14.10.2016Fachbeitrag

zuerst erschienen in Bilanz am 14.10.2016

Tue Gutes – und du musst darüber reden!

Konzerne werden bald per Gesetz verpflichtet, Berichte über ihre soziale Verantwortung zu veröffentlichen. Ein Experte erklärt, was auf Firmen zukommt.

Mirko Sickinger (52) ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek. Seine Schwerpunktgebiete sind das Aktien- sowie Kapitalmarktrecht. Er berät und vertritt nationale und internationale Unternehmen.

Herr Sickinger, die Bundesregierung hat sich mit sozialer Verantwortung von Unternehmen befasst und den Gesetzesentwurf für eine Richtlinie für Corporate Social Responsibility (CSR) vorgelegt. Brauchen wir so etwas?

Das ist eine gute Frage, die sich aber eigentlich überhaupt nicht stellt. Das hängt aber nicht mit dem Thema CSR zusammen, denn die Verantwortung von Unternehmen gegenüber ihren Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft gewinnt für die Wirtschaft stetig an Bedeutung.

Vielmehr ist der deutsche Gesetzgeber dazu verpflichtet, das deutsche Recht an EU-Vorgaben anzupassen. Man kann also durchaus sagen: Deutschland kann gar nicht anders, als die CSR-Richtlinie der EU in deutsches Recht zu überführen. Ob wir ein solches Gesetz in Deutschland brauchen steht also überhaupt nicht zur Debatte.

Was besagt denn der Gesetzesentwurf?

Der Entwurf, den die Bundesregierung am 21. September vorgelegt hat, passt insbesondere die Berichtspflichten für Einzel- und Konzernlageberichte sowie die Erklärung zur Unternehmensführung an die EU-Vorgaben an. Konkret heißt das, dass Unternehmen, deren Geschäftsjahre nach dem 31. Dezember 2016 beginnen, ab einer bestimmten Größe ihren Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung erweitern müssen – die sogenannte CSR-Berichtspflicht. Zudem sollen börsennotierte Unternehmen ab einer bestimmten Größe in der Erklärung zur Unternehmensführung über ihr Diversitätskonzept berichten.

Welche Unternehmen wären von den neuen Regelungen betroffen?

Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Denn die neuen Regelungen richten sich an unterschiedliche Zielgruppen, die sich teilweise überschneiden. So sollen etwa Kapitalgesellschaften, das umfasst auch haftungsbeschränkte Personengesellschaften, der CSR-Berichtspflicht unterliegen, wenn sie im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen und eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro und/oder Umsatzerlöse von mehr als 40 Millionen Euro aufweisen. Zudem müssen die Unternehmen kapitalmarktorientiert sein.

Wann ist das der Fall?

Das ist in Paragraf 264d des Handelsgesetzbuches definiert. Demnach sind kapitalmarktorientierte Unternehmen Kapitalgesellschaften, die einen organisierten Markt innerhalb der EU beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraumes, kurz EWR, in Anspruch nehmen oder die Zulassung zu einem solchen beantragt haben – also Kapitalgesellschaften, deren Wertpapiere an einem staatlich überwachten Börsensegment, das den EU-Kapitalmarktregularien unterliegt, notiert sind.

Dazu zählen zum Beispiel der Prime und General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse. In einem Konzern ist die Muttergesellschaft berichtspflichtig. Unabhängig von der Rechtsform und der Kapitalmarktorientierung unterliegen aber auch große Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen der Berichtspflicht, wenn sie die weiteren Voraussetzungen erfüllen – also mehr als 500 Mitarbeiter haben und die Grenzwerte bei Bilanzsumme und/oder Umsatzerlösen überschreiten. Nach Angaben der Bundesregierung sind insgesamt 548 Unternehmen entweder einzel- oder konzernlageberichtspflichtig.

Welche Auswirkungen hat ein entsprechendes Gesetz für deutsche Unternehmen?

Die berichtspflichtigen Unternehmen müssen in ihren Lage- und Konzernlageberichten Angaben zu unterschiedlichsten Punkten machen: Das geht von Umweltbelangen – also zum Beispiel Angaben zu den Treibhausgasemissionen – über Arbeitsbedingungen und die Umsetzung der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation.

Dazu gehören aber auch die Informations- und Konsultationsrechte der Arbeitnehmer, die Achtung der Rechte der Gewerkschaften, den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz. Die Berichtspflicht umfasst aber auch Sozialbelange, wie den Dialog auf kommunaler oder regionaler Ebene, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

Sie sehen also, dass die geplanten Regelungen für die betroffenen Unternehmen einiges an Aufwand bedeuten werden – besonders dann, wenn sie sich bewusst machen, dass hinter jedem der genannten Punkte ein Konzept stehen muss. Rein situatives Handeln, wie das durchaus etwa bei der Achtung der Rechte von Gewerkschaften bis dato erfolgt, reicht nicht mehr aus.

Indirekt werden so die betroffenen Unternehmen verpflichtet, ein Compliance-System aufzubauen und dieses auch zu erläutern. Denn für den Fall, dass ein Unternehmen bei einem der genannten Punkte kein Konzept verfolgt und also keine Angaben machen kann, muss es klar begründen und erläutern, warum das so ist.

Hat die Bundesregierung die EU-Richtlinie eins zu eins umgesetzt?

Nein, sie hat an einzelnen Stellen von der sogenannten Mitgliedstaatenoption Gebrauch gemacht und ergänzende Regelungen getroffen. So soll es möglich sein, den CSR-Bericht gesondert zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Internetauftritt des berichtspflichtigen Unternehmens zu veröffentlichen und in Ausnahmefällen nachteilige Informationen wegzulassen.

Eine Sonderregelung gibt es auch bei den Angaben zur Diversität, die nach der EU-Richtlinie in die Erklärung zur Unternehmensführung aufgenommen werden müssen. Diese Pflicht gilt nach dem Willen der Bundesregierung nur für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische Aktiengesellschaften.

Betroffen sind nicht nur börsennotierte Gesellschaften, sondern auch solche, deren Aktien zwar nur im Freiverkehr gehandelt werden, die aber andere Wertpapiere wie Schuldverschreibungen zum Handel an einem organisierten Markt ausgegeben haben. Daher können auch so genannte Freiverkehrsemittenten von der CSR-Berichtspflicht betroffen sein.

Zu beachten ist weiter, dass auch Unternehmen mit sehr kleinem Mitarbeiterstamm der Pflicht unterfallen können, Diversitätsangaben zu machen. Denn die Pflicht entsteht bereits, wenn zwei der drei Schwellenwerte für große Kapitalgesellschaften nach dem Handelsgesetzbuch überschritten sind.

Wenn also die Gesellschaft eine Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro und Umsatzerlöse von mehr als 40 Millionen Euro aufweist, kommt es auf das Überschreiten des Arbeitnehmer-Schwellenwerts nicht mehr an. Nach Schätzungen der Bundesregierung sollen insgesamt allerdings nur 326 Gesellschaften betroffen sein.

Was passiert bei Verstößen?

Bei Verstößen drohen nach dem aktuellen Gesetzesentwurf insbesondere kapitalmarktorientierten Unternehmen hohe Geldbußen von bis zu zehn Millionen Euro, fünf Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes oder des zweifachen wirtschaftlichen Vorteils, den das Unternehmen durch den Verstoß erhalten hat. Der jeweils höchste Betrag stellt dabei die Grenze dar. Bei nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften liegt die Obergrenze weiterhin bei 50.000 Euro.

Über die reine Geldbuße hinaus können sich Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs oder des Aufsichtsrats des berichtspflichtigen Unternehmens nun auch wegen unrichtiger Darstellungen im CSR-Bericht strafbar machen. Auch der Aufsichtsrat muss prüfen, ob die dort gemachten Angaben richtig sind.

Was raten Sie berichtspflichtigen Unternehmen?

Gerade vor dem Hintergrund der empfindlichen Sanktionen sollten Unternehmen ihre Kennzahlen prüfen, um festzustellen, ob sie die Schwellenwerte bereits überschreiten oder voraussichtlich bald überschreiten werden – also, ob sie berichtspflichtig sind oder es bald werden. Ist das der Fall, sollten betroffene Unternehmen – sofern noch nicht geschehen – frühzeitig CSR-Konzepte und/oder Diversitätskonzepte festlegen und implementieren, damit sie nicht mitteilen müssen, dass sie kein Konzept verfolgen.

Lässt sich die soziale Verantwortung von Unternehmen messen? Kann man damit den Wert des Unternehmens steigern?

Inwieweit CSR den Wert eines Unternehmens steigert, ist schwer zu sagen. Geht ein Unternehmen seriös mit seiner Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft um, ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass sich sein Ruf verbessert. Und das ist im Kampf um die besten Mitarbeiter sicherlich nicht von Nachteil.

Denn eine Studie des Marktforschungsunternehmens Nielsen aus dem Jahr 2014 belegt, dass es bei der Wahl des Arbeitgebers besonders wichtig ist, ob sich ein Unternehmen sozial engagiert. So gaben 43 Prozent der befragten Deutschen an, dass sie lieber für ein Unternehmen arbeiten möchte, das sich dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben hat.

Dabei zeigt sich ganz klar, dass dieses Motiv umso stärker ist, je jünger der Arbeitnehmer ist. Angehörige der Generationen X und Y, also die heute 20- bis 49-Jährigen, wählen ihren Job doppelt so häufig nach diesem Kriterium aus als die sogenannten Baby-Boomer.

Früher taten sich die Unternehmen schwer damit, Gutes zu tun und drüber zu reden. Wie ist das heute?

Die CSR-berichtspflichtigen Unternehmen haben ab dem Geschäftsjahr 2017 keine andere Wahl. Für sie gilt dann definitiv: Tue Gutes und rede darüber. Ob die Pflicht des Darüberredens auch zu mehr unternehmerischer Verantwortung führt, bleibt abzuwarten.

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