08.04.2025Fachbeitrag

Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 27.05.2024 zum übernahmerechtlichen Squeeze-out nach § 39a WpÜG

Zentrale Fragen im Zusammenhang mit dem übernahmerechtlichen Squeeze-out geklärt

In seinem Beschluss vom 27. Mai 2024 hat der Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt mehrere zentrale Fragen im Zusammenhang mit dem übernahmerechtlichen Squeeze-out nach § 39a WpÜG geklärt.

Hintergrund

Gemäß § 39a WpÜG kann ein Bieter, dem nach einem Übernahmeangebot mindestens 95 % der Aktien der Zielgesellschaft gehören, beantragen, dass ihm die übrigen Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung durch Gerichtsbeschluss übertragen werden. Die im Rahmen des Übernahmeangebots angebotene Gegenleistung ist dabei als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf Grund des Angebots mindestens 90 % der Aktien der Zielgesellschaft erworben hat.

Im Fall des OLG Frankfurt hatte der Bieter den Erwerb von nahezu 90 % der Aktien an der Zielgesellschaft vereinbart und taggleich ein Übernahmeangebot für diese angekündigt. Durch den Paketerwerb und die Annahmequote des Übernahmeangebots erwarb die Antragstellerin insgesamt ca. 95,5 % an der Zielgesellschaft. Bevor das Übernahmeangebot vollzogen wurde (was sich aufgrund erforderlicher regulatorischer Freigaben verzögerte), stellte die Antragstellerin beim LG Frankfurt den Antrag, die Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe der Angebotsgegenleistung auszuschließen.

Kernpunkte des Urteils

  1. Vorerwerbe werden in die 95 %-Schwelle einbezogen: Das OLG Frankfurt stellte klar, dass auch Vorerwerbe, wie Paketerwerbe von Großaktionären, die vor der Veröffentlichung des Übernahmeangebots vereinbart werden, in die Berechnung der 95 %-Schwelle des § 39a Abs. 1 WpÜG einbezogen werden können. Dies steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung, die explizit das Erreichen der erforderlichen Schwellenwerte durch Transaktionen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Angebot zulässt.
  2. Antragstellung vor Vollzug möglich: Das Gericht bestätigte, dass ein Bieter den Antrag auf Ausschluss der Minderheitsaktionäre bereits stellen kann, wenn feststeht, dass bei einem späteren Vollzug des Übernahmeangebots die erforderliche 95 %-Schwelle erreicht wird (§ 39a Abs. 4 Satz 2 WpÜG). Dies ist relevant, wenn der Vollzug des Übernahmeangebots aufgrund regulatorischer Freigaben erst zeitlich verzögert erfolgen kann.
  3. Strenge Kausalität für die Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG: Das OLG Frankfurt stellt sich auf den Standpunkt, dass für die Anwendung der Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG eine strenge kausale Verknüpfung zwischen dem Übernahmeangebot und dem Erreichen der 90 %-Schwelle erforderlich ist. Aus diesem enge Verständnis folgt, dass nur solche Aktienerwerbe erfasst werden, die zu den Bedingungen des Angebots und nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage erfolgen. Während Andienungsvereinbarungen (Tender Committments) zu berücksichtigen seien, gelte dies für Vorerwerbe (selbst am Tag der Angebotsankündigung) nicht.
  4. Bestimmung der angemessenen Abfindung: Obwohl das Übernahmeangebot den „Markttest“ nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall nicht bestanden hat, erachtete das Gericht die auf Basis des Börsenkurses und des Vorerwerbspreises festgesetzte Abfindung als angemessen. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen sah das Gericht nicht als erforderlich an. Dies reiht sich in die neuere Rechtsprechung ein, die die Bedeutung des Börsenkurses für die Abfindung stärkt.

Praxisfolgen

Das Urteil des OLG Frankfurt erhöht die Rechtssicherheit im übernahmerechtlichen Squeeze-out und klärt mehrere bislang umstrittene Fragen. Insbesondere die Einbeziehung von Vorerwerben in die 95 %-Schwelle und die strenge Kausalitätsanforderung für die Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs 3 Satz 3 WpÜG sind praxisrelevant. Trotz der Klarstellungen bleibt der übernahmerechtliche Squeeze-out aufgrund der hohen Anforderungen an die 95 %-Schwelle und der potenziellen Komplexität der Verfahren eine seltene Maßnahme. Dennoch bietet das Urteil wertvolle Orientierung für die Strukturierung von Übernahmeprozessen und den Ausschluss von Minderheitsaktionären.

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