Update Kapitalmarktrecht 027
Emittenten aufgepasst! Neue BaFin-Hinweise zu Ad-hoc-Publizität und Directors' Dealings
Anfang Juli 2019 hat die BaFin ihren Entwurf für das Modul C des neuen BaFin-Emittentenleitfadens publiziert. Hierin werden die besonders praxisrelevanten Bereiche Ad-hoc-Publizität/Insiderhandelsverbote, Eigengeschäfte von Führungskräften (Directors' Dealings), das Verbot der Marktmanipulation, Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen sowie Insiderlisten dargestellt. Zwar handelt es sich bislang nur um einen ersten Entwurf in einem sog. Konsultationsverfahren, zu dem bis zum 31. August 2019 noch Anmerkungen an die BaFin adressiert werden können. Jedoch lässt sich bereits jetzt die künftige und auch schon aktuelle Verwaltungspraxis der BaFin erkennen, welche für Freiverkehrsemittenten (auch Anleiheemittenten!) und im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften gleichermaßen relevant ist.
Allgemeines
Bereits Mitte 2016 kam es durch die Einführung der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) zu tiefgreifenden Reformen im Kapitalmarktrecht. Äußerst unbefriedigend für die tägliche (Beratungs-)Praxis war, dass bislang noch kein auf die MAR zugeschnittener BaFin-Emittentenleitfaden mit wesentlichen Informationen zur Verwaltungspraxis publiziert worden war. Dies ändert sich nun.
Ad-hoc-Publizität: Umfassende Darstellung
Zum Bereich Ad-hoc-Publizität fasst der BaFin-Entwurf zunächst − auch für Laien verständlich − die Grundlagen, inklusive wichtiger Definitionen zusammen. Zudem kann anhand anschaulicher Prüfungsschemata ein Grundverständnis dafür gewonnen werden, ob überhaupt die Ad-hoc-Vorschriften für den konkreten Emittenten anwendbar sind. Es bleibt aber dabei, dass − wie schon in bisherigen Veröffentlichungen − die wenigen kurzen allgemeinen Darstellungen nur eine vage Richtung geben. Der Einzelfall in der Praxis lässt sich damit selten lösen. Besonders praxisrelevant sind die Ausführungen zu Prognosen und Ergebnissen, mit einer Abgrenzung zu bloß „allgemein formulierten Erwartungen“ oder „langfristigen Planungen“, die keine Insiderinformationen darstellen.
Ad-hoc-Publizität: Stets Einzelfallbetrachtung
Trotz der sehr umfangreichen Ausführungen der BaFin bleibt, die Entscheidung über das Bestehen und den Zeitpunkt einer Ad-hoc-Pflicht aber immer eine „Einzelfallentscheidung“. Dies wird insbesondere bei sog. „gestreckten Sachverhalten“ (z. B. Unternehmenskäufen) deutlich, bei denen nicht erst das Endereignis, sondern bereits verschiedene Zwischenschritte „kursrelevant“ und damit Ad-hoc pflichtige Insiderinformationen sein können. Während diese rechtliche Beurteilung in der Vergangenheit richterrechtlich („Gelt/Daimler-Entscheidung“ des EuGH) geprägt war, wurde die Erkenntnis, dass auch Zwischenschritte eine Insiderinformation darstellen können, in der MAR ausdrücklich normiert (Art. 7 Abs. 2 S. 2 MAR). Die BaFin betont hierzu im Entwurf des Emittentenleitfadens beispielsweise zu M&A- Transaktionen – aber auch an zahlreichen anderen Stellen – dass „aufgrund der Vielzahl von möglichen Fallgestaltungen eine schematische Darstellung, ab wann vom Vorliegen einer Zwischenschritt-Insiderinformation ausgegangen werden kann“, nicht möglich sei. Somit kommt es (weiterhin) stets auf die „Umstände des Einzelfalls“ an, die sorgfältig zu prüfen sind, um die scharfen Sanktionen zu vermeiden.
Ad-hoc-Publizität: Ad-hoc-Aufschub
Die Voraussetzungen an einen sog. Ad-hoc-Aufschub (Art. 17 Abs. 4 MAR) haben enorme Praxisrelevanz. Ein solcher Aufschub ist nämlich − so ausdrücklich der BaFin-Entwurf − auch bei zeitlich gestreckten Sachverhalten möglich. Die BaFin macht zu den Anforderungen und den formalen Voraussetzungen eines Ad-hoc-Aufschubs umfassende Angaben. Dies gilt sowohl für die Identifikation und Prüfung als auch die Bewertung, ob eine potenzielle Insiderinformation vorliegt. Es wird zudem betont, dass der Emittent verpflichtet sei, unklare Sachverhalte weiter aufzuklären und mögliche Auswirkungen eines Ereignisses sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob ein veröffentlichungspflichtiger Umstand vorliegt. Notfalls sei der Emittent ausdrücklich angehalten, sich des Rates von (externen) Experten zu bedienen. Eine Grenze für die Dauer einer solchen Aufklärung und Prüfung sei (erst) bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu ziehen. Diese Klarstellung ermöglicht in der Praxis eine sorgsame rechtliche Bewertung und Planung des Weiteren Ad-hoc publizitätsbezogenen Vorgehens.
Ad-hoc-Publizität: Auch Aufsichtsrat gefordert
Die BaFin bestätigt im Leitfadenentwurf außerdem, dass der Aufsichtsrat für sämtliche in seinen Aufgabenbereich fallende Sachbereiche auch die ausschließliche Ad-hoc-Kompetenz besitze. Daher müsse auch ein etwaiger Aufschub der Ad-hoc-Information, z. B. bei Vorstandsänderungen, durch Aufsichtsratsbeschluss erfolgen. Im Falle der Vorstandsbestellung ist daher − wie bisher − darauf zu achten, dass schon die Absicht des verantwortlichen Gremiums, eine bestimmte Person als neuen Vorstandsvorsitzenden zu bestellen, eine Insiderinformation darstellen kann. Das Kursbeeinflussungspotenzial dieser Information könne sich dabei aus der Person des zu Bestellenden ergeben, aber auch aus der Tatsache, dass mit der Konkretisierung auf eine bestimmte Person oder (schon) einen ausgewählten engen Personenkreis (!) die Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung des Emittenten beendet ist.
Directors' Dealings
Die BaFin räumt auch dem wichtigen Komplex der „Eigengeschäfte von Führungskräften“ (Directors' Dealings) im neuen Entwurf des Emittentenleitfadens mehr Raum ein, als bislang. Es werden sehr umfassende Informationen zu den erfassten Finanzinstrumenten sowie den formellen Voraussetzungen der Directors' Dealings-Meldung gegeben und ein Verweis auf das zu verwendende Musterformular bereitgestellt. Bezüglich der sog. „Closed Periods“ (Art. 19 Abs. 11 MAR), d. h. dem Handelsverbot von Führungskräften des Emittenten während eines Zeitraums von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts, betont die BaFin nun nochmals ausdrücklich (erstmals Ende 2018), dass schon am Tag der Ankündigung (nach der Veröffentlichung) – und nicht erst einen Tag später – das Handelsverbot endet und wieder Eigengeschäfte möglich sind.
Fazit
Es ist möglich, dass es im Anschluss an das Konsultationsverfahren noch zu kleineren Anpassungen im MAR-Modul des BaFin-Emittentenleitfadens kommen wird. Trotz des gestiegenen Darstellungsumfangs und erhöhten Detaillierungsgrads des Leitfadens haben sich gegenüber der bisher bekannten Praxis der BaFin jedoch nur in Details neue Informationen ergeben. Weiter gilt, dass es auch künftig − vor allem bei Ad-hoc-Fragestellungen − auf eine gründliche Abwägung unter Einbeziehung der Besonderheiten des Einzelfalls ankommen wird. Gerne unterstützen wir Sie hierbei und besprechen mit Ihnen die Einzelheiten.