbezügen derselben geschäftlichen Handlung für jeden Unternehmensbezug gesondert gewährleistet sein. So muss insbesondere auch der Zweck eines Postings, ein fremdes Unternehmen zu fördern, erkennbar sein. Allein die für den Verbraucher aus den Umständen gegebene Erkennbarkeit eines eigenen Unternehmensbezugs ist nicht ausreichend.
III. Influencerinnen Hanne und Hummels: Erkennbarkeit aus den Umständen und fehlende Gegenleistung
In den Verfahren gegen Hanne (Az. I ZR 125/20) und Hummels (Az. 126/20) wies der BGH die Revision des klagenden Verbandes Sozialer Wettbewerb e.V. zurück.
Bei den Postings der beiden Influencerinnen liege zwar jeweils eine geschäftliche Handlung mit eigenem Unternehmensbezug der Influencerin vor, mit den Feststellungen der Berufungsgerichte sei jedoch davon auszugehen, dass sich der kommerzielle Zweck der Postings bereits unmittelbar aus den Umständen ergebe.
Sofern zusätzlich auch ein fremder Unternehmensbezug gegeben sei, ist § 5a Abs. 6 UWG mit dem BGH einschränkend im Sinne der vorrangigen Spezialvorschriften des § 6 Abs. 1 TMG, § 58 Abs. 1 S. 1 RStV bzw. § 22 Abs. 1 S. 1 MStV dahingehend auszulegen, dass nur bei einer erhaltenen Gegenleistung eine Kennzeichnungspflicht ausgelöst werde.
IV. Bewertung
Die drei Entscheidungen des BGH bringen im Ergebnis leider nur wenig Licht ins Halbdunkel des Spannungsverhältnisses zwischen kennzeichnungspflichtiger werblicher und kennzeichnungsfreier redaktioneller Tätigkeit von Influencern.
Insbesondere die Ausführungen zur bestehenden/fehlenden Indizienqualität von Tap-Tags schaffen mehr Verwirrung denn Klarheit. Auch ist nicht klar, inwiefern das Merkmal des „werblichen Überschusses“ i.R.v. § 5a Abs. 6 UWG neben dem Erhalt einer Gegenleistung je eigenständige Bedeutung erlangen soll, wenn mit der vom BGH vorgegebenen einschränkenden Auslegung der Norm im nächsten Schritt ohnehin eine fehlende Gegenleistung stets zum Nichtbestehen einer Kennzeichnungspflicht führen soll.