Update Kapitalmarktrecht Nr. 39
Ausgestaltung des elektronischen Wertpapiers
Im August hat der Gesetzgeber den Referentenentwurf zur Einführung eines elektronischen Wertpapiers veröffentlicht. Im Anschluss an das seinerzeitige Update von Dr. Thorsten Kuthe stellen wir die wesentlichen Elemente des elektronischen Wertpapiers vor.
Anwendungsbereich
Der Referentenentwurf beschränkt sich darauf, die elektronische Begebung und Verwahrung von Inhaberschuldverschreibungen i. S. d. § 793 BGB zu ermöglichen. Anleihen und Genussscheine werden erfasst, Aktien dagegen nicht. Infolgedessen bleibt auch in Zukunft die Einordnung von aktienähnlichen Security Token und Currency Token völlig offen.
Fiktion einer Sache
Der Referentenentwurf stellt das elektronische Wertpapier über eine Fiktion dem physisch begebenen Wertpapier gleich. Infolgedessen kann Eigentum an dem elektronischen Wertpapier bestehen. In der Insolvenz eines Dritten, insbesondere eines Wallet Provider, wird der Eigentümer durch ein Recht zur Aussonderung geschützt, § 47 InsO.
Registerarten
An die Stelle des Besitzes tritt die Eintragung des Wertpapiers in ein elektronisches Register. Der Referentenentwurf unterscheidet zwischen zwei Registerarten:
- Das zentrale Register ist auf einen Zentralverwahrer, namentlich die Clearstream Banking AG, zugeschnitten. Der Zentralverwahrer speichert das elektronische Wertpapier ab und bucht es zum Handel in den Effektengiroverkehr ein. Insoweit bestehen kaum Unterschiede zur bisherigen Praxis.
- Dagegen soll das Kryptowertpapierregister die neuartige Distributed Ledger Technologie (DLT) und deren Unterform der Blockchain Technologie erfassen. Der Gesetzgeber sieht allerdings kein vollkommen dezentrales Register vor, sondern verlangt eine verantwortliche Stelle, die als Adressatin von Rechten und Pflichten operiert.
Transaktionen im Netzwerk
Im Kryptowertpapierregister kann das elektronische Wertpapier auf den Namen des einzelnen Berechtigten eingetragen werden. Zur Übertragung des Eigentums muss der Berechtigte mit dem Erwerber einen dinglichen Vertrag schließen und eine Umtragung auf den Namen des Berechtigten veranlassen. Die Eintragung im Register ersetzt den Besitz an einem physischen Wertpapier. Dieses Konzept passt nicht zur DLT, welche auf der rein faktischen Verfügungsmacht über einen Token sowie einem Konsensmechanismus beruht.
Gutgläubiger Erwerb
Als Kompensation für diese Risiken enthält der Gesetzesentwurf eine in dieser Form bislang nicht vorkommende Reihe von Tatbeständen des gutgläubigen Erwerbs. Neben dem guten Glauben an die Eigentümerstellung und die Verfügungsbefugnis sollen auch der gute Glaube an die Vertretungsmacht und die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit einen Eigentumserwerb vom Unberechtigten ermöglichen. Rechtsscheinträger ist jeweils der Eintrag im Kryptowertpapierregister. Dadurch sinkt das Risiko eines unwirksamen Erwerbs erheblich.
Pflichten des Verwahrers
Da dem Eintrag eine solch hohe Bedeutung zukommt, belegt der Referentenentwurf die registerführende Stelle mit zahlreichen Pflichten. Insbesondere muss sie sicherstellen, dass die wahre Rechtslage und der Inhalt des Registers übereinstimmen. Verletzt sie diese Pflicht, ist sie jedem Teilnehmer, der daraus einen Schaden erleidet, zum Ersatz verpflichtet. Ferner trifft die registerführende Stelle eine Garantiehaftung, wenn es zum Verlust von Daten oder einer unbefugten Datenveränderung kommt. Angesichts dieser hohen Haftungsrisiken ist fraglich, ob es überhaupt Anbieter geben wird, die die Tätigkeit der registerführenden Stelle übernehmen werden.
Auswirkungen im Aufsichtsrecht
Indem der Gesetzgeber den gutgläubigen Erwerb des elektronischen Wertpapiers ermöglicht, wird dieses leicht handelbar, also fungibel. Infolgedessen erfüllt das elektronische Wertpapier alle Merkmale des europarechtlich vorgegebenen Wertpapierbegriffs. Das öffentliche Angebot von elektronischen Wertpapieren wird daher im Grundsatz die Prospektpflicht auslösen. Ferner finden die Vorgaben der MAR auf den Handel mit elektronischen Wertpapieren Anwendung.
Fazit
Der deutsche Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, die etablierten zivilrechtlichen Regeln des Wertpapierrechts auf die neuartige DLT zu erstrecken. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich Technologie und Recht vereinbaren lassen und dieser Ansatz Früchte tragen wird.