27.02.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2024

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei Smartphone-Verbot am Arbeitsplatz

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.10.2023 – 1 ABR 24/22

Ablenkung am Arbeitsplatz stellt viele Arbeitgeber häufig vor Probleme, da die Unachtsamkeit einzelner Mitarbeiter – vor allem in Produktionsbetrieben – betriebliche Abläufe stören und zu kostspieligen Fehlern führen kann. Betriebliche Verbote seitens des Arbeitgebers an die Belegschaft sind dennoch nicht selten Anlass für Rechtsstreitigkeiten mit dem Betriebsrat. Ein prominentes Beispiel stellt etwa das vom Arbeitgeber ausgesprochene Verbot der privaten Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs dar, welches von der Rechtsprechung als nicht mitbestimmungspflichtig erachtete wurde (LAG Hamm vom 07.04.2006 - 10 TaBV 1/06).

Bislang nicht höchstrichterlich geklärt war auch die sehr praxisrelevante Frage, ob arbeitgeberseitig die private Nutzung von Smartphones während der Arbeitszeit untersagt werden darf, um dadurch die Ablenkungsmöglichkeiten für Mitarbeiter abzusenken. Nachdem 2015 das Arbeitsgericht München hier noch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für begründet erachtet hatte (ArbG München vom 18.11.2015 - 9 BVGa 52/15), durfte sich jüngst erstmals auch das Bundesarbeitsgericht mit dieser Frage auseinandersetzen.

Sachverhalt

Die Arbeitgeberin ist ein Automobilzulieferer und betreibt einen Produktionsbetrieb mit ca. 200 Mitarbeitern. Per Aushang im Betrieb stellte die Arbeitgeberin sog. „Regeln zur Nutzung privater Handys während der Arbeitszeit“ auf, die neben einem generellen Smartphone-Verbot während der Arbeitszeit auch eine Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen für den Fall des Verstoßes beinhalteten. Der am Betrieb der Klägerin gebildete Betriebsrat sah sich daraufhin in seinem Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG übergangen und forderte die Arbeitgeberin auf, die Verbotsregelung unverzüglich zurückzunehmen. Da die Arbeitgeberin eine Rücknahme der betrieblichen Anweisung verweigerte, entschloss sich der Betriebsrat ein Beschlussverfahren einzuleiten.

Mit seinem Antrag begehrte der Betriebsrat die Unterlassung des Verbots. Dies begründete der Betriebsrat damit, dass ein solches Verbot nicht ohne dessen Beteiligung hätte erlassen werden dürfen. Sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wiesen den Antrag jedoch als unbegründet zurück. Nach Ansicht der Instanzgerichte stand dem Betriebsrat mit Blick auf das Nutzungsverbot von Mobiltelefonen zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu. Gegen diese Entscheidungen richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht hat die Rechtsauffassung der Vorinstanzen bestätigt und ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ebenfalls abgelehnt.

Das Mitbestimmungsrecht erfasse zwar die allgemeine betriebliche Ordnung und das Verhalten der Mitarbeiter, soweit deren Zusammenleben und Zusammenwirken berührt wird und damit ein Bezug zur betrieblichen Ordnung besteht. Zu unterscheiden sei dieses sog. Ordnungsverhalten jedoch vom nicht mitbestimmten Arbeitsverhalten.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts unterfällt das Smartphone-Verbot nicht der Mitbestimmung aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da es in erster Linie auf die Steuerung des Arbeits- und nicht des Ordnungsverhaltens gerichtet sei. Das Verbot ziele darauf ab, zügiges und konzentriertes Arbeiten der Mitarbeiter sicherzustellen, indem mögliche Ablenkungen durch die Verwendung der Smartphones unterbunden werden sollen. Smartphones verfügen nämlich über eine Vielzahl unterschiedlichster Funktionen (z.B. Messengerdienste, Internetnutzung, Social Media, Musik- und Gaming-Apps), die die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter aufgrund ihrer – wenn auch nur kurzen – typischen Verwendung binden und sie von der Arbeit abhalten oder zumindest ablenken können. Die aktive Verwendung dieser Funktionen stelle eine erhebliche Ablenkung dar und rechtfertige insbesondere eine andere Bewertung als das Radiohören, welches der Arbeitserfüllung mangels Unterbrechung nicht zwangsläufig entgegenstehe. Deshalb wurde ein Radioverbot vom Bundesarbeitsgericht in einer alten Entscheidung aus 1986 noch als mitbestimmungspflichtiges Ordnungsverhalten eingeordnet (BAG vom 14.01.1986 - 1 ABR 75/83).

Praxistipp

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu begrüßen, da sie in dieser praxisrelevanten Frage für Rechtssicherheit sorgt und auch inhaltlich nachvollziehbar begründet ist. Es korrigiert dankenswerterweise auch die lebensfremde Einschätzung des Arbeitsgerichts München, nach der eine Störung der Arbeitsleistung durch den Zugriff auf das private Smartphone nur in Ausnahmefällen vorkomme. 

Arbeitgeber haben nun Klarheit, inwieweit sie die private Nutzung von Smartphones am Arbeitsplatz unterbinden können und ob sie dabei den Betriebsrat beteiligen müssen. Bei der praktischen Umsetzung eines solchen Verbots sollten Arbeitgeber allerdings stets darauf achten, dass die Zweckrichtung aus dem Verbot ersichtlich wird. Es sollte also klargestellt werden, dass das Verbot nur während der Arbeitszeit gilt und dadurch Ablenkungen von der Arbeit verhindern soll. Dagegen sollte nicht darauf verwiesen werden, dass das Verbot der Vermeidung von Lärmbelästigung oder Ähnlichem diene. Dies wäre nämlich ein Indiz für die Regelung des mitbestimmungspflichtigen Ordnungsverhaltens.

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