Fachbeitrag
Zukunftsfinanzierungsgesetz: Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Aussicht
Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen wurde als zentrales Thema für Start-ups schon im Koalitionsvertrag angekündigt. Der nun aktuell vorliegende Referentenentwurf des Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (kurz: Zukunftsfinanzierungsgesetz) sieht verschiedene Maßnahmen vor, durch die unter anderem die Kritikpunkte an den bestehenden Regelungen aufgegriffen werden.
Was ist das Problem?
Kapitalerträge aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft werden in Deutschland günstiger besteuert als laufende (Lohn-)Einkünfte. Während laufende (Lohn-)Einkünfte in voller Höhe mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden, unterliegen Kapitalerträge der sog. Abgeltungsteuer (Steuersatz = 25% ggf. zzgl. SolZ) oder sind zu 40% steuerfrei gestellt (d.h. dem persönlichen Steuersatz unterliegen lediglich 60% der Kapitaleinkünfte). Werden Anteile über eine eigene Holdinggesellschaft gehalten, können die Rückflüsse aus der Beteiligung unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu 95 % steuerfrei vereinnahmt werden.
Dennoch halten Mitarbeiter in Deutschland selten echte Gesellschaftsanteile. Der Grund hierfür liegt vor allem in den steuerlichen Rahmenbedingungen. Werden nämlich einem Mitarbeiter echte Gesellschaftsanteile zu einem unter dem tatsächlichen Wert (dem Verkehrswert) der Gesellschaftsanteile liegenden Anteilspreis übertragen bzw. übernimmt ein Mitarbeiter diese im Rahmen einer Kapitalerhöhung, führt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem zu zahlenden Anteilspreis zu einem sog. geldwerten Vorteil, der als Teil des Arbeitslohns im Zeitpunkt des Zuflusses mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern ist.
Ein solcher Zufluss liegt bei der Gewährung einer echten Beteiligung schon dann vor, wenn die Mitarbeiter die Geschäftsanteile übernehmen. Da zu diesem Zeitpunkt aber noch keine liquiden Mittel geflossen sind, um die hieraus resultierende Steuer zu begleichen, müsste der Mitarbeiter die Steuer aus seinem sonstigen Vermögen begleichen (sog. Dry Income-Thematik).
In der Praxis kann man sich hier zwar in bestimmten Fällen mit der Ausgestaltung der Gesellschaftsanteile als sog. Hurdle Shares behelfen (siehe Hurdle Shares zur Incentivierung von Gründern und (leitenden) Mitarbeitern von Start-ups (heuking.de)). Eine Beteiligung durch Hurdle Shares führt allerdings aufgrund der erforderlichen negativen Liquidationspräferenz und deren Umsetzung in der Beteiligungsdokumentation zu einer erhöhten Komplexität. Zur Umgehung der Dry Income-Thematik basieren die meisten Mitarbeiterbeteiligungen daher auf sog. virtuellen Anteilen, die zwar im Zeitpunkt der Gewährung zu keinem steuerlich relevanten Zufluss führen, deren Rückflüsse im Zeitpunkt des Exits aber bei dem Mitarbeiter als Lohnbestandteil der vollen Besteuerung mit dem persönlichen Steuersatz unterliegen.
Um der Dry Income-Thematik entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber im Juli 2021 mit § 19a EStG eine Regelung eingeführt, durch welche die anfängliche Besteuerung aufgeschoben wird und die Steuer nicht schon bei der Übernahme der Anteile, sondern erst bei der Weiterveräußerung anfallen soll. Die Idee ist, dass eine Steuer erst dann zu zahlen ist, wenn die Mitarbeiter auch tatsächlich liquide Mittel erhalten haben.
In der Praxis hat sich die Regelung des § 19a EStG aber durch deren sehr enge Ausgestaltung (bisher) als untauglich erwiesen. Die in diesem Zusammenhang vielfach geäußerten Kritikpunkte seitens der Start-up Branche greift der Referentenentwurf nun auf.
Neue Lösung zum Umgang mit der Dry Income-Thematik
Als größte Hürde für die Anwendung des § 19a EStG in seiner heutigen Fassung erweisen sich die sog. Realisierungstatbestände. Diese Tatbestände lösen nach derzeitiger Rechtslage unabhängig von einer Weiterveräußerung die nachgelagerte Besteuerung aus, wenn seit der Übernahme der Anteile mehr als 12 Jahre vergangen sind oder das Dienst- oder Arbeitsverhältnis endet. Diese Realisierungstatbestände führen dazu, dass über den Mitarbeitern das Damoklesschwert der Besteuerung schwebt, so dass Start-ups wie auch Wachstumsunternehmen und deren Mitarbeiter sich regelmäßig scheuen, von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll hier nun Abhilfe schaffen.
Ausweislich des Referentenentwurfs soll der maßgebliche Zeitraum auf 20 Jahre verlängert werden. Zudem soll auch in dem Fall, dass das Dienst- oder Arbeitsverhältnis endet, eine Besteuerung der Anteilsgewährung erst bei einer tatsächlichen Veräußerung erfolgen, vorausgesetzt der Arbeitgeber erklärt gegenüber der Finanzverwaltung, für die einzubehaltende und abzuführende (Lohn-)Steuer zu haften. Hierdurch soll letztlich der Steueranspruch des Fiskus gesichert werden (als Beispiel wird in dem Referentenentwurf der „unbekannte“ Wegzug eines Mitarbeiters genannt, auf den ein Zugriff der deutschen Finanzbehörden dann nicht mehr möglich sei). Sollte dieser Mechanismus umgesetzt werden, werden daher vertragliche Regelungen zwischen dem Unternehmen als Arbeitgeber und den Mitarbeitern zur Absicherung der Durchsetzung eines Rückgriffs auf einen ausgeschiedenen Mitarbeiter wichtiger Bestandteil der Mitarbeiterbeteiligungsdokumentation werden müssen.
Flankiert wird diese Neuregelung von der Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz in Höhe von 25%. Bisher unterliegt der durch die Anteilsübertragung bzw. -übernahme gewährte geldwerte Vorteil bei dem Mitarbeiter der Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz (in der Regel in Höhe von 42%). Mit der Möglichkeit der Pauschalbesteuerung soll ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs eine aufgrund der Besteuerung nach den allgemeinen Lohnsteuerabzugsmerkmalen überhöhte Besteuerung abgemildert werden. Ob diese Privilegierung des geldwerten Vorteils gegenüber anderen Lohnbestandsteilen das Gesetzgebungsverfahren überdauert, bleibt allerdings abzuwarten, da zu dieser Konzeption schon im Vorfeld kritische Stimmen auch aus Kreisen der Regierungskoalition zu vernehmen waren.
Der Referentenentwurf sieht zudem vor, dass bei einem Rückkauf der Anteile der Besteuerung höchstens der im Zuge des Rückkaufs gezahlte Kaufpreis zugrunde zu legen ist. Da insbesondere in Leaver-Fällen der Kaufpreis in der Regel unterhalb des Verkehrswertes der Beteiligung liegt, wird damit das Risiko einer Besteuerung von nicht realisierten Werten entschärft. Zu beachten ist allerdings, dass diese Regelung auf den Rückkauf durch den Arbeitgeber (oder ein konzernangehöriges Unternehmen des Arbeitgebers im Sinne des § 18 AktG) beschränkt ist und daher ein Rückkauf durch Gesellschafter des Arbeitsgebers nicht umfasst ist. In der Praxis empfiehlt es sich aber häufig, einen Rückkauf durch die Gesellschaft zu vermeiden, und den Rückerwerb auf Gesellschafterebene durchzuführen. Hierdurch lassen sich dann Fragestellungen rund um die (fiktiven) schenkungsteuerlichen Tatbestände des § 7 Abs. 7 und 8 ErbStG vermeiden. Ein Gleichlauf beider Rückkaufsfälle wäre daher wünschenswert.
Erweiterung der Beteiligungsformen
Als Hindernis für die Nutzung der geltenden Regelung des § 19a EStG erweist sich zudem häufig, dass die Beteiligung nicht unbedingt an der Gesellschaft gewährt werden soll, mit der das Arbeitsverhältnis besteht (sondern z.B. an der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe). Anders als bisher sollen daher künftig nicht nur die direkt vom und am Arbeitgeber gewährten Beteiligungen erfasst sein, sondern die Regelungen zur nachgelagerten Besteuerung auch dann greifen, wenn die Beteiligung an konzernangehörigen Gesellschaften (Unternehmen im Sinne des § 18 AktG) gewährt wird.
Zudem soll die nachgelagerte Besteuerung auch dann in Betracht kommen, wenn die Beteiligung durch einen Gesellschafter des Arbeitgebers gewährt wird. Anders als bisher wird daher künftig auch die Übertragung durch die Gründer oder Investoren selbst begünstigt sein, womit insbesondere Fälle, in denen Anteile eines ausscheidenden Gründers an einen Nachfolger weitergegeben werden sollen, in den Anwendungsbereich des § 19a EStG fallen würden. Die Ausweitung auf die Gewährung der Beteiligung durch einen Gesellschafter des Arbeitgebers zeigt übrigens, dass es sachgerecht wäre, auch die oben beschriebene Regelung zum Rückkauf auf die Gesellschafter auszuweiten.
Erweiterung auf Scale-ups
Die nachgelagerte Besteuerung greift bisher nur für Unternehmen, welche die sog. KMU-Kriterien der EU erfüllen, so dass bisher insbesondere sog. Scale-ups durch das Raster fielen, wenn die relevanten Größenkriterien überschritten wurden. Künftig sollen daher die doppelten KMU-Schwellenwerte maßgeblich sein, d.h. auch Unternehmen profitieren, die bis zu 500 Mitarbeitende beschäftigen und höchstens 100 Millionen Euro Jahresumsatz oder eine Bilanzsumme von maximal 86 Millionen Euro erwirtschaften. Zuvor haben nur Unternehmen mit einer Größe von maximal 250 Mitarbeitenden, einem Jahresumsatz von 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von 43 Millionen Euro profitiert. Dabei soll es ausreichen, wenn die Schwellenwerte bei Übertragung bzw. Übernahme oder in einem der letzten sechs (!) Kalenderjahre (statt bislang nur im letzten) nicht überschritten wurden. Die Erleichterungen sollen zudem künftig auch für Unternehmen greifen, die vor maximal 20 Jahren gegründet wurden. Bisher ist hier ein Zeitraum von lediglich zwölf Jahren vor dem Beteiligungszeitpunkt maßgeblich. Damit werden zukünftig weitaus mehr Gesellschaften als bisher von der Privilegierung der nachgelagerten Besteuerung Gebrauch machen können.
Erhöhung des Freibetrags
Schließlich soll auch der Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG, unter dem der Vorteil des Arbeitnehmers aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung bestimmter Vermögensbeteiligungen steuerfrei ist, von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro pro Kalenderjahr angehoben werden. Unverändert bleibt es aber dabei, dass der Freibetrag nur dann greift, wenn das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm allen Mitarbeitern offensteht, die seit mehr als einem Jahr dem Unternehmen angehören. Flankiert wird die Erhöhung des Freibetrages von verschiedenen Begleitregelungen, die Mitnahmeeffekte verhindern sollen und im Ergebnis dazu führen, dass der volle Effekt der Steuerbefreiung erst dann greift, wenn die Anteile mindestens drei Jahre gehalten werden.
Fazit
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz in der Fassung des vorliegenden Referentenentwurfs ist ein guter Schritt, um Mitarbeiter jenseits von virtuellen Beteiligungsmodellen an den Wertsteigerungen von Start-ups und Scale-ups durch „echte“ Anteile zu beteiligen. Es gibt allerdings einige Wermutstropfen.
So wäre es beispielsweise begrüßenswert, wenn die vorgesehene Pauschalbesteuerung nicht auf die Gewährung echter Anteile beschränkt bleibt, sondern auch die Besteuerung von virtuellen Anteilen einem gesonderten Besteuerungsregime unterworfen werden würde. Schließlich ergeben sich bei der Gewährung einer „echten“ Beteiligung eine Reihe von rechtlichen Folgefragen. Auch die mit einer „echten“ Beteiligung verbundenen Kosten dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
Im Referentenentwurf nicht angesprochen wird zudem die Frage der Bewertung des Unternehmens. Dies ist aber Voraussetzung für die Bestimmung der Höhe des im Zuge der Anteilsübertragung bzw. -übernahme gewährten geldwerten Vorteils, dessen Besteuerung dann nachträglich erfolgt. Naturgemäß stellt sich die Bewertung eines Start-ups oder Scale-ups schwierig dar und herkömmliche Bewertungsmethoden passen häufig nicht. Die derzeitige (und nach dem Referentenentwurf auch künftige) Regelung, wonach das Betriebsstättenfinanzamt nach der Übertragung bzw. Übernahme der Gesellschaftsanteile den vom Arbeitgeber gewährten geldwerten Vorteil im Wege der Lohnsteueranrufungsauskunft zu bestätigen hat, dürfte in vielen Konstellationen als unzureichend erachtet werden, zumal die Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung für das Wohnsitzfinanzamt des Mitarbeiters im Rahmen der Veranlagung hat. Hier wäre eine Lösung wünschenswert, die den Unternehmen und Mitarbeitern vorab und verbindlich Rechtssicherheit bietet.
Über die weitere Entwicklung des Referentenentwurfs werden wir berichten.