09.08.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 105

Sportwettverluste – wie der EuGH damit umgeht

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im Tipico-Verfahren um die Rückzahlung von Verlusten aus Sportwetten wurde seit langer Zeit erwartet. Ob die Dienstleistungsfreiheit eines Sportwettenanbieters einer Erstattung der im Rahmen unerlaubter Online-Sportwetten erlittenen Verluste von Spielern entgegensteht (Az. I ZR 90/23), wird dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt – so die Verkündung des Gerichts am 25. Juli. Das Verfahren wird bis zur vollständigen Klärung ausgesetzt.

Entscheidung des BGH

Weil das maltesische Unternehmen zwar eine Zulassung in Deutschland nach dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2012 beantragt, aber noch nicht erlangt hatte, geht der BGH von der Nichtigkeit eines zivilrechtlichen Sportwettvertrages zwischen einem deutschen Wettkunden und einem auf Malta ansässigen Sportwettanbieter aus. Neben dem formellen Manko kann der BGH allerdings keinen materiellen Verstoß gegen deutsches Recht feststellen. Der EuGH soll nun ermitteln, ob die Dienstleistungsfreiheit nach EU-Recht dem Verdikt der Nichtigkeit des Vertrages entgegensteht und ob deshalb der verlorene Einsatz nicht zurückzugewähren ist.

Rechtliche Einschätzung

Zu Recht fragt der BGH den EuGH, statt selbst zu entscheiden. Denn die Frage, wie sich das vorrangige Unionsrecht auf die hiesige Rechtsanwendung auswirkt, ist vom EuGH im „Ince“-Urteil bisher ausschließlich auf der verwaltungsrechtlichen Ebene bejaht worden. Ob dies auch auf zivilrechtliche Verträge durchschlägt, bleibt abzuwarten Damit hätte der BGH, ohne den EuGH zu befragen, nicht entscheiden dürfen. Ob eine Verletzung der Rechte des Malta-ansässigen Unternehmens aus der Dienstleistungsfreiheit vorliegt, hängt davon ab, ob Deutschland den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr durch die Nichtigerklärung der Verträge und die Zusprache von Erstattungsansprüchen einschränken darf. Dies wäre zulässig, wenn es dafür einen triftigen Grund, wie zum Beispiel ein schützenswertes Allgemeininteresse gibt, welches seitens des EuGH vermutlich nicht bejaht wird.

Begründung der Einschätzung

In Deutschland wurden auf Grundlage des Glücksspielstaatsvertrags 2012 fast eine Generation keine wirksamen Zulassungen für private in- oder ausländische Anbieter erteilt; jedoch bisher alle Anbieter geduldet ohne straf- oder verwaltungsrechtliche Sanktionen. Im Gegensatz dazu hat die TV- und Sportveranstaltungswerbung der geduldeten Sportwettanbieter die Medien und Vereine sogar mit Milliarden finanziert. Nach neuem Recht hat der maltesische Anbieter eine Zulassung in Deutschland erhalten. Er hat zuvor keine inhaltlichen, sprich materiellen Rechtsverstöße begangen, auf die sich der kundenseitige Einsatzrückforderungsanspruch hätte berufen könnte.

Nach dem unionsrechtlichen Gebot der Konsistenz mitgliedstaatlicher Beschränkungen wird der EuGH fragen, ob angesichts dieser Rechtslage in Deutschland eine widerspruchsfreie Rechtsanwendung zu konstatieren ist. Deutschland hat nämlich nicht alle Wettangebote im fraglichen Zeitraum auf gleicher Rechtsgrundlage gleichbehandelt und dafür gesorgt, dass Internet-Sportwetten nicht ohne Zulassung betrieben werden können. Denn wieso sollte zivilrechtlich Geld für die Tätigkeit zurückzugewähren sein, die materiell-rechtlich einwandfrei war, die vom deutschen Staat und seinen Behörden geduldet wurde und für die nur aufgrund eigener rechtlicher Unzulänglichkeiten Deutschlands keine Zulassung erteilt werden konnte?

Der Spieler hat nicht aufgrund eines Zulassungsmanko Geld verloren, sondern weil er falsch gewettet hat. Das Vertrauen auf die formelle Rechtmäßigkeit des Angebotes ist hier nicht kausal für den Vermögensverlust. Vielmehr fehlte es nur an einer Formalität. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer waren klug genug, für den Zeitraum weniger Monate zwischen der Annahme des neuen Glücksspielstaatsvertrages 2020 und seinem Inkrafttreten ausdrücklich zu erklären, dass gegen bestehende Wettangebote, die nach altem Recht nur geduldet waren, nach neuem Recht aber auf baldige Zulassung hoffen konnten, nicht vorgegangen werden darf.

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