Genussrechte für die Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups – Eine echte Alternative zum VSOP?
I. Einleitung
Die Incentivierung von Mitarbeitern spielt gerade bei Start-ups eine wichtige Rolle. Der Gesetzgeber hat mit der zum 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Neuregelung des § 19a EStG zwar eine praxistaugliche Taste auf der Klaviatur der Mitarbeiterbeteiligungsformen neben VSOPs (Virtual Share Option Programs), ESOPs (Employee Share Option Programs), Hurdle Shares etc. hinzugefügt.
In der Praxis wird eine Beteiligung unter Anwendung des § 19a EStG aber insbesondere als Beteiligungsform für die (zusätzliche) Beteiligung von Gründern und Mitgliedern des C-Level Managements und nicht für die Beteiligung (einer Vielzahl) von Mitarbeitern in Betracht gezogen. Grund hierfür ist insbesondere der – jedenfalls im Vergleich zu VSOPs – höhere Aufwand (Berücksichtigung in der Gesellschaftervereinbarung, notarielle Beurkundungserfordernisse, Einholung einer Lohnsteueranrufungsauskunft). Aktuell sieht man in der Praxis daher nach wie vor für die Beteiligung (einer Vielzahl) von Mitarbeitern das VSOP als gängigstes Mitarbeiterbeteiligungsmodell, wobei für das VSOP aus Sicht der Start-ups zumeist das Folgende spricht:
- Für die Gewährung ist lediglich der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages zwischen dem Begünstigten und der Gesellschaft erforderlich. Beurkundungserfordernisse bestehen nicht.
- Virtuelle Optionen gewähren grundsätzlich keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Teilnahmerechte an oder Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen.
Das VSOP hat aber einen wesentlichen Nachteil: Für die Begünstigten handelt es sich bei der Zahlung der Erlösbeteiligung im Falle eines Exits um eine Art Bonuszahlung, die zu voll steuerpflichtigen (Lohn-)Einkünften führt. Zu einer Besteuerung kommt es zwar erst im Zeitpunkt der Auszahlung (Vermeidung der sog. Dry Income-Thematik), also in der Regel im Fall eines Exits. Der auszuzahlende Betrag unterliegt aber in voller Höhe der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz des Begünstigten, der bis zu 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) betragen kann.
Damit liegt der steuerliche Nachteil der virtuellen Beteiligungsmodelle gegenüber den echten Beteiligungsmodellen auf der Hand: Im Fall einer echten Beteiligung kommt der Begünstigte in den Genuss der privilegierten Besteuerung der bei Eintritt eines Exits erzielten Erlöse als Kapitaleinkünfte, also in der Regel der Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag). Dennoch stand der Gewährung einer echten Beteiligung bislang die oben schon erwähnte Dry Income-Thematik entgegen, also die (Lohn-)Versteuerung der Gewährung einer echten Beteiligung als geldwerter Vorteil, ohne dass dem Begünstigten Liquidität zur Begleichung der Steuer zufließt. Unter Anwendung des neugeregelten § 19a EStG kann nunmehr seit dem 1. Januar 2024 diese Thematik vermieden werden.
II. Besteuerungsaufschub durch Anwendung des § 19a EStG
§ 19a Abs. 1 EStG kann zur Anwendung kommen, wenn das Start-up (der Arbeitgeber) im Zeitpunkt der Gewährung der Vermögensbeteiligung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre die folgenden Schwellenwerte nicht überschritten hat:
Hinzu kommt, dass die Gründung des Start-ups nicht mehr als 20 Jahre zurückliegen darf.
Arbeitnehmern können nach Maßgabe des § 19a EStG durch den Arbeitgeber oder einem Gesellschafter des Arbeitgebers eine echte Beteiligung unentgeltlich oder verbilligt gewährt werden (d. h. entweder kann der Arbeitnehmer neue Geschäftsanteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung übernehmen oder der Arbeitgeber bzw. ein Gesellschafter des Arbeitgebers kann bestehende (eigene) Geschäftsanteile an den Arbeitnehmer übertragen) ohne dabei eine Dry Income-Besteuerung auszulösen. Es kommt im Zeitpunkt der Gewährung der Geschäftsanteile an den Arbeitnehmer zwar unverändert zum lohnsteuerlichen Zufluss. Dieser führt aber nach der Regelung des § 19a Abs. 1 EStG nicht zu einer Besteuerung im Kalenderjahr der Gewährung. Vielmehr wird die Besteuerung aufgeschoben.
Der nicht besteuerte Arbeitslohn unterliegt gemäß § 19a Abs. 4 EStG erst dann der Besteuerung nach § 19 EStG und dem Lohnsteuerabzug als sonstiger Bezug, wenn
- die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird,
- seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung 15 Jahre vergangen sind oder
- das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird. Übernimmt der Arbeitgeber in diesem Fall die Lohnsteuer, ist der übernommene Abzugsbetrag allerdings nicht Teil des zu besteuernden Arbeitslohns.
Wie schön wäre es also, wenn man die Vorteile der virtuellen und echten Beteiligungsmodelle unter Anwendung des § 19a EStG kombinieren könnte – the best of both worlds sozusagen? Und hier kommen nun die Genussrechte (Profit Participation Rights (PPRs)) ins Spiel. Aus steuerlicher Sicht sind Genussrechte deshalb attraktiv, weil sie ebenso wie eine echte Beteiligung zu Kapitaleinkünften führen, d. h. Rückzahlungen und Veräußerungsgewinne unterliegen in der Regel der Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag).
§ 19a EStG findet Anwendung auf „Vermögensbeteiligungen im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a, b und f bis l und Absatz 2 bis 5 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes“ und hierzu können neben Aktien und Geschäftsanteilen auch Genussrechte zählen.
III. Was sind Genussrechte?
Genussrechte sind gesetzlich nicht geregelt, ihre Existenz wird aber in verschiedenen gesetzlichen Regelungen vorausgesetzt, z. B. dem Aktiengesetz (§ 221 Abs. 3 und 4 AktG), dem Umwandlungsgesetz (§ 23 UmwG) oder eben dem Fünften Vermögensbildungsgesetz (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe l 5. VermBG). Genussrechte sind schuldrechtliche Gläubigerrechte, die inhaltlich Vermögensrechte zum Gegenstand haben, wie sie typischerweise Gesellschaftern einer GmbH zustehen, ohne jedoch eine mitgliedschaftliche Beteiligung zu vermitteln. Genussrechte können vielfältig ausgestaltet sein. Das klassische Verständnis von Genussrechten zur Nutzung für Mitarbeiterbeteiligungen ist das Folgende: Bei einem Genussrecht als Mitarbeiterbeteiligung verpflichtet sich der Mitarbeiter, dem Arbeitgeber für eine bestimmte Laufzeit Kapital zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug erhält der Arbeitnehmer eine Beteiligung an dem unternehmerischen Erfolg des Arbeitgebers. Am Ende der Laufzeit des Genussrechts hat der Mitarbeiter Anspruch auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals, sofern keine Verlustbeteiligung vereinbart wurde.
Dieses klassische Verständnis lässt sich gedanklich zunächst nur schwer mit Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups zusammenbringen. Dies ist der Fall, weil bei Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups nicht gewünscht ist, dass der Mitarbeiter dem Start-up tatsächlich Kapital zur Verfügung stellt. Im Gegenteil soll die Mitarbeiterbeteiligung zumeist die im Start-up-Bereich – im Vergleich zu etablierten Unternehmen – niedrigeren Gehälter ausgleichen. Des Weiteren ist auch keine Rückzahlung dieses Kapitals am Ende der Laufzeit, sondern eine Beteiligung an den Erlösen im Falle eines Exits gewünscht. Bei der folgenden weiteren Betrachtung zeigt sich aber, dass wenn man sich von dem klassischen Verständnis löst und sich die wesentlichen Voraussetzungen für das Vorliegen von Genussrechten betrachtet, eine Verwendung von Genussrechten auch für die Mitarbeiterbeteiligungen an Start-ups durchaus in Frage kommt.
IV. Genussrechte bei Start-ups und § 19a EStG
Da es bei der Gewährung von Genussrechten im Start-up-Bereich darum geht, eine im Vergleich zum VSOP steuerlich attraktive Alternative zu finden, muss das Ziel sein, in den Anwendungsbereich des § 19a EStG zu gelangen. Nur dann lässt sich die sog. Dry Income-Thematik vermeiden.
Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die im 5. VermBG für Genussrechte vorgesehenen Bedingungen erfüllt werden, d. h.
- mit dem Genussrecht muss ein Recht am Gewinn des Unternehmens verbunden sein,
- der Begünstigte darf nicht die Stellung eines Mitunternehmers im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erhalten und
- es darf keine Rückzahlung des Genussrechts zum Nennwert vorgesehen werden.
Diese Eckpunkte sind bei aller Flexibilität, die bei der Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen besteht, zu berücksichtigen.
Gelingt dies und kommt man zu einer Anwendung von § 19a EStG, stellen sich die Besteuerungswirkungen wie folgt dar:
- Unternehmenswert bis zur Gewährung: steuerpflichtiger Arbeitslohn (bis 45 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)) und
- Wertzuwachs seit der Gewährung: privilegierte Besteuerung als Kapitaleinkünfte (25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag)).
Aktuell gibt es noch keine „Blaupause“ für die Gewährung von Genussrechten unter Anwendung des § 19a EStG. Entscheidet man sich für die Einführung eines auf Genussrechten basierenden Mitarbeiterbeteiligungsprogramms empfiehlt es sich (derzeit), die Anwendung des § 19a EStG mit dem zuständigen Finanzamt im Rahmen einer (gebührenfreien) Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) abzustimmen.
V. Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen
Dass es möglich ist, unter § 19a EStG fallende Genussrechte wie ein VSOP auszugestalten, zeigt ein Vergleich der wesentlichen Regelungen. Im Folgenden stellen wir die (vielen) Gemeinsamkeiten und (wenigen) Unterschiede dar.
1. Vertragsausgestaltung und Formerfordernisse
Für die Gewährung einer virtuellen Option ist lediglich der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages zwischen dem Begünstigten und dem Start-up erforderlich. Beurkundungserfordernisse bestehen nicht. In der Regel werden häufig Beteiligungsprogramme aufgesetzt, deren Bedingungen grundsätzlich für alle Begünstigten gelten. Die Gewährung erfolgt dann über gesonderte Schreiben an die einzelnen Begünstigten, die es grundsätzlich auch erlauben, einzelne Bedingungen gesondert festzulegen bzw. zu modifizieren.
Bei der individuellen Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen herrscht ebenfalls weitgehende Vertrags- und Gestaltungsfreiheit. Auch hier bestehen weder Beurkundungserfordernisse noch spricht etwas dagegen, die Genussrechtsbedingungen als Programm nebst individualisierten Gewährungsschreiben auszugestalten.
Werden die Genussrechtsbedingungen, wie die Regel, standardisiert, unterliegen sie – wie VSOPs – der AGB-Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB.
2. Begünstigte
VSOPs sehen oftmals vor, das virtuelle Optionen nicht nur an Arbeitnehmer des Start-ups, sondern auch an Berater, freie Mitarbeiter, Mitglieder des Beirats etc. gewährt werden können.
Die Gewährung von Genussrechten unter Anwendung des § 19a EStG kommt dagegen nur für die Gewährung an Arbeitnehmer des Start-ups in Betracht. Für Berater, freie Mitarbeiter, Mitglieder des Beirats etc. steht der Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG nicht zur Verfügung.
Auch kann die Gewährung nicht an eine Holdinggesellschaft des Arbeitnehmers erfolgen, was aber auch bei einem VSOP mangels Steuervorteils in aller Regel wenig Sinn macht.
Aktuell ist die Inanspruchnahme des Besteuerungsaufschubs nach § 19a EStG zudem nur möglich, wenn die Beteiligung das Unternehmen des Arbeitgebers betrifft. Mit dem Jahressteuergesetz 2024, dem der Bundestag am 18. Oktober 2024 zugestimmt hat und das am 22. November 2024 auf der Agenda im Bundesrat steht, ist gemäß dem aktuellen Gesetzentwurf mit der Einführung einer sogenannten Konzernklausel eine weitere wichtige Neuerung geplant. Damit soll künftig auch die Beteiligung an einem anderen Konzernunternehmen begünstigt werden, so dass Genussrechte ebenso wie virtuelle Optionen beispielsweise auch an der Muttergesellschaft der arbeitgebenden Gesellschaft gewährt werden können.
3. Gleichstellung mit Stammgeschäftsanteilen
Im Rahmen von VSOPs wird den Begünstigten jeweils eine bestimmte Anzahl an virtuellen Optionen gewährt. Üblicherweise entspricht eine virtuelle Option einem nicht-bevorrechtigten Stammgeschäftsanteil im Nennbetrag von EUR 1,00 (zum Teil wird auch ein anderer Umrechnungsfaktor gewählt) und ist damit grundsätzlich den von den Gründern gehaltenen Stammgeschäftsanteilen wirtschaftlich gleichgestellt.
Dies lässt sich im Ergebnis auch mit der Ausgabe von Genussrechten erzielen. Genussrechte können grundsätzlich zu einem beliebigen Nennwert ausgegeben werden. Dies erlaubt dementsprechend auch die Gleichstellung mit nicht-bevorrechtigten Stammgeschäftsanteilen im Nennbetrag von EUR 1,00, indem den Genussrechtsinhabern gemäß den Genussrechtsbedingungen eine vermögensmäßige Beteiligung derart gewährt wird, als wären sie mit einer entsprechenden Anzahl solcher Stammgeschäftsanteile beteiligt.
4. Verbilligte Ausgabe/Basispreis/Genussrechtskapital
Für virtuelle Optionen ist im Zeitpunkt ihrer Gewährung keine Gegenleistung zu zahlen. VSOPs sehen dagegen in aller Regel einen sog. Base Price (auch bspw. Strike Price genannt) vor. In der Anfangszeit des Start-ups beträgt dieser zumeist EUR 1,00 (entspricht also dem Nennbetrag pro Geschäftsanteil). In einer späteren Phase des Start-ups wird in aller Regel ein Base Price oberhalb von EUR 1,00 pro virtueller Option vereinbart. Der Base Price richtet sich häufig nach der Pre- oder Post-Money Bewertung der letzten Finanzierungsrunde vor Gewährung der virtuellen Optionen. Bei allen Beteiligungsmodellen geht es im Grundsatz darum, den Begünstigten an Wertsteigerungen des Start-ups, zu denen der Begünstigte (Mitarbeiter) aufgrund seiner Arbeitsleistung beigetragen hat, partizipieren zu lassen. Dies wird in VSOPs über den Base Price abgebildet. Der Base Price ist von dem Begünstigten allerdings nicht zu zahlen, sondern wird im Fall eines Exits von der ihm pro virtueller Option zustehenden Erlösbeteiligung rechnerisch abgezogen.
Anders ist dies bei der Gewährung von Genussrechten. Genussrechte haben – vergleichbar einer echten Beteiligung – eine Finanzierungsfunktion, weshalb die Begünstigten zumindest einen bestimmten, wenn auch geringen Betrag an die Gesellschaft zu zahlen haben. Bisher gibt es keine einhellige Meinung, wie hoch dieser Betrag zu sein hat. Unseres Erachtens sollte ein Betrag ausreichend sein, der sich an der Stammkapitalziffer orientiert.
Die Differenz zwischen dem von dem Begünstigten geleisteten Betrag und dem tatsächlichen Wert der Genussrechte im Zeitpunkt der Gewährung stellt dann einen geldwerten Vorteil dar, der grundsätzlich – wie bei einer verbilligten Gewährung von echten Anteilen – im Zeitpunkt der Gewährung als Teil des Arbeitslohns zu versteuern wäre. Durch den Besteuerungsaufschub des § 19a EStG stellt sich allerdings die Dry Income-Thematik nicht.
Nach der Gewährung der Genussrechte sollte das Start-up bei dem für das Start-up zuständigen Betriebsstättenfinanzamt im Rahmen einer gebührenfreien Lohnsteueranrufungsauskunft (§ 42e EStG) den nicht besteuerten geldwerten Vorteil bestätigen lassen. Die Bestätigung der Höhe des nicht besteuerten Vorteils setzt voraus, dass – in der Regel durch den Arbeitgeber – sowohl der ermittelte Wert als auch Unterlagen zur Wertermittlung dem Betriebsstättenfinanzamt vorgelegt werden. Aufgabe des Betriebsstättenfinanzamts ist die Überprüfung, nicht jedoch die Ermittlung des zu bestätigenden Wertes.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der geldwerte Vorteil bei jeder Gewährung von Genussrechten zu bestimmen ist. Hier kann auf die einer Finanzierungsrunde oder einem Secondary zugrundeliegende Bewertung nur dann zurückgegriffen werden, wenn diese(r) weniger als 12 Monate zurückliegt (vgl. § 11 Abs. 2 BewG). Ansonsten kommen die Einholung eines Bewertungsgutachtens oder – unter bestimmten Umständen – eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren in Betracht (vgl. § 11 Abs. 2 BewG). Dies dürfte in der Praxis regelmäßig dazu führen, dass Genussrechte – anders als virtuelle Optionen – nur zu einem gewissen Turnus unter Berücksichtigung der dann jeweils gültigen Bewertung gewährt werden können.
5. Beteiligung an Exit-Erlösen
Virtuelle Optionen vermitteln einen schuldrechtlichen Anspruch der Begünstigten an den Exiterlösen, dabei wird der Begünstigte bei der Verteilung der Exiterlöse grundsätzlich einem Inhaber von nicht-bevorrechtigten Stammgeschäftsanteilen am Start-up gleichgestellt.
Genussrechte können unter anderem eine Teilhabe am sog. Liquidationserlös und den damit verbundenen stillen Reserven vermitteln. Für die Zwecke der Mitarbeiterbeteiligung im Start-up-Bereich kann ein Genussrecht daher auch für den Fall eines Exits eine vermögensmäßige Beteiligung des Begünstigten vorsehen, und zwar so, als wäre er mit einer bestimmten Anzahl nicht-bevorrechtigter Stammgeschäftsanteile an dem Start-up beteiligt.
Das Genussrecht wird in diesem Fall beendet oder ggf. verkauft. Neben dem geleisteten Genussrechtskapital erhält der Begünstigte dann eine Vergütung, die sich der Höhe nach an einer gedachten Beteiligung an der ausgebenden Gesellschaft orientiert. Im Ergebnis partizipieren die Begünstigten dann – ebenso wie im Fall eines VSOP – an der durch den Exiterlös realisierten Unternehmenswertsteigerung.
6. Beteiligung an Gewinnen
VSOPs sehen nur in wenigen Fällen eine Beteiligung der Begünstigten an etwaigen Gewinnausschüttungen vor.
Damit auf die Genussrechte § 19a EStG Anwendung finden kann, muss – wie sich aus § 2 Abs. 4 des 5. VermBG ergibt – mit ihnen hingegen „das Recht am Gewinn“ verbunden sein. Daher ist in den Genussrechtsbedingungen zwingend eine Beteiligung an den laufenden Gewinnen vorzusehen. Mangels absehbarer Gewinne ist dieses Kriterium für die meisten Start-ups zunächst nicht von Relevanz. Es darf aber nicht übersehen werden, dass vor einem Exit durchaus Gewinne erzielt werden können. Daher sollte in den Genussrechtsbedingungen schon antizipiert werden, unter welchen Voraussetzungen solche Ansprüche entstehen, wobei es sich anbietet, – wie bei einem VSOP mit Beteiligung an den laufenden Gewinnen – einen Gleichlauf mit den tatsächlichen Ausschüttungen herzustellen. Das BMF gibt in dem zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechten ergangenen Schreiben vom 11. April 2023 wichtige Hinweise, unter welchen Voraussetzungen diese Bedingung als erfüllt angesehen wird.
7. Vesting
In VSOPs sind standardmäßig sog. Vesting-Regelungen enthalten. Vesting-Regelungen dienen dazu, die Begünstigten an das Start-up zu binden und ihr Engagement sowie ihre Unternehmenstreue zu incentivieren, indem der teilweise oder vollständige Verfall von virtuellen Optionen für den Fall, dass ein Begünstigter nicht für eine bestimmte Mindestzeit für das Start-up tätig gewesen ist oder beispielsweise eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, vorgesehen wird.
Solche Vesting-Regelungen können auch in den Genussrechtsbedingungen abgebildet werden. Anders als bei einem VSOP und vergleichbar einer echten Beteiligung wird aber auch in Bad Leaver-Fällen zumindest das geleistete Genussrechtskapital (unter Berücksichtigung einer etwaigen Verlustbeteiligung) zurückzuzahlen sein.
Bei einem Rückerwerb der Vermögensbeteiligung durch den Arbeitgeber, einen Gesellschafter des Arbeitgebers oder ein Unternehmen i.S.d. § 18 AktG tritt dann für die Zwecke der Besteuerung an die Stelle des gemeinen Werts die vom Arbeitgeber, von einem Gesellschafter des Arbeitgebers oder einem Unternehmen i.S.d. § 18 AktG gewährte Vergütung (§ 19a Abs. 4 S. 4 2. HS EStG), so dass sich nachteilige steuerliche Folgen für den Arbeitnehmer vermeiden lassen.
Zudem sind spezifische Regelungen vorzusehen, die den Anforderungen des § 19a EStG Rechnung tragen. In Bezug auf die Genussrechte, die – entsprechend den Vesting-Regelungen – bei dem Begünstigten im Falle der Beendigung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses bei dem Begünstigten verbleiben, bietet es sich beispielsweise an, vorzusehen, dass das Start-up (der Arbeitgeber) gegenüber der Finanzverwaltung erklärt, für die einzubehaltende und abzuführende (Lohn-)Steuer zu haften. Hintergrund ist, dass sich nur dann die Besteuerung trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter aufschieben lässt (vgl. § 19a Abs. 4a EStG). Diese Erklärung des Arbeitgebers kann insoweit auch als Kern der Neuregelung des § 19a EStG angesehen werden, um die Dry Income-Thematik zu vermeiden.
8. Keine Gesellschafterrechte
Virtuelle Optionen gewähren grundsätzlich keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Teilnahmerechte an oder Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen.
Auch Genussrechte vermitteln, selbst wenn sie grundsätzlich flexibel ausgestaltbar sind, als solche keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Teilnahmerechte an oder Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen. Es können bestimmte Informationsrechte vorgesehen werden. Rechte, die aus einer mitgliedschaftlichen Stellung eines Gesellschafters folgen, können mit dem Genussrecht aber nicht eingeräumt werden, andernfalls könnte der Begünstigte eine schädliche Mitunternehmerinitiative entfalten, die zu der Annahme einer Mitunternehmerschaft und damit zur Nicht-Anwendbarkeit des § 19a EStG führen würde.
Wie oben dargestellt, darf gemäß 5. VermBG mit dem Genussrecht keine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG verbunden sein. Für die Mitunternehmerschaft ist maßgeblich, dass der Begünstigte sog. Mitunternehmerrisiko trägt und sog. Mitunternehmerinitiative entfalten kann, wobei beide Voraussetzungen grundsätzlich kumulativ vorliegen müssen, damit eine Mitunternehmerschaft bejaht wird.
Die Mitunternehmerinitiative liegt regelmäßig in der Ausübung von Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten. Werden dem Begünstigten aber keinerlei derartigen Rechte eingeräumt, kann dieser auch keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Damit wäre mit den Genussrechten auch keine Mitunternehmerschaft verbunden. Wichtig ist daher bei der Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen darauf zu achten, dass den Begünstigten keinerlei Rechte eingeräumt werden, die zur Annahme von Mitunternehmerinitiative führen. Die Einräumung von bloßen Informationsrechten ist hingegen grundsätzlich unschädlich.
9. Verwässerung
In VSOPs ist grundsätzlich vorgesehen, dass kein Verwässerungsschutz besteht. Die virtuellen Optionen werden bei künftigen Erhöhungen des Stammkapitals des Start-ups daher wirtschaftlich verwässert. Ausnahme ist hier lediglich die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bei der sich die Anzahl der virtuellen Optionen nach Durchführung der Kapitalerhöhung im gleichen Verhältnis wie das Stammkapital erhöht.
Dies gilt im Grundsatz entsprechend für Genussrechte. Ein etwaiger weiterer Verwässerungsschutz kann aber selbstverständlich sowohl in Bezug auf virtuelle Optionen als auch auf Genussrechte vertraglich vereinbart werden.
10. Ausschluss der Übertragbarkeit
Eine Übertragung der Genussrechte an Dritte wird grundsätzlich in den Genussrechtsbedingungen – wie auch üblicherweise in VSOPs – ausgeschlossen werden. Dies ist auch möglich, da ein Vorteil aus der verbilligten Übertragung von Vermögensbeteiligungen i.S.d. § 19a Abs. 1 S. 1 EStG auch dann als lohnsteuerlich zugeflossen gilt, wenn es dem Arbeitnehmer rechtlich unmöglich ist, über die Vermögensbeteiligung zu verfügen (§ 19a Abs. 1 S. 3 EStG, vgl. BMF-Schreiben vom 1. Juni 2024 (Lohnsteuerliche Behandlung der Überlassung bzw. Übertragung von Vermögensbeteiligungen ab 2024 (§ 3 Nummer 39, § 19a EStG)), Rn. 35.2).
11. Zustimmungserfordernisse
In Bezug auf VSOPs wird zumindest ein zustimmender Beschluss der Gesellschafterversammlung im Zuge der Implementierung des VSOPs eingeholt. Zumeist erfolgt die Zustimmung aber bereits im Zusammenhang mit einer Finanzierungsrunde, so dass das VSOP Teil der Vertragsdokumentation (üblicherweise der Gesellschaftervereinbarung) ist, in der auch die Anzahl an maximal zu gewährenden virtuellen Optionen und etwaige Zustimmungserfordernisse für die individuelle Gewährung an einzelne Begünstigte geregelt wird.
Umfassen Genussrechte auch Beteiligungsrechte an Gewinn und Liquidationserlös, werden hierdurch die Vermögensrechte der Gesellschafter beeinträchtigt. Daher sollte vor Ausgabe solcher Genussrechte ein Gesellschafterbeschluss mit satzungsändernder Mehrheit analog § 221 Abs. 1 AktG gefasst werden. Ob auch ein Bezugsrecht der Gesellschafter entsprechend § 221 Abs. 4 AktG besteht, ist streitig. Es empfiehlt sich aber, so wie auch bei VSOPs üblich, in einer Gesellschaftervereinbarung den Rahmen für die Gewährung von Genussrechten verbunden mit einem Verzicht auf Bezugsrechte zu regeln.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bis auf einige wenige Besonderheiten, auf die bei der Ausgestaltung der Genussrechtsbedingungen zu achten ist, diese grundsätzlich sehr ähnlich wie VSOPs ausgestaltet werden können.
VI. (Steuer)Bilanzielle Behandlung beim Arbeitgeber
Das BMF hat im Schreiben vom 11. April 2023 zur ertragsteuerlichen Behandlung von Genussrechten Stellung bezogen. Das Schreiben wird allerdings vielfach kritisiert und lässt einige Fragen offen. Auf Basis des Schreibens des BMF dürften die im Zuge einer Mitarbeiterbeteiligung entsprechend den vorstehenden Grundsätzen ausgegebenen Genussrechte in der Steuerbilanz des Arbeitgebers als Fremdkapital auszuweisen sein. Die erstmalige Passivierung sollte dann zum gemeinen Wert des ausgegebenen Genussrechts erfolgen und einen in Höhe des geldwerten Vorteils (d. h. abzüglich des geleisteten Genussrechtskapitals durch den Mitarbeiter) steuerlich abzugsfähigen Lohnaufwand darstellen. Bei der Ausgestaltung der Genussrechte ist insoweit zu berücksichtigen, dass eine Passivierung ausscheidet, wenn das Genussrecht für das Arbeitgeberunternehmen noch keine wirtschaftliche Belastung darstellt. Zur Vermeidung nachteiliger steuerlicher Auswirkungen auf den Arbeitgeber, sollte dies bei der Ausgestaltung der Bedingungen des Genussrechts nicht außer Acht gelassen werden.
VII. Vergleich zur Pooling-KG-Variante
Verschiedentlich wird in der Praxis die Anwendung des § 19a EStG mit dem Pooling-KG-Modell kombiniert. Die Begünstigten werden dann nicht direkt an dem Start-up, sondern über eine Pooling-KG gepoolt beteiligt, die wiederum an dem Start-up mit einer echten Beteiligung beteiligt ist.
Sowohl die Genussrechts- als auch die Pooling-KG-Variante (kombiniert mit einer echten Beteiligung) haben Vor- und Nachteile, die gegeneinander abzuwägen und zu besprechen sind, um die für den Einzelfall optimale Lösung zu finden.
Das Pooling-KG-Modell entspricht grundsätzlich eher dem gesetzlichen Leitbild und kann als eine übliche Struktur für Management- und Mitarbeiterbeteiligungen angesehen werden. Die Komplexität des KG-Vertrags ist aber nicht zu unterschätzen. Zudem entstehen laufende Kosten (Jahresabschlüsse, Steuererklärungen, weitere Administration) und es gibt einige rechtliche sowie steuerliche Fallstricke zu beachten (Vesting-Regelungen, Kostentragung, Halten eigener Anteile u. a.). Insbesondere kann auch in der Variante einer Pooling-KG eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung ratsam sein.
VIII. Fazit und Ausblick
Genussrechte bieten eine flexible und leicht zu administrierende Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung. Derzeit ist noch nicht ausgemacht, ob Genussrechte oder die Pooling-KG-Variante langfristig das bessere Modell für Mitarbeiterbeteiligungen sind.
Ob Mitarbeiterbeteiligungen unter Verwendung von Genussrechten i. V. m. der Anwendung von § 19a EStG sich in der Start-up-Szene etablieren können, wird insbesondere davon abhängen, wie die Finanzverwaltung mit diesem Instrument im Zusammenhang mit § 19a EStG umgehen wird.
Unseres Erachtens empfiehlt es sich, vor der erstmaligen Ausgabe der Genussrechte durch das Einholen einer Lohnsteueranrufungsauskunft die Abstimmung mit der Finanzverwaltung zu suchen, um sicherzustellen, dass die zu gewährenden Genussrechte auch tatsächlich in den Anwendungsbereich des § 19a EStG fallen. Eine weitere Lohnsteueranrufungsauskunft ist dann nach der Gewährung einzuholen, um den Ansatz des mit der Ausgabe der Genussrechte gewährten geldwerten Vorteils bestätigen zu lassen. Insbesondere diese aus unserer Sicht unerlässlichen Abstimmungen führen im Vergleich zur Gewährung von virtuellen Optionen zu einem höheren Aufwand und sind auch auf der Zeitschiene zu berücksichtigen.
Zudem wird sich noch zeigen müssen, wie insbesondere ausländische Mitarbeiter und Investoren damit umgehen, da Genussrechte international eher unbekannt sind und insbesondere für im Ausland ansässige Mitarbeiter ein weniger attraktives Modell sein kann.
Bei der Strukturierung von Mitarbeiterbeteiligungen sollten Genussrechte aber seit der Änderung des § 19a EStG immer mit in die Betrachtung einbezogen werden.