22.07.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Juli 2015

BGH: Zur Google AdWords- Markenbeschwerde

BGH, Urteil vom 12.3.2015 (Az. I ZR 188/13 – Uhrenankauf im Internet)

Leitsätze (Auszug)
a) Die Einlegung einer sogenannten allgemeinen Markenbeschwerde beim Betreiber einer Internetsuchmaschine ist nicht deshalb eine unlautere Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG, weil Mitbewerber, die eine nicht markenverletzende AdWords-Werbung beabsichtigen, die vorherige Zustimmung des Markeninhabers einholen müssen.

b) Es stellt eine gezielte Behinderung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG dar, wenn der Markeninhaber nach Einlegung einer Markenbeschwerde bei Google, durch die die Verwendung der Marke in AdWords-Anzeigen unterbunden wird, die Zustimmung zu der AdWords-Werbung eines Mitbewerbers nicht erteilt, obwohl die beabsichtigte Werbung das Markenrecht nicht verletzt.

Anmerkung

Markeninhaber nutzen zunehmend die Möglichkeit, durch eine „Markenbeschwerde“ bei Google zu verhindern, dass ihre Marke im Text von AdWords-Anzeigen Dritter verwendet wird. Neben dem grundsätzlich legitimen Zweck, Markenverletzungen von vornherein zu unterbinden, kann der Markeninhaber über dieses Instrument allerdings auch solche Dritten effektiv von einer AdWords-Werbung bei Google mit der Marke ausschließen, denen er die Nutzung der Marke in dieser Form ansonsten nicht untersagen könnte. Der BGH hatte über eine solche Konstellation und die Frage zu entscheiden, ob der hiervon betroffene Dritte sich wettbewerbsrechtlich gegen dieses Vorgehen des Markeninhabers zur Wehr setzen kann, und hat diese Frage unter dem Aspekt der unzulässigen gezielten Behinderung (§ 4 Nr. 10 UWG) bejaht.

Google-„Markenbeschwerde“ grundsätzlich wettbewerbsrechtlich zulässig


Der BGH stellt zunächst klar, dass die bloße Einlegung einer „Markenbeschwerde“ bei Google trotz der daraus folgenden faktischen Sperrwirkung noch keine wettbewerbswidrige gezielte Behinderung darstellt. Zur Begründung stellt er darauf ab, dass die „Markenbeschwerde“ zunächst im Grundsatz dem legitimen Ziel einer Verhinderung von Markenverletzungen diene und es dem Markeninhaber ohne Weiteres möglich sei, auf entsprechende Anfrage von Dritten eine AdWords-Werbung freizugeben.

Unterlassene Zustimmung zur beabsichtigten Werbung stellt unzulässige Behinderung dar

Im Umkehrschluss folgt hieraus jedoch, dass das Verhalten des Markeninhabers dann in eine unzulässige gezielte Behinderung umschlägt, wenn er auf entsprechende Anfrage eines Mitbewerbers die Erteilung der Zustimmung zu dessen beabsichtigter, die Marke enthaltender AdWords-Werbung verweigert, obwohl diese AdWords-Werbung seine Rechte nicht verletzt.

Eine unzulässige gezielte Behinderung i.S.d. § 4 Nr. 10 UWG kann zum einen dann vorliegen, wenn die betreffende Wettbewerbshandlung gerade zu dem Zweck vorgenommen wird, gezielt Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie zu verdrängen. Zum anderen kann eine Handlung aber auch ohne eine solche Behinderungsabsicht dann als unzulässige Behinderung anzusehen sein, wenn sie objektiv dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können. Ob letztere Voraussetzungen vorliegen, ist nach ständiger Rechtsprechung durch eine umfassende Interessenabwägung zu klären.

Entscheidendes Kriterium: Erschöpfung des Markenrechts

Als entscheidenden Aspekt für das Überwiegen des Interesses des Mitbewerbers, der durch die „Markenbeschwerde“ und die nicht erteilte Zustimmung des Markeninhabers an einer Ad- Words-Werbung gehindert wird, hat der BGH dabei die Frage angesehen, ob die beabsichtigte Werbung von dem Markeninhaber ohne die Markenbeschwerde aus seinem Markenrecht untersagt werden könnte oder nicht. Im vorliegenden Fall sollte die AdWords-Anzeige für den Ankauf von gebrauchter Originalware (nämlich von ROLEX-Uhren) werben. Der Inhaber der Marke „ROLEX“ hätte ohne die Markenbeschwerde eine Werbeanzeige, in der seine Marke zu diesem Zweck genannt wird, markenrechtlich nicht untersagen können, da sein Markenrecht an den gebrauchten Original-Uhren dadurch erschöpft ist, dass die betreffenden Original-Uhren von ihm oder mit seiner Zustimmung in der EU in den Verkehr gebracht wurden (Art. 13 Abs. 1 GMV bzw. § 24 Abs. 1 MarkenG). Daran, eine somit markenrechtlich zulässige Werbung faktisch durch eine Google-„Markenbeschwerde“ und anschließende Nichterteilung der Zustimmung zu verhindern, steht dem Markeninhaber kein billigenswertes rechtliches Interesse zu. Das Interesse des Mitbewerbers daran, eine entsprechende AdWords-Werbung unter Nennung der Marke „ROLEX“ schalten zu können, überwiegt daher. Hinzu kommt noch das Interesse der Verbraucher, bei der Google-Suche auch über den Handel des Mitbewerbers mit entsprechenden (gebrauchten) Original-Uhren informiert zu werden. Aufgrund dieser Interessenlage ist in der unterlassenen Zustimmung des Markeninhabers zu der beabsichtigten AdWords-Werbung eine unzulässige wettbewerbswidrige Behinderung zu sehen.

Rechtsfolge: Zustimmungsverpflichtung des Markeninhabers?

Als Rechtsfolge hat der BGH einen Beseitigungsanspruch des Mitbewerbers bejaht, der sich zu einer Verpflichtung des Markeninhabers konkretisiert, der beabsichtigten AdWords-Werbung des Mitbewerbers zuzustimmen. Dies geht insofern etwas an der Realität vorbei, als Google dem Markeninhaber ausweislich der Autorisierungsbestimmungen in seiner AdWords-Markenrichtlinie nur die Möglichkeit einräumt, bestimmte Google-Accounts komplett zur Verwendung der Marke im Rahmen jeglicher AdWords-Anzeigen zu autorisieren, nicht jedoch, einzelne ausgewählte Werbeanzeigen eines Account-Inhabers oder die Verwendung der Marke unter bestimmten Rahmenbedingungen freizugeben. Dieser praktische Aspekt hat in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit keine Rolle gespielt, weil er offenbar von den dortigen Parteien nicht vorgetragen wurde. Er verkompliziert die Dinge jedoch zusätzlich, da der Markeninhaber hierdurch gezwungen sein kann, zunächst den Account eines Mitbewerbers zur Verwendung seiner Marke im Anzeigentext unabhängig von der konkreten Verwendungsform zu autorisieren und diese Autorisierung dann wieder zu widerrufen, wenn Markenverletzungen festgestellt werden. Es bleibt abzuwarten, ob Google auf die hierdurch drohende Gefahr einer Entwertung des Instruments der AdWords-Markenbeschwerde durch eine Anpassung seiner AdWords-Markenrichtlinie reagieren wird.

Fazit

Markeninhaber sind zur Vermeidung unnötiger Rechtsstreitigkeiten derzeit gut beraten, nach Einlegung einer „Markenbeschwerde“ bei Google Anfragen von Mitbewerbern (unabhängig von deren Handelsstufe) nach ihrer Autorisierung zur Verwendung der Marke in geplanten AdWords-Anzeigentexten sorgfältig zu überprüfen und ihnen dann stattzugeben, wenn die beabsichtigte Werbung ihre Markenrechte nicht verletzt. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Mitbewerber (wie im Streitfall) mit gebrauchter – oder auch neuwertiger – Originalware, an der das Markenrecht erschöpft ist, handelt und hierfür werben will. Eine solche Einzelfallprüfung kann mitunter schwierig sein; der damit einhergehende Aufwand wird demjenigen Markeninhaber, der von dem Instrument der Google-„Markenbeschwerde“ Gebrauch macht, vom BGH jedoch ausdrücklich zugemutet. Ungeklärt ist bislang u. a., inwieweit der Markeninhaber dann die Autorisierung eines Mitbewerbers verweigern kann, wenn dieser in der Vergangenheit die Marke rechtswidrig verwendet hat, aktuell jedoch eine markenrechtlich zulässige Werbung beabsichtigt.

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