12.08.2019Fachbeitrag

BRX Update: Beihilferecht August 2019

Bekanntmachung zur Rückforderung staatlicher Beihilfen

Stellt die EU-Kommission im Rahmen eines Hauptprüfungsverfahrens fest, dass eine rechtswidrige Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, ist sie nach Art. 16 der VerfahrensVO 2015/1589 verpflichtet, die Rückforderung der Beihilfe durch den Mitgliedstaat als Folge der Rechtswidrigkeit anzuordnen. Am 23. Juli 2019 hat die Kommission nun die aktualisierte Rückforderungsbekanntmachung (2019/C 247/01) veröffentlicht.

Allgemeine Grundsätze

Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) hindert die Mitgliedstaaten daran, Unternehmen finanzielle Vorteile zu gewähren und dadurch den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfälschen. Beihilfen sind – sofern sie nicht freigestellt sind – bei der EU-Kommission zu notifizieren. Bis zum Beschluss über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt ist den Mitgliedstaaten untersagt, die Beihilfemaßnahme durchzuführen (sog. „Durchführungsverbot“). Ein Verstoß hiergegen führt zur Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Der Mitgliedstaat muss dann regelmäßig die Durchführung der Beihilfe einstellen oder – falls diese bereits erfolgt ist – die Rückforderung der Beihilfe anordnen.

Zwar sieht der AEUV eine Rückforderung nicht ausdrücklich vor. Diese ist jedoch eine notwendige Ergänzung des Beihilfeverbots nach Art. 107 Abs. 1 AEUV und des Durchführungsverbots nach Art. 108 Abs. 3 AEUV. So urteilte der Gerichtshof bereits 1973 (Rs. 70/72, Kommission/Deutschland).

Zweck und Umfang der Rückforderung

Durch die Rückforderung soll der Empfänger der Beihilfe jeden dadurch erlangten Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verlieren. Insoweit ist die Rückforderung keine Sanktion, sondern lediglich ein Mittel zur Wiederherstellung des wettbewerbsgemäßen Zustandes auf dem Binnenmarkt.

Grenzen der Rückforderungspflicht

Die Rückforderungspflicht findet ihre Grenzen in den allgemeinen Grundsätzen der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Rechtskraft. Diese werden durch die Unionsgerichte jedoch eng ausgelegt, sodass sie eine Rückforderung nur selten beschränken können. So begründet z.B. ein früherer Beschluss der EU-Kommission, ihr Schweigen zu einer angemeldeten Beihilfemaßnahme oder das Nichttätigwerden in Bezug auf eine nicht angemeldete Beihilfemaßnahme kein schutzwürdiges Vertrauen des Empfängers, welches die Rückforderung ausschließen würde. Die Vertrauensschutztatbestände des deutschen Verwaltungsrechts treten dabei ggf. aufgrund des europarechtlichen Effektivitätsgebotes zurück.

Umsetzung eines Rückforderungsbeschlusses

Kommt die EU-Kommission zum Schluss, dass die gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, erlässt sie einen Rückforderungsbeschluss, in dem sie den betroffenen Mitgliedstaat verpflichtet, die Beihilfe aufzuheben und innerhalb einer Frist zurückzufordern.

Zunächst wird der Rückzahlungsschuldner ermittelt. Als solcher kommt nicht nur der konkrete Beihilfeempfänger in Betracht, sondern die ganze Unternehmensgruppe ist als ein einziges Unternehmen zu behandeln (als wirtschaftliche Einheit). Entscheidend ist somit, wer der Beihilfebegünstigte ist. Bei einem Asset Deal prüft die Kommission, ob die wirtschaftliche Kontinuität durch das die Assets erwerbenden Unternehmens gegeben ist. Ggf. erlegt die Kommission im Fall von Fusionen oder Umstrukturierungen dem Mitgliedstaat die Aufgabe auf, den Rechtsnachfolger des Beihilfeempfängers zu bestimmen. Bei steuerlichen Maßnahmen hilft es einem Unternehmen nicht, dass es eine Beihilfe ordnungsgemäß angegeben hat oder ein Steuerbescheid rechtskräftig geworden ist, sondern entscheidend für die Rückforderung ist, ob ein steuerlicher Vorteil vorliegt, der gegen das Beihilferecht verstößt. Bei der Quantifizierung der Rückforderung kann rückwirkend die de-minimis-Regel angewendet werden.

Kann der Empfänger die Beihilfe nicht zurückzahlen, muss er im Wege eines Insolvenzverfahrens ohne rechtlichen und wirtschaftlichen Nachfolger aus dem Binnenmarkt ausscheiden. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens kann die durch die Beihilfe verursachte Wettbewerbsverfälschung wieder beseitigt werden.

Wurde das Rückforderungsverfahren vorläufig eingestellt oder endgültig abgeschlossen, kann die Kommission das Verfahren dennoch wieder aufgreifen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die entscheidenden Umstände des Falles nachträglich verändert haben.

Rechtsschutz gegen Rückforderungsbeschlüsse

Der Empfänger der Beihilfe kann gegen nationale Maßnahmen zur Umsetzung eines Rückforderungsbeschlusses gerichtlich vorgehen (wie u.U. auch gegen den Beschluss der Kommission selbst). Um die Gefahr einer Verzögerung der Umsetzung zu minimieren, dürfen nationale Gerichte jedoch vorläufigen Rechtsschutz nur unter den engen Voraussetzungen gewähren, die der Gerichtshof in den Rechtssachen Zuckerfabrik und Atlanta festgelegt hat:

  • erhebliche Zweifel an der Gültigkeit des Rückforderungsbeschlusses,
  • Dringlichkeit der Entscheidung zur Vermeidung von schweren, nicht wiedergutzumachenden Schäden für den Antragsteller,
  • angemessene Berücksichtigung der Interessen der Union durch das nationale Gericht und
  • Beachtung der vergleichbaren Entscheidungen der Unionsgerichte, bei denen vorläufiger Rechtsschutz auf europäischer Ebene gewährt wurde.

Bei Nichtumsetzung eines Rückforderungsbeschlusses durch den Mitgliedstaat kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

Fazit

Die aktualisierte Bekanntmachung enthält hilfreiche Grundsatzinformationen und Klarstellungen. In manchen Punkten besteht aber dennoch Klarstellungsbedarf, z.B. hinsichtlich der starren Umsetzungsfrist eines Rückforderungsbeschlusses sowie der Voraussetzungen für ihre Verlängerung, die nur „unter außergewöhnlichen Umständen“ gewährt wird, beim Vertrauensschutz oder bei der Sanierung eines insolventen Beihilfeempfängers. Abzuwarten bleibt, wie die europäischen Gerichte mit den in der Bekanntmachung getroffenen Vorgaben umgehen.

 

 

 

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