Update Kapitalmarktrecht / Private Equity Nr. 44
SPAC – Die Welle rollt
Es ist soweit: Am 22. Februar 2021 startete mit der von dem bekannten Investor Klaus Hommels aufgesetzten Lakestar SPAC I SE mit Sitz in Luxemburg erstmals seit mehr als zehn Jahren ein Börsenmantel als sogenannte SPAC an der Frankfurter Wertpapierbörse. Damit wird ein Phänomen in Deutschland populär, das im US-Markt in den vergangenen Jahren und insbesondere in 2020 eine regelrechte Auferstehung erlebt hat und dort zu einem beliebten Instrument zur Transaktionsstrukturierung geworden ist – auch und gerade für Private Equity Investoren. Mit der Lakestar SPAC ist nunmehr eine nach Luxemburger Recht gegründete SPAC in Deutschland am Markt und die allgemeine Erwartungshaltung hierzulande ist, dass dies kein Einzelfall bleiben wird. Daher stellen sich viele Fragen: Was ist eine SPAC eigentlich? Ist die SPAC für Private Equity Investoren in Deutschland interessant? Und wie funktioniert das Ganze? Dieser Beitrag gibt die Antworten.
Was ist eine SPAC?
Der Begriff „SPAC“ steht für Special Purpose Acquisition Company. Bei einer SPAC handelt es sich (zunächst) um eine reine Mantelgesellschaft, die von namhaften Investoren bzw. Investmentmanagern gegründet wird, den sogenannten Sponsoren. Einziger Zweck der SPAC ist es, durch Ausgabe von börsennotierten Anteilen, sei es im Wege eines öffentlichen Angebots oder einer Privatplatzierung, Kapital einzusammeln und hiermit in einem vordefinierten Zeitraum ein Zielunternehmen zu erwerben. Welches Unternehmen erworben werden soll, steht zum Zeitpunkt des Börsengangs noch nicht fest. Regelmäßig enthalten die Regelungen allerdings verbindliche Vorgaben hinsichtlich Größe, Branche oder andere Parameter, die in Bezug auf die Zielgesellschaft einzuhalten sind. Die Frankfurter Wertpapierbörse erwartet solche Vorgaben als Grundlage ihrer Listingentscheidung.
Das eingesammelte Kapital wird zunächst bei einem Treuhänder hinterlegt, bis eine taugliche Zielgesellschaft identifiziert ist. Die Transaktion muss innerhalb eines bestimmten Zeitraums stattfinden, der typischerweise zwischen 18 und 36 Monaten liegt (regelmäßig 24 Monate). Sofern die SPAC in dieser Zeit kein geeignetes Zielunternehmen finden kann, wird sie liquidiert und das eingesammelte Kapital an die Anleger zurückgezahlt.
In den USA sind derartige Strukturen bereits seit geraumer Zeit als sog. „blank-check companies“ bekannt, worunter ebenfalls Gesellschaften mit dem einzigen Ziel verstanden werden, nicht zweckgebundenes Kapital einzusammeln. Die Nutzung dieser Strukturen unterlag in den USA in der Vergangenheit stets Wellenbewegungen, wobei seit einigen Jahren ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen ist. In Deutschland gab es – vor der Lakestar SPAC – lediglich vereinzelte Fälle (z.B. die Helikos SE und die European CleanTech I SE, die jeweils in 2010 an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet wurden).
Unterschiede zum reinen Mantelkauf (Reverse IPO/RTO)
Abzugrenzen ist das sogenannte SPAC-Modell, auch wenn diverse Ausgestaltungen denkbar sind, vom reinen Mantelkauf bereits an der Börse gelisteter „leerer“ Hüllen (Reverse IPO/RTO). Die Aktien der (leeren) Mantelgesellschaft werden von einem Investor erworben, um dann ein operatives Geschäft – etwa gegen die Ausgabe neuer Aktien – in den Mantel einzulegen.
Private Equity als SPAC Sponsor
Ein Blick auf die US-Praxis zeigt, dass die Sponsorenrolle einer SPAC für eine große Zahl klassischer Private Equity Fonds gerade in der jüngeren Vergangenheit zu einer sinnvollen Ergänzung der bislang genutzten Strukturierungsvarianten geworden ist. Prominente Beispiele sind Apollo Global Management, RedBird Capital und Solamere Capital, die jeweils in 2020 eine SPAC in signifikantem Umfang aufgesetzt haben. Die SPAC bietet den Sponsoren (und Investoren) eine Reihe von Vorteilen gegenüber klassischen Investment-Strukturen, die auch für Private Equity Fonds interessant und nutzbar sind. Dies gilt nicht nur für die globalen Akteure der Private Equity Welt, sondern gerade auch für kleinere und mittelgroße Fonds mit Fokus auf den deutschen Markt.
- SPAC Strukturen bieten Private Equity Fonds einen direkten Zugang zum Kapitalmarkt und können damit eine sinnvolle Ergänzung oder Alternative zu traditionellen Fundraising Prozessen sein.
- Die potentiell breitere Basis an verfügbarem Eigenkapital ermöglicht Investitionen in größere Zielgesellschaften und kann gerade kleineren und mittelgroßen Fonds helfen, neue Märkte und Investitionsziele zu erschließen. Sofern die Fonds-Statuten Beschränkungen im Hinblick auf bestimmte Industrien oder bestimmte Zielgesellschaften enthalten, finden diese auf die SPAC ggf. keine Anwendung. Auch insoweit kann die SPAC zu einer Erweiterung möglicher Investitionsziele beitragen.
- Als Sponsor partizipiert der Private Equity Fonds über die im Rahmen einer gesonderten Privatplatzierung vor IPO zu günstigen Konditionen erworbenen Anteile (Founder Shares) und Optionsscheine (Founder Warrants), die im Ergebnis eine Eigenkapitalposition von mindestens 20 Prozent an der Zielgesellschaft sichern, überproportional an einer erfolgreichen Transaktion und einer positiven Entwicklung des Zielunternehmens.
- Diese Vorteile können (überproportional) mit dem Fonds Management, dem Management der Zielgesellschaft und anderen Stakeholdern geteilt werden, was die Handlungs- und Abschlussfähigkeit signifikant erhöhen kann (getting the deal done).
- Die SPAC kann als Vehikel für Co-Investments eingesetzt werden und damit den Fremdkapitalanteil im Gesamtinvestment reduzieren.
- Das Risiko für den Private Equity Fonds als Sponsor ist in der Frühphase des Investments (Pre-Acquisition) wegen der Rückzahlbarkeit der treuhänderisch gehaltenen Einlagen bei Scheitern in der Praxis überschaubar.
- Am Ende des Lebenszyklus eines Investments kann die SPAC den Exit für Sponsoren / Private Equity Fonds erheblich vereinfachen, da die Liquidität der Aktien mit Blick auf die bestehende Börsennotierung bereits gesichert ist.
SPAC als neue Exit Option für Private Equity
Eine weitere zentrale Perspektive auf die SPAC ist die der Portfolio Unternehmen und ihrer Private Equity Gesellschafter. Auch hier zeigt ein Blick auf die US-Praxis, dass der Börsengang über eine SPAC gerade für Unternehmen in den Portfolios namhafter Private Equity Fonds eine attraktive Option sein kann. Prominentes Beispiel hierfür ist der Erwerb von Advantage Solutions, ein vormals von CVC Capital Partners, Bain Capital und Leonard Green & Partners gehaltenes Unternehmen, durch eine von Centerview Partners aufgesetzte SPAC. Auch insoweit gilt, dass diese Exit Option gerade für kleine und mittlere Private Equity Fonds mit einem Fokus auf den deutschen Markt von erheblichem Interesse ist.
- Das verstärkte Aufkommen von SPAC Strukturen auch im deutschen Markt wird für eine große Zahl potentieller Erwerbsinteressanten und damit einer signifikanten Verstärkung auf der Nachfrageseite sorgen.
- Private Equity gestützte Unternehmen gelten generell als professionell geführt sowie strukturell optimiert und sind damit für die SPAC und deren Investoren besonders attraktiv. Gerade mit Blick auf bestehende Corporate Governance Strukturen und allgemeine Börsenreife steht Private Equity als Qualitätsmerkmal, das sich im Verkaufsprozess mit der SPAC vermarkten lässt.
- Sofern im Zuge der Transaktion Aktien an der SPAC als Gegenleistung gewährt werden, ist die Liquidität mit Blick auf die bestehende Notierung gesichert.
- Aus Sicht des Zielunternehmens und seiner Gesellschafter stellt sich die SPAC Transaction – auch vor dem Hintergrund gewährter Founder Shares und Founder Warrants – als kostengünstige Alternative zu einem klassischen Börsengang dar.
Überblick SPAC IPO
Grundsätzlich kann die Zulassung des SPAC-Mantels an allen deutschen Wertpapierbörsen erfolgen, wobei auch ein Listing im Freiverkehr nicht per se ausgeschlossen ist. Für eine Zulassung zum regulierten Markt bedarf es - wie bei einem klassischen IPO - auch bei einer SPAC eines Wertpapierprospektes, gleich, ob die Anteile im Wege eines öffentlichen Angebots oder einer reinen Privatplatzierung ausgegeben werden.
Zulassungspraxis der Deutschen Börse
In Fällen der Zulassung zum regulierten Markt sind die Börsen - anders als bei einer Notierung lediglich im privatrechtlich organisierten Freiverkehr - an gesetzliche Zulassungsvoraussetzungen gebunden. Wesentliche gesetzliche Zulassungsvoraussetzung zum regulierten Markt ist zwar, dass der Emittent der zuzulassenden Anteile mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden und seine Jahresabschlüsse für die drei dem Antrag vorangegangenen Geschäftsjahre entsprechend den hierfür geltenden Vorschriften offengelegt haben muss, in der Praxis lässt die Deutsche Börse in Ausübung des ihr vom Gesetzgeber eingeräumtem Ermessen aber auch Anteile einer SPAC, die noch nicht drei Jahre als Unternehmen besteht, dann zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard/General Standard) zu, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der Emissionserlös ist auf ein verzinsliches Treuhandkonto einzuzahlen.
- Der Verwendungszweck des Emissionserlöses wird im Wertpapierprospekt detailliert dargestellt.
- Die SPAC weist nach, dass die Gesellschaft zeitlich befristet ist und im Falle ihrer Auflösung das Treuhandvermögen an die Anleger ausgeschüttet wird und sichergestellt ist, dass die Gesellschafter mit einer Mehrheit von mindestens 50 Prozent über die Verwendung des Treuhandvermögens entscheiden.
Diese besonderen Voraussetzungen sind demnach neben den allgemeinen Anforderungen für ein Listing im regulierten Markt (z.B. bestimmte Marktkapitalisierung, Mindeststückzahl der auszugebenden Anteile, Mindest-Freefloat) bei der Erstellung des Wertpapierprospektes zu beachten. Die Details sollten im Vorfeld der Antragstellung stets mit der Börse abgestimmt werden.
Ausgestaltung der Anteile der SPAC - Kombination von Shares und Warrants
Bei der Auflage einer SPAC werden anfänglich miteinander verknüpfte Verbundwertpapiere (sog. Units) begeben, die aus einer Stammaktie (Public Shares) und einem Optionsrecht oder eines Teils hiervon (Public Warrant) bestehen, die zum Bezug weiterer SPAC-Aktien berechtigen. In der deutschen AG oder SE ist die Begebung solcher naked warrants allerdings rechtlich nicht möglich, so dass auch vor diesem Hintergrund SPACs regelmäßig als nach Luxemburger Recht gegründete SEs aufgesetzt werden. Dies steht einem Listing der nach ausländischem Recht gegründeten Recht gegründeten Gesellschaft an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht entgegen.
Die Public Shares und die Public Warrants werden nach dem IPO als getrennte Wertpapiere bei Clearstream girosammelverwahrt und können separat an der Börse gehandelt werden. Daneben erhalten auch die Sponsoren Anteile an der SPAC, nämlich Founder Shares und Founder Warrants (sog. Sponsors Promote), die allerdings nicht zum Börsenhandel zugelassen werden und nach Vollzug des erfolgreichen Unternehmenszusammenschlusses in reguläre, öffentliche Aktien der SPAC umgewandelt werden können. Durch die ausgegebenen Instrumente wird regelmäßig sichergestellt, dass die Sponsoren nach Abschluss der Transaktion und Durchführung der Umwandlung der Founders Shares in öffentliche Aktien eine Beteiligung von mindestens 20 Prozent an der Zielgesellschaft halten.
Opt-out und Liquidation
Schließlich sieht der Wertpapierprospekt regelmäßig die Möglichkeit vor, dass die Anleger die Einziehung ihrer Anteile verlangen können, wenn die Hauptversammlung die Zustimmung zur Durchführung der Transaktion erteilt hat (sog. Opt-out), d.h. die Anteilseigner können sich ihre Einlage wirtschaftlich wieder ausbezahlen lassen. Oft hängt die Durchführung der Transaktion zudem davon ab, dass der Anteil der Aktionäre, die das Recht zum Opt-out wahrnehmen, eine bestimmte Schwelle (regelmäßig 20 bis 30 Prozent) nicht überschreitet. Wenn innerhalb der vorgegebenen Frist eine Transaktion nicht erfolgt, wird die SPAC liquidiert, so dass die Anleger auch in diesem Fall ihre Einlage zurückerhalten.