28.11.2023Fachbeitrag

Zukunftsfinanzierungsgesetz: Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen beschlossen

Der Bundestag hat das Zukunftsfinanzierungsgesetz am 17. November 2023 beschlossen und der Bundesrat hat dem Gesetz am 24. November 2023 zugestimmt. Eine Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt sollte zeitnah erfolgen. Einer Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen aufgrund der Neuregelung des § 19a Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem 1. Januar 2024 steht somit nichts mehr im Wege.

Während Teile der Start-up-Szene die Neuregelung als Revolution feiern, sind andere eher zurückhaltend. Fakt ist, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen verbessert wurden: Die Dry Income-Problematik kann nunmehr in einer Vielzahl von Fällen vermieden werden und Mitarbeiter können bei einer späteren Anteilsveräußerung (Exit) zum Teil von der günstigeren Besteuerung als Kapitaleinkünfte profitieren. Die gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen bleiben dagegen unverändert.

Änderungen im Vergleich zum Regierungsentwurf

Die vom Bundestag beschlossene Fassung des § 19a EStG enthält in großen Teilen die Regelungen, die bereits im Regierungsentwurf, zu dem wir in unserem Beitrag vom 24. August 2023 berichtet haben, enthalten waren. Im Vergleich zum Regierungsentwurf haben sich folgende Änderungen ergeben:

  • Anpassung der sog. Realisierungstatbestände – Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums nicht auf 20 Jahre, sondern nur auf 15 Jahre:

Als größte Hürde für die Anwendung des § 19a EStG in seiner noch aktuellen Fassung erweisen sich die sog. Realisierungstatbestände, die dazu führen, dass es unabhängig von einer Weiterveräußerung zur nachgelagerten Besteuerung kommt, wenn seit der Übernahme der Anteile mehr als 12 Jahre vergangen sind oder das Dienst- oder Arbeitsverhältnis endet. Diese Realisierungstatbestände haben letztlich dazu geführt, dass die Regelung des § 19a EStG in der Praxis bislang keine Rolle spielte. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz wird hier nun Abhilfe schaffen. Allerdings wird der maßgebliche Zeitraum nicht – wie noch im Regierungsentwurf vorgesehen – auf 20 Jahre, sondern nur auf 15 Jahre (also lediglich um drei statt acht Jahre) verlängert.

  • Erweiterung der Beteiligungsformen – Entfall der Konzernklausel:

Als Hindernis für die Nutzung des § 19a EStG in der derzeitigen Fassung erweist sich zudem oft, dass die Beteiligung nicht an der Gesellschaft gewährt werden soll, mit der das Arbeitsverhältnis besteht, sondern z. B. an der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe. Häufig soll die Beteiligung auch durch einen Gesellschafter des Arbeitgebers gewährt werden. Während im Regierungsentwurf noch beiden Fällen Rechnung getragen wurde, ist nunmehr nur noch der Fall, dass die Beteiligung durch einen Gesellschafter des Arbeitgebers gewährt wird, abgebildet. Die sog. Konzernklausel wurde dagegen durch den Finanzausschuss ersatzlos gestrichen, so dass für die Gewährung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften als dem Arbeitgeber der Anwendungsbereich des § 19a EStG auch zukünftig nicht eröffnet sein wird.

  • Einfügung einer sog. Zuflussfiktion:

Aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses wurde in § 19a Abs. 1 EStG eingefügt: „Ein Vorteil im Sinne des Satz 1 gilt in diesem Fall auch dann als zugeflossen, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen.“ Demnach sollen vinkulierte Anteile, bei denen gesellschaftsvertraglich Verfügungsbeschränkungen gelten, im Zeitpunkt der Gewährung der Anteile als zugeflossen gelten, um technisch den Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG zu ermöglichen. Hierbei kann es sich aber allenfalls um eine Klarstellung handeln. Ein Gleichlauf des Zeitpunkts des – bei der Übertragung von vinkulierten Anteilen unzweifelhaft gegebenen – Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums mit dem des lohnsteuerlich relevanten Zuflusses folgt in aller Regel schon aus allgemeinen steuerlichen Grundsätzen. Ausweislich des Berichts des Finanzausschusses (Drucksache 20/9363) nimmt dieser zwar an, dass bei vinkulierten Anteilen „nach ständiger Rechtsprechung und auch nach Auffassung der Verwaltung erst zum Zeitpunkt der Zustimmung der Gesellschaft in Bezug auf die Übertragung ein steuerlicher Lohnzufluss vor[liegt]“. Diese Annahme ist aber unzutreffend. Aufgrund der (unzutreffenden) Gesetzesbegründung ist nun zu befürchten, dass dies von einzelnen Finanzämtern dennoch aufgegriffen wird, was bei Mitarbeiter- und Managementbeteiligungen außerhalb des neuen § 19a EStG zu erheblichen Unsicherheiten führen kann.

Anwendungsbereich & Anwendung

Ab dem 1. Januar 2024 eröffnet der neue § 19a EStG den folgenden Anwendungsbereich für Mitarbeiterbeteiligungen:

Arbeitnehmern können nach Maßgabe des § 19a EStG durch den Arbeitgeber oder einem Gesellschafter des Arbeitgebers (echte) Geschäftsanteile unentgeltlich oder verbilligt gewährt werden (d.h. entweder kann der Arbeitnehmer neue Geschäftsanteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung übernehmen oder der Arbeitgeber bzw. ein Gesellschafter des Arbeitgebers kann bestehende (eigene) Geschäftsanteile an den Arbeitnehmer übertragen) ohne dabei eine Dry Income-Besteuerung auszulösen.

§ 19a EStG ist auch dann anwendbar, wenn die Geschäftsanteile nicht dem Arbeitnehmer direkt, sondern mittelbar über eine Personengesellschaft gewährt werden. Nicht erfasst ist aber die mittelbare Gewährung über eine Kapitalgesellschaft, wie beispielsweise eine von dem Arbeitnehmer gehaltene UG (haftungsbeschränkt). Damit kann die Vergünstigung des § 19a EStG nicht mit dem weit verbreiteten Holdingmodell kombiniert werden.

§ 19a Abs. 1 EStG kann nach den nun neu gefassten Voraussetzungen zudem nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Gewährung der Geschäftsanteile oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre die folgenden Schwellenwerte nicht überschritten hat:

  • 1.000 beschäftigte Personen,
  • 100 Millionen Euro Jahresumsatz und
  • 86 Millionen Euro Jahresbilanzsumme.

Hinzukommt, dass die Gründung des Arbeitgebers nicht mehr als 20 Jahre zurückliegen darf.

Erfüllt der Arbeitgeber diese Voraussetzungen, kommt es im Zeitpunkt der Gewährung der Geschäftsanteile an den Arbeitnehmer zwar unverändert zum lohnsteuerlichen Zufluss (siehe oben). Dieser führt aber nach der Regelung des § 19a Abs. 1 EStG nicht zu einer Besteuerung im Kalenderjahr der Übertragung. Vielmehr wird die Besteuerung aufgeschoben. Von diesem Besteuerungsaufschub nicht umfasst sind allerdings Sozialversicherungsbeiträge. Die Anregung des Bundesrates, eine entsprechende Regelung auch für Sozialversicherungsbeiträge aufzunehmen, hat es nicht ins Gesetz geschafft.

Gemäß § 19a Abs. 4 EStG unterliegt der nicht besteuerte Lohn erst dann der Besteuerung, wenn

  • die gewährten Geschäftsanteile ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden,
  • seit der Gewährung der Geschäftsanteile 15 Jahre vergangen sind oder
  • das Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird.

Sind mehr als 15 Jahre vergangen oder wird das Dienst- oder Arbeitsverhältnis beendet, kommt es aber dennoch nicht zur Besteuerung, wenn der Arbeitgeber spätestens mit der dem betreffenden Ereignis (Ablauf von 15 Jahren nach Gewährung oder Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses) folgenden Lohnsteuer-Anmeldung unwiderruflich erklärt, bei einer Übertragung der gewährten Geschäftsanteile für die betreffende Lohnsteuer zu haften (§ 19a Abs. 4a EStG). Damit wird zukünftig für viele Fälle das Problem der Besteuerung von Dry Income gelöst. Der die Haftung tragende Arbeitgeber muss diese drohende Verbindlichkeit aber wirtschaftlich tragen (wollen) und dann ggf. auch passivieren (müssen), auch wenn gesetzliche oder vertragliche Rückgriffsansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer bestehen.

Gelöst wird auch der Fall, dass bei Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer bei einem Rückerwerb der gewährten Geschäftsanteile durch den Arbeitgeber oder einen Gesellschafter des Arbeitgebers (Ausübung der Call Option bei einem vereinbarten Reverse Vesting) häufig ein unter dem gemeinen Wert der Anteile liegender Kaufpreis gezahlt wird. Zukünftig tritt an die Stelle des für die Besteuerung eigentlich maßgeblichen gemeinen Werts der Geschäftsanteile die vom Arbeitgeber oder einem Gesellschafter des Arbeitgebers gezahlte Vergütung. Bei einem Rückkauf der Geschäftsanteile wird der Besteuerung also höchstens der im Zuge des Rückkaufs gezahlte Kaufpreis zugrunde gelegt. Damit wird das bisher insbesondere in Leaver-Fällen bestehende Risiko einer Besteuerung von nicht realisierten Werten beseitigt.

Nach der Gewährung der Geschäftsanteile hat der Arbeitgeber bei dem für den Arbeitgeber zuständigen Betriebsstättenfinanzamt im Rahmen einer Lohnsteueranrufungsauskunft den nicht besteuerten Vorteil bestätigen zu lassen. Der Arbeitgeber muss hierfür dem Betriebsstättenfinanzamt den Wert der gewährten Geschäftsanteile im Zeitpunkt der Gewährung an den Arbeitnehmer derart mitteilen, dass dieses den aufgrund der Gewährung dem Arbeitnehmer zugeflossenen geldwerten Vorteil bestätigt. Dies dürfte dazu führen, dass – sofern keine andere Bewertung (z. B. durch eine Finanzierungsrunde) vorliegt – Bewertungsgutachten vorgelegt werden müssen. Hier wäre eine Lösung wünschenswert gewesen, die dem Arbeitgeber und den begünstigten Arbeitnehmern vorab und verbindlich Rechtssicherheit bietet.

Auch wenn die sog. ESOPs häufig als der Anwendungsfall des neuen § 19a EStG genannt werden, ist dies eigentlich unzutreffend. Der Begriff ESOP wird zwar für unterschiedliche Fälle verwandt. ESOP steht aber für Employee Share Option Programs und damit für Beteiligungsprogramme, bei denen Arbeitnehmern Optionen auf Geschäftsanteile gewährt werden. Der § 19a EStG käme bei solchen Programmen erst dann zum Tragen, wenn die Option ausgeübt wird und die Geschäftsanteile übertragen bzw. neu (üblicherweise aus einem genehmigten Kapital) geschaffen und durch den Arbeitnehmer übernommen werden. Insbesondere wenn das ESOP so – wie üblich – ausgestaltet ist, dass die Option erst im Exit-Fall ausgeübt werden kann, bietet der neue § 19a EStG daher keinerlei Vorteil.

Fazit & Ausblick

Es wird sich noch zeigen müssen, inwieweit das Start-up Ökosystem von dem neuen § 19a EStG Gebrauch machen wird. Bei aller Euphorie über die Lösung der Dry Income-Thematik für die Lohnsteuer darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass sich durch die Gewährung der Anteile auch für die bestehenden Gesellschafter steuerliche Folgen ergeben können.

Unseres Erachtens sind die Änderungen durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz zwar im Ergebnis zu begrüßen, sollten aber nur einen Zwischenschritt darstellen. Insbesondere angesichts des internationalen Wettbewerbs um Talente wäre es beispielsweise begrüßenswert gewesen, wenn die ursprünglich im Referentenentwurf vorgesehene Pauschalbesteuerung beibehalten worden und auch nicht auf die Gewährung echter Anteile beschränkt geblieben wäre, sondern auch die Besteuerung von virtuellen Anteilen umfasst hätte.

Mit der Neuregelung des § 19a EStG ist jedenfalls eine praxistaugliche Taste auf der Klaviatur der Mitarbeiterbeteiligungsformen neben VSOP, ESOP, Hurdle Shares etc. hinzugekommen, die gespielt werden kann.

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