Hurdle Shares zur Incentivierung von Gründern und (leitenden) Mitarbeitern von Start-ups
I. Einleitung
Die Incentivierung von Gründern und (leitenden) Mitarbeitern spielt gerade bei Start-ups eine wichtige Rolle. Die klassischen echten und die virtuellen Beteiligungsmodelle erreichen aber nicht immer den gewünschten Incentivierungseffekt. Die klassischen echten Beteiligungsmodelle können unter Umständen sogar zu einem ungewollten sofortigen und steuerschädlichen Lohnzufluss führen, dem keine Zuführung von Liquidität gegenübersteht (sog. Dry Income).
Hurdle Shares (auch Growth Shares oder Zero Shares genannt) bieten hier eine attraktive Alternative zu den klassischen echten oder virtuellen Beteiligungsmodellen, auch wenn dies einen erhöhten Abstimmungsbedarf, insbesondere mit den Finanzbehörden, bedeutet.
Bei Hurdle Shares handelt es sich um Geschäftsanteile, die mit einer sog. negativen Liquidationspräferenz (vollständig: negative Liquidations-, Gewinn- und Erlöspräferenz ) in Höhe des Wertes pro Geschäftsanteil zum Ausgabe- bzw. Übertragungszeitpunkt (abzüglich des von dem Begünstigten regelmäßig zu erbringenden Nominalbetrages) versehen werden.
Steuerlich löst diese Ausgestaltung zunächst das Dry Income-Problem. Da die Begünstigten (nur) an den zukünftigen Wertsteigerungen beteiligt werden, führen Hurdle Shares im Zeitpunkt der Gewährung grundsätzlich nicht zu einem sofortigen steuerlich relevanten Lohnzufluss.
Zudem können künftige Wertsteigerungen, insbesondere Veräußerungsgewinne bei einem Exit, steuerlich begünstigt als Kapitaleinkünfte realisiert werden. Da es sich bei den Hurdle Shares um echte Beteiligungen handelt, werden aus der Beteiligung Kapitaleinkünfte erzielt, die dem sog. Abgeltungsteuersatz (25 % zzgl. Solidaritätszuschlag) unterliegen oder (bei Beteiligungen von mindestens 1 %) zu 40 % steuerfrei gestellt sind. Wird die Beteiligung über eine eigene Holdingsgesellschaft (bspw. eine UG oder GmbH) gehalten, können die Rückflüsse aus der Beteiligung unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu 95 % steuerfrei vereinnahmt werden. Gegenüber laufenden (Lohn-)Einkünften oder Erlösen aus einer virtuellen Beteiligung, die in voller Höhe der Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz (also unter Umständen bis zu 45 % zzgl. Solidaritätszuschlag) unterliegen, werden die aus Hurdle Shares erzielten Einkünfte damit wesentlich günstiger besteuert.
II. Typische Anwendungsfälle für Hurdle Shares
Die Gewährung von Hurdle Shares kommt insbesondere in den folgenden Konstellationen in Betracht:
1. (Weitere) Incentivierung der Gründer
Die Thematik der (weiteren) Incentivierung der Gründer trifft vor allem auf Start-ups zu, die schon längere Zeit am Markt sind und mehrere Finanzierungsrunden durchlaufen haben. Aufgrund der Finanzierungsrunden werden die Beteiligungen der Gründer über die Jahre hinweg üblicherweise stark verwässert, so dass sie in einem späteren Unternehmensstadium nur noch mit einem geringen Anteil am Stammkapital ihres eigenen Unternehmens beteiligt sind. In dieser Konstellation können weitere – als Hurdle Shares ausgestaltete – Geschäftsanteile zu nominal an die Gründer ausgegeben werden, um so die Gründer weiterhin zu incentivieren.
2. Incentivierung eines zusätzlichen Teammitglieds oder eines Nachfolgers
Es gibt Konstellationen, in denen ein neues Teammitglied in den Gesellschafterkreis aufgenommen werden soll. Beispielsweise wenn ein zunächst als CTO angestellter Mitarbeiter später direkt an dem Start-up beteiligt werden soll. In einer solchen Konstellation können – als Hurdle Shares ausgestaltete – Geschäftsanteile zu nominal an den CTO ausgegeben werden.
Die Incentivierung eines Nachfolgers wird auch dann relevant, wenn bspw. ein Gründer aus dem Start-up ausscheidet. In einer solchen Konstellation können – als Hurdle Shares ausgestaltete – Geschäftsanteile zu nominal an den Nachfolger ausgegeben werden. Für den Fall, dass Geschäftsanteile des ausscheidenden Gründers einer Call Option unterliegen, können diese Geschäftsanteile auch zu Hurdle Shares umgestaltet und an den Nachfolger übertragen werden.
3. Beteiligung einer größeren Anzahl an Begünstigten
Über die Incentivierung einzelner Gründer oder (leitender) Mitarbeiter hinaus, kommen Hurdle Shares auch für die Beteiligung einer größeren Anzahl an Mitarbeitern in Betracht. In diesem Fall sollten die Mitarbeiter aber durch eine Pooling-Vereinbarung, die Zwischenschaltung einer speziellen Mitarbeiterbeteiligungs-Gesellschaft (oft als Pooling-Vehikel bezeichnet und üblicherweise in Form einer (steuerlich transparenten) GmbH & Co. KG) oder einer Treuhandgesellschaft gebündelt werden, insbesondere, um nicht aufgrund einer Vielzahl von (Klein-)Gesellschaftern die Entscheidungsprozesse auf Ebene des Start-ups zu erschweren.
4. Exkurs: Hurdle Shares bei der Nachfolgeplanung
In diesem Beitrag geht es zwar um die Nutzung von Hurdle Shares in Start-ups. Wir möchten aber nicht unerwähnt lassen, dass Hurdle Shares z.B. auch in der Nachfolgeplanung von Unternehmen genutzt werden können. Werden beispielsweise Hurdle Shares an einem Familienunternehmen geschaffen und auf die nächste Generation übertragen, kann die Belastung mit der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer reduziert werden und sich auf diese Weise als interessantes Tool zur Nachfolgeplanung erweisen.
III. Klassische echte und virtuelle Beteiligungsmodelle
Die im Markt bisher weit verbreiteten Beteiligungsmodelle, bei denen sich im Grundsatz zwischen klassischen echten Beteiligungsmodellen und virtuellen Beteiligungsmodellen unterscheiden lässt, ziehen in den zuvor beschriebenen Konstellationen verschiedene, insbesondere steuerliche, Folgen nach sich, welche die Umsetzung dieser Modelle häufig wenig attraktiv erscheinen lassen.
1. Klassische echte Beteiligungsmodelle
Werden Gründern oder Mitarbeitern (im Folgenden jeweils: die Begünstigten) echte Beteiligungen gewährt, werden diese Gesellschafter des Start-ups mit allen damit verbundenen Rechten (bspw. Teilnahme-, Stimm- und Informationsrechte) und Pflichten (bspw. Treuepflichten). Insbesondere sind die Begünstigten – wie alle anderen Gesellschafter – an etwaigen Gewinnausschüttungen und Exit-Erlösen beteiligt.
Die Gewährung einer echten Beteiligung an einem Start-up setzt grundsätzlich die Schaffung neuer Geschäftsanteile durch eine Erhöhung des Stammkapitals oder die Übertragung von bestehenden Geschäftsanteilen von einem Gesellschafter an den Begünstigten voraus. Sowohl ein Kapitalerhöhungsbeschluss als auch ein Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (mit den entsprechenden Kostenfolgen).
Aus steuerlicher Sicht ist in diesem Zusammenhang entscheidend, für welchen Anteilspreis dem Begünstigten die Geschäftsanteile gewährt werden. Werden diese zu einem unter dem tatsächlichen Wert (dem Verkehrswert) der Geschäftsanteile liegenden Anteilspreis übertragen bzw. übernommen, führt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem zu zahlenden Anteilspreis bei dem Begünstigten zu einem sog. geldwerten Vorteil, der als Teil des Arbeitslohns im Zeitpunkt des Zuflusses zu versteuern ist.
Ein solcher Zufluss liegt bei der Gewährung einer echten Beteiligung schon dann vor, wenn die Begünstigten die Geschäftsanteile rechtlich wirksam übernommen haben bzw. ihnen diese übertragen wurden. Zu diesem Zeitpunkt haben die Begünstigten allerdings “nur“ die Geschäftsanteile erhalten, aber keine liquiden Mittel, um die hieraus resultierende Steuer zu begleichen. Dies wird auch als sog. Dry Income bezeichnet, also zu einer Steuer führende Einkünfte (= Income), denen kein Zufluss liquider Mittel gegenübersteht (= Dry). Das stellt für die Begünstigten oft eine erhebliche Belastung dar, da sie die Steuer aus ihrem sonstigen Vermögen begleichen müssen.
Um dem entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber im Juli 2021 mit § 19a EStG zwar eine Regelung eingeführt, durch welche die Besteuerung aufgeschoben werden soll. Die Steuer fällt dadurch nicht schon bei der Übertragung bzw. Übernahme der Geschäftsanteile an, sondern erst dann, wenn die Begünstigten ihre Beteiligung weiter übertragen oder die Gesellschaft aufgelöst wird. Dadurch soll – so die Idee – die Steuer erst dann erhoben werden, wenn die Begünstigten auch tatsächlich liquide Mittel erhalten haben. In der Praxis hat sich diese Regelung aber durch deren konkrete Ausgestaltung leider als untauglich erwiesen.
Als Hindernis erweist sich zunächst der recht enge Anwendungsbereich des § 19a EStG. Die nachgelagerte Besteuerung greift nur, wenn das Unternehmen die sog. KMU-Kriterien der EU erfüllt, d.h.
- weniger als 250 Beschäftigte hat und
- einen Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. erzielt oder die Bilanzsumme höchstens EUR 43 Mio. beträgt und
- seit der Gründung nicht mehr als 12 Jahre vergangen sind.
Damit fallen insbesondere Scale-ups durch das Raster, wenn eines der vorgenannten Größenkriterien überschritten wird.
Als größere Hürde erweisen sich zudem die sog. Realisierungstatbestände. Diese Tatbestände lösen unabhängig von einer Weiterveräußerung oder einer Auflösung der Gesellschaft die nachgelagerte Besteuerung aus, wenn seit der Übertragung bzw. der Übernahme der Geschäftsanteile mehr als 12 Jahre vergangen sind oder das Dienst- oder Arbeitsverhältnis endet. Insbesondere Letzteres führt dazu, dass § 19a EStG in der Praxis keine Rolle spielt. Die Realisierungstatbestände führen nämlich dazu, dass über den Begünstigten das Damoklesschwert der Besteuerung schwebt. Wechselt der Begünstigte bspw. den Arbeitgeber, wird die Steuer – nachträglich – erhoben, auch wenn dem Begünstigten zu diesem Zeitpunkt keine liquiden Mittel zufließen. Die Dry Income-Problematik wird also lediglich in die Zukunft verschoben.
Zur Verdeutlichung folgendes (vereinfachtes) Beispiel: Dem Begünstigten werden zu nominal (d. h. EUR 1,00 je Geschäftsanteil) 100 Geschäftsanteile an dem Start-up gewährt. Zum Zeitpunkt der Gewährung hatte das Start-up mit einem Stammkapital von EUR 27.500,00 eine Pre-Money Bewertung in Höhe von EUR 15 Millionen. Der Begünstigte hätte pro Geschäftsanteil also eigentlich EUR 545,45 zahlen müssen, ihm sind mithin EUR 544,45 pro Geschäftsanteil und somit ein geldwerter Vorteil in Höhe von insgesamt EUR 54.445,00 als Arbeitslohn zugeflossen. Dies führt bei einem Steuersatz von 42 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) zu einer gemäß § 19a EStG aufschiebbaren Steuerlast von EUR 24.124,58. Verlässt der Begünstigte das Start-up vor einem Exit oder findet binnen 12 Jahren kein Exit statt, wird die Steuer erhoben, ohne dass der Begünstigte liquide Mittel erhalten hat; die EUR 24.124,58 muss der Begünstigte also aus seinem sonstigen Vermögen aufbringen.
Damit wurde ein wesentliches Ziel der Einführung des § 19a EStG – für eine Lösung der Dry Income-Problematik zu sorgen und dieses Hindernis für die Gewährung einer echten Beteiligung aus dem Weg zu räumen – verfehlt. Zwar wurde der steuerliche Freibetrag für die verbilligte oder unentgeltliche Überlassung von Mitarbeiterbeteiligungen an Arbeitnehmer seit dem Veranlagungszeitraum 2021 von EUR 360 auf EUR 1.440 jährlich erhöht, also immerhin vervierfacht. Der Freibetrag greift aber nur dann, wenn das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm allen Mitarbeitern offensteht, die seit mehr als einem Jahr dem Unternehmen angehören. Diese Regelung hilft daher in einer Vielzahl von Fällen, in denen bestimmten Mitarbeitern eine echte Beteiligung an einem Start-up gewährt werden soll, nicht weiter (abgesehen davon, dass der Freibetrag nach wie vor viel zu gering ist, um eine solche Beteiligung sinnvoll abzubilden).
2. Virtuelle Beteiligungsmodelle
Die derzeit – unter anderem aufgrund der zuvor beschriebenen Unzulänglichkeiten der Gewährung einer echten Beteiligung – gängigste Form der Mitarbeiterbeteiligung stellen virtuelle Beteiligungsmodelle dar. Bei der Gewährung einer virtuellen Beteiligung vermitteln die zumeist als Virtual Shares oder Virtual Options bezeichneten Instrumente (im Folgenden als Virtual Options bezeichnet) einen rein schuldrechtlichen Anspruch des Begünstigten gegenüber dem Start-up.
Aufgrund der Gewährung einer virtuellen Beteiligung werden die Begünstigten im Falle eines Exits des Start-ups (also einem mehrheitlichen Share- oder Asset Deal oder Börsengang) wirtschaftlich so gestellt, als wären sie Gesellschafter des Start-ups. Der Inhaber der virtuellen Beteiligung wird dabei in aller Regel dem Inhaber von Geschäftsanteilen ohne besondere Vorzugsrechte (sog. Common Shares), die im „Wasserfall“ der Erlösverteilung nach einem Exit oder sonstigen Liquiditätsereignis regelmäßig auf der untersten Stufe stehen, gleichgestellt.
Virtual Options gewähren allerdings grundsätzlich keine Gesellschafterrechte, insbesondere keine Teilnahmerechte an oder Stimmrechte in Gesellschafterversammlungen. Zudem haben die Begünstigten (bis zum Exit) auch grundsätzlich kein Recht, an etwaigen Gewinnausschüttungen zu partizipieren.
Da es sich um eine virtuelle Beteiligung handelt, ist für die Gewährung lediglich der Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrages zwischen dem Begünstigten und der Gesellschaft erforderlich. Beurkundungserfordernisse bestehen nicht. In der Regel werden hierfür häufig Beteiligungsprogramme aufgesetzt, deren Bedingungen grundsätzlich für alle Begünstigten gelten. Die Zuteilung erfolgt dann in der Praxis häufig über gesonderte Schreiben an die einzelnen Begünstigten, die es grundsätzlich auch erlauben, einzelne Bedingungen gesondert festzulegen bzw. zu modifizieren.
In einer späteren Phase des Start-ups wird in aller Regel ein sog. Base Price (auch bspw. Strike Price genannt) oberhalb von EUR 1,00 pro Virtual Option vereinbart. Der Base Price richtet sich häufig nach der Pre-Money Bewertung der letzten Finanzierungsrunde vor Gewährung der Virtual Options. Der Base Price ist von dem Begünstigten allerdings nicht zu zahlen, sondern wird im Fall eines Exits von der ihm pro Virtual Option zustehenden Erlösbeteiligung rechnerisch abgezogen, denn auch bei virtuellen Beteiligungsmodellen geht es im Grundsatz darum, den Begünstigten an Wertsteigerungen des Start-ups, zu denen er aufgrund seiner Arbeitsleistung beigetragen hat, partizipieren zu lassen. In der Praxis gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Berechnung nach den Bedürfnissen des Starts-ups auszurichten.
Für die Begünstigten handelt es sich bei der Zahlung der Erlösbeteiligung im Falle eines Exits um eine Art Bonuszahlung, die zu voll steuerpflichtigen (Lohn-)Einkünften führt. Allein die Gewährung der Virtual Options hat aber – anders als im Fall der Gewährung einer klassischen echten Beteiligung – für die Begünstigten grundsätzlich keine steuerlichen Auswirkungen, insbesondere kommt es nicht zur Annahme eines geldwerten Vorteiles. Dry Income wird also vermieden. Zu einer Besteuerung kommt es erst im Zeitpunkt der Auszahlung, also im Fall eines Exits. Die Höhe der bei Auszahlung zu zahlenden Steuern richtet sich dann nach dem persönlichen Steuersatz des Begünstigten, der bis zu 45% (zzgl. Solidaritätszuschlag) betragen kann. Eine Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen kommt nicht in Betracht.
Damit liegt der steuerliche Nachteil der virtuellen Beteiligungsmodelle gegenüber einer echten Beteiligung auf der Hand: Nur im Fall einer echten Beteiligung kommt der Begünstigte in den Genuss der privilegierten Besteuerung der im Fall eines Exits erzielten Erlöse als Kapitaleinkünfte, also der Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag) bzw. (bei Beteiligungen von mind. 1 %) der 40-prozentigen Steuerbefreiung oder einer 95-prozentigen Steuerbefreiung beim Halten der Geschäftsanteile über eine eigene Holdinggesellschaft.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Umsetzung von klassischen echten Beteiligungsmodellen insbesondere die Dry Income-Problematik entgegensteht. Die Nutzung der in § 19a EStG vorgesehenen aufgeschobenen Besteuerung empfiehlt sich in aller Regel aufgrund der sog. Realisationstatbestände, wonach es insbesondere zu einer Besteuerung ohne Liquiditätszufluss auch dann kommt, wenn das Dienst- oder Arbeitsverhältnis endet, nicht. Virtuelle Beteiligungsmodelle führen demgegenüber nicht zu Dry Income. Aufgrund der fehlenden Möglichkeit der Qualifizierung der im Falle eines Exits erzielten Erlöse als Einkünfte aus Kapitalvermögen sind diese Modelle aber steuerlich deutlich weniger attraktiv. Mangels der Gewährung von Gesellschafterrechten ist zudem zu beachten, dass sich unter Umständen, insbesondere für Gründer und leitende Mitarbeiter, nicht die gleiche Incentivierungswirkung wie mit einer echten Beteiligung erreichen lässt.
IV. Hurdle Shares als alternative Form der klassischen echten Beteiligung
Die Probleme der klassischen echten und virtuellen Beteiligungsmodelle lassen sich durch die Nutzung von Hurdle Shares weitgehend vermeiden. Bei richtiger Ausgestaltung vermeiden sie zunächst die Dry Income-Thematik. Zudem können zukünftige Wertsteigerungen steuerlich begünstigt als Kapitaleinkünfte realisiert werden. Schließlich bieten Hurdle Shares die Möglichkeit, durch die Gewährung von Gesellschafterrechten zur Incentivierung beizutragen.
Wie oben beschrieben, zeichnen sich Hurdle Shares dadurch aus, dass sie mit der sog. negativen Liquidationspräferenz versehen sind. Hierdurch wird erreicht, dass die betreffenden Geschäftsanteile von der Teilhabe am bestehenden Unternehmenswert ausgeschlossen werden; sie nehmen (anteilsmäßig) allein an der zukünftig zu erwirtschaftenden Wertsteigerung des Start-ups teil.
Ein (vereinfachtes) Beispiel: Im Rahmen einer Serie B-Finanzierungsrunde, der ein rechnerischer Anteilspreis von EUR 500,00 für die Vorzugsgeschäftsanteile der Serie B zugrunde liegt, werden als weitere Anteilsklasse Hurdle Shares an einen Gründer zu einem Nominalbetrag von je EUR 1,00 ausgegeben. Diese Hurdle Shares nehmen nur dann an der Verteilung eines entsprechenden Exit-Erlöses teil, wenn der rechnerisch im Rahmen des Exits auf den jeweiligen Hurdle Share entfallende Anteilspreis den Betrag von EUR 499,00 übersteigt und dann auch nur in Höhe des den Betrag von EUR 499,00 übersteigenden Anteils. Wenn der rechnerisch im Rahmen des Exits auf einen Common Share entfallende Anteilspreis EUR 1.000,00 beträgt, entfallen auf einen Hurdle Share dann EUR 501,00.
Die Hurdle Shares partizipieren dementsprechend lediglich an der Steigerung des Unternehmenswertes, die nach deren Ausgabe stattfindet. Da keine Teilnahme an dem bereits vorhandenem Wert der Gesellschaft erfolgt, findet im Zeitpunkt der Gewährung keine Wertverschiebung auf die Begünstigten statt, d.h. es kommt nicht zum Zufluss eines lohnsteuerlich relevanten geldwerten Vorteils (= kein Dry Income).
Da es sich bei den Hurdles Shares um echte Anteile handelt, können die Wertsteigerungen (d.h. die in dem Beispiel auf die Hurdle Share entfallenden EUR 501,00) bei einem späteren Verkauf zudem als Kapitaleinkünfte steuerlich begünstigt vereinnahmt werden.
Wichtig für die steuerliche Akzeptanz der Hurdle Shares ist hierbei aber, dass die der Ausgabe der Hurdle Shares zugrunde gelegte Bewertung, also die Festlegung der „Hurdle“, in geeigneter Weise dokumentiert werden kann.
V. Zeitpunkt der Schaffung von Hurdle Shares
Insbesondere wenn (wie üblich) kein Bewertungsgutachten eingeholt wird, ist damit der Zeitpunkt der Schaffung und Gewährung von Hurdle Shares sowie die zu diesem Zeitpunkt dokumentierte Bewertung des Start-ups von wesentlicher Bedeutung.
Die zeitliche Nähe zu einer Finanzierungsrunde kann insoweit einen guten Ausgangspunkt für die Bestimmung der Höhe der Hurdle bieten. Schließlich wird der einer Finanzierungsrunde zugrunde gelegte Anteilspreis unter unabhängigen Dritten ausgehandelt. Üblicherweise werden in der Praxis Hurdle Shares daher im Rahmen einer Finanzierungsrunde geschaffen, um Bewertungsrisiken zu reduzieren. Auch Secondary Transaktionen können unter bestimmten Umständen als Vergleichsmaßstab herangezogen werden.
VI. Lohnsteueranrufungsauskunft und/oder verbindliche Auskunft
Aus steuerlicher Sicht empfiehlt es sich in aller Regel dennoch, das Konzept der Hurdle Shares mit einer Lohnsteueranrufungsauskunft auf Ebene der Gesellschaft abzusichern. Im Rahmen der Lohnsteueranrufungsauskunft überprüft das zuständige Finanzamt, ob die Ausgabe der Hurdle Shares zur Gewährung eines geldwerten Vorteils führt. Hierbei kommt der zuvor beschriebenen Bewertung des Start-ups sowie der Belastung der Hurdle Shares mit der negativen Liquidationspräferenz entscheidende Bedeutung zu.
In zeitlicher Hinsicht ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Erteilung einer Lohnsteueranrufungsauskunft durchaus mehrere Monate in Anspruch nehmen und die Beteiligung während dieser Zeit auch noch nicht umgesetzt werden kann.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Lohnsteueranrufungsauskunft Bindungswirkung nur für die Gesellschaft entfaltet. Für weitergehende steuerliche Sicherheit kann (zusätzlich oder alternativ) auf Ebene der Begünstigten eine verbindliche Auskunft eingeholt werden. Zu beachten ist allerdings, dass eine verbindliche Auskunft – anders als eine Lohnsteueranrufungsauskunft – gebührenpflichtig ist und häufig mehr Zeit in Anspruch nehmen kann als eine Lohnsteueranrufungsauskunft. Dies gilt insbesondere dann, wenn Anteile an mehrere Begünstigte ausgegeben werden sollen und neben dem für die Gesellschaft zuständigen Finanzamt verschiedene Wohnsitzfinanzämter der einzelnen Begünstigten zu involvieren sind. Welcher Weg hier der richtige ist, ist daher im Einzelfall abzustimmen.
VII. Gesellschaftsrechtliche Umsetzung
Wird eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung herbeigeführt, sollten die Hurdle Shares erst nach Erhalt der positiven Lohnsteueranrufungsauskunft bzw. verbindlichen Auskunft gewährt werden. Werden die Hurdle Shares im Zuge einer Finanzierungsrunde ausgegeben, bedeutet dies aber nicht, dass die Finanzierungsrunde bis zu diesem Zeitpunkt nicht durchgeführt werden kann. Beispielswiese kann für die Hurdle Shares ein sog. genehmigtes Kapital geschaffen werden, dass die Geschäftsführung ermächtigt, die Anteile auszugeben, sobald die positive Lohnsteueranrufungsauskunft bzw. verbindliche Auskunft erteilt wurde. Die Finanzierungsrunde kann dann zunächst ohne Ausgabe der Hurdle Shares durchgeführt werden.
Hurdle Shares können grundsätzlich mit denselben Rechten und Pflichten, insbesondere demselben Stimmrecht, wie Common Shares ausgestattet sein, was einen zusätzlichen Incentivierungseffekt haben kann. Es handelt sich dann bei den Hurdle Shares sozusagen um eine Unterklasse der Common Shares. Hurdle Shares können aber auch als eigene Anteilsklasse, z.B. als stimmrechtslose Geschäftsanteile, ausgestaltet werden. Dies wäre im Gesellschaftsvertrag entsprechend zu verankern, wobei bei der konkreten Ausgestaltung der Anteile immer auch etwaige steuerliche Bewertungsfolgen im Blick zu behalten sind.
Der wesentliche Unterschied zu Common Shares besteht darin, dass die Hurdle Shares nur oberhalb der jeweiligen Hurdle von einem Exit profitieren. Diese Hurdle kann sich natürlich über die Zeit reduzieren, soweit es zu Ausschüttungen kommt, an denen die Hurdle Shares aufgrund der auf ihnen lastenden negativen Liquidationspräferenz nicht partizipieren. Typischerweise wird die negative Liquidationspräferenz in der Gesellschaftervereinbarung abgebildet.
Nahezu allen Beteiligungsmodellen ist gemein, dass sie sog. Vesting-Regelungen enthalten. Vesting-Regelungen dienen dazu, die Begünstigten an das Start-up zu binden und ihr Engagement sowie ihre Unternehmenstreue zu incentivieren, indem der teilweise oder vollständige Verfall von Geschäftsanteilen für den Fall, dass ein Begünstigter nicht für eine bestimmte Mindestzeit für das Start-up tätig gewesen ist oder beispielsweise eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat, vorgesehen wird. Auch Hurdle Shares können einem Vesting unterfallen. Entsprechende Regelungen werden ebenfalls typischerweise in der Gesellschaftervereinbarung verankert.
In der Gesellschaftervereinbarung sollte zudem geregelt werden, wem der (rechnerisch) auf die Hurdle Shares bis zur Höhe der Hurdle entfallende Erlös zusteht. Dies sind in aller Regel alle übrigen Gesellschafter, d.h. diejenigen Gesellschafter, die im Rahmen der Finanzierungsrunde, die Grundlage für die Bewertung der Hurdle war, bereits Gesellschafter waren bzw. im Zusammenhang mit der Finanzierungsrunde Gesellschafter geworden sind. Der im Rahmen des Wasserfalls den Hurdle Shares (rechnerisch) zuzuweisende Erlös wird dann – bis zur Höhe der dann maßgeblichen Hurdle – auf die übrigen Gesellschafter verteilt.
Komplexer kann sich die Situation aber in anschließenden Finanzierungsrunden darstellen. Hier ist darauf zu achten, dass die wirtschaftliche Belastung durch die Hurdle Shares im Zuge der Bestimmung des Anteilspreises einerseits sowie der Zuweisung der Erlöse bis zur Höhe der Hurdle andererseits konsistent abgebildet wird. Typischerweise wird nämlich der Anteilspreis berechnet, in dem die Pre-Money Bewertung des Start-ups durch die Anzahl der ausgegebenen Geschäftsanteile (und ggf. der Anzahl der Virtual Options) geteilt wird. Werden die Hurdle Shares bei der Berechnung als vollwertige Geschäftsanteile berücksichtigt, reduziert sich der von dem Investor zu zahlende Anteilspreis entsprechend. Da in diesem Fall bei der Anteilsbewertung der auf die Hurdle Shares (rechnerisch) entfallende Erlös mindernd berücksichtigt wurde, darf dieser dem Investor auch bei einem späteren Exit nicht zugutekommen, d.h. der bis zur Höhe der Hurdle (rechnerisch) auf die Hurdle Shares entfallende Erlös ist im Wasserfall allein den Altgesellschaftern zuzuordnen. Dies ist auch konsequent, weil sie beim Einstieg des Investors einen geringeren Anteilspreis in Kauf genommen und dementsprechend verwässert wurden.
VIII. Fazit und Ausblick
Hurdle Shares bieten eine sehr gute Möglichkeit, Gründer und (leitende) Mitarbeiter an Start-ups zu beteiligen. Die Nachteile der klassischen echten Beteiligungsmodelle sowie virtueller Beteiligungen lassen sich vermeiden.
Eine Beteiligung durch Hurdle Shares kommt allerdings in aller Regel nur im Zusammenhang mit einer Finanzierungsrunde oder einer anderen Bewertung der Gesellschaft durch einen Dritten in Betracht. Eine Anpassung der steuer- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen ist daher nach wie vor wünschenswert. Wie sich der Presse aktuell unter Berufung auf ein internes Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums entnehmen lässt, soll hier bald Abhilfe geschaffen werden.
Nachdem im Sommer letzten Jahres bereits Erleichterungen angekündigt wurden, gibt es nun offenbar Pläne, die über die damals bereits angekündigte weitere Erhöhung des Steuerfreibetrages von EUR 1.440 auf EUR 5.000 hinausgehen. War diese Erhöhung noch als unzureichend kritisiert worden, soll dem Vernehmen nach nun insbesondere die Dry Income-Problematik angegangen werden. So sollen die Steuern für Mitarbeiterbeteiligungen erst nach 20 Jahren (und nicht wie aktuell bereits nach 12 Jahren) fällig werden. Zudem sollen die neuen Regeln auch für eine weitaus größere Zahl an Start-ups gelten, indem die bisherigen Obergrenzen verdoppelt werden. Dann würde die Regelung auch für Unternehmen bis 500 Mitarbeiter (statt 250), Umsätzen bis EUR 100 Mio. (statt EUR 50 Mio.) sowie einer Jahresbilanzsumme von EUR 86 Mio. (statt EUR 43 Mio.) gelten, sodass Scale-ups der Weg zur Nutzung dieser Vorschrift nicht mehr verbaut wäre.
Hoffnung macht zudem, dass weitere Ansätze zur Erleichterung von Mitarbeiterbeteiligungen diskutiert werden, wie etwa die Anwendung eines verringerten Steuersatzes auf virtuelle Beteiligungen anstelle der Lohnversteuerung. Ob nun der „große Wurf“ gelingt, bleibt aber abzuwarten.