29.04.2014Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Oktober 2014

Abfindungsausschluss als Sanktionsmittel ist sittenwidrig

BGH, Urteil vom 29.4.2014 – II ZR 216/13 (OLG Karlsruhe)

Sieht der Gesellschaftsvertrag einer GmbH die Möglichkeit zur Einziehung eines Geschäftsanteils vor, steht dem betroffenen Gesellschafter im Einziehungsfall eine Abfindung zu. Einschränkungen im Gesellschaftsvertrag sind zwar zulässig – unterliegen aber Grenzen. So lässt sich nach einem aktuellen BGH-Urteil ein vollständiger Ausschluss der Abfindung nicht dadurch rechtfertigen, dass die Einziehung des Anteils aus wichtigem Grund erfolge und daher „Vertragsstrafencharakter“ habe.

„Vertrag kommt von vertragen“ – so kalauert mancher Jurist schon mal bei Vertragsverhandlungen, wenn es um die Einhaltung des gerade Vereinbarten geht. Etwas wortwörtlich Wahres hat die Floskel, wenn es um die Formulierung von Gesellschaftsverträgen geht. Schließlich setzt der Entschluss zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, Ausgangspunkt jeder Gründung, regelmäßig ein längerfristiges, gedeihliches Miteinander voraus. Doch entstehen oftmals Zweifel bei der Formulierung von interessengerechten und vor allem auch rechtswirksamen Regelungen für den Fall einer nicht einvernehmlichen Trennung der Gesellschafter – beispielsweise im Falle der zwangsweisen Einziehung eines Geschäftsanteils aus wichtigem Grund durch einen Beschluss der übrigen Gesellschafter.

Abfindung des ausscheidenden Gesellschafters

Scheidet ein Gesellschafter aus der GmbH aus, indem er seine Anteile an einen Dritten veräußert, wirkt sich dies auf den Bestand des veräußerten Geschäftsanteils nicht aus – ebenso wenig wie auf die übrigen Geschäftsanteile. Anders beim (ersatzlosen) Ausscheiden eines Gesellschafters: Hier fällt der Wert des eingezogenen Geschäftsanteils den verbleibenden Gesellschaftern zu – ihr Anteil am Kuchen wächst. Dem ausscheidenden Gesellschafter steht hierfür nach ständiger Rechtsprechung eine Abfindung zu – unabhängig von einer Regelung im Gesellschaftsvertrag. Schweigt der Gesellschaftsvertrag zur  Frage der Höhe der Abfindung, entspricht diese dem vollen wirtschaftlichen Wert des Geschäftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens.

Kritisch: Höhe der Abfindung

Die verbleibenden Gesellschafter stehen in der Folge oft vor zwei Herausforderungen: finanziell – da sich der Anspruch zwar gegen die Gesellschaft (und nicht gegen die Gesellschafter) richtet, diese aber nicht immer über die notwendige Liquidität verfügt, um den scheidenden Gesellschafter auszubezahlen. Emotional – da oftmals der Eindruck entsteht, die Gesellschaft müsse dem (je nach Perspektive) „doch wohl zu Recht ausgeschlossenen“ Gesellschafter nun auch noch „gutes Geld hinterher werfen“.

Grundsatz: Abfindung zum vollen wirtschaftlichen Wert

Die Praxis behilft sich durch ausdifferenzierte Abfindungsregelungen im Gesellschaftsvertrag. Hierbei gilt grundsätzlich, dass Abweichungen vom Grundsatz der Abfindung zum vollen wirtschaftlichen Wert von der Satzungsautonomie der Gesellschafter gedeckt und somit zulässig sind. Die Rechtsprechung setzt der Gestaltungsfreiheit aber Grenzen: Weicht die Abfindungshöhe vom wirklich Wert in vollkommen unangemessener Weise ab, kann die zu Grunde liegende Vereinbarung sittenwidrig und somit nichtig gemäß § 138 BGB sein. Konsequenz hieraus ist, dass eine Abfindung zum vollen wirtschaftlichen Wert geschuldet ist. Besonders problematisch sind Klauseln, die einen vollständigen Ausschluss der Abfindungszahlung vorsehen. Vier Ausnahmen werden diskutiert:

Abfindungsausschluss als Sanktionsmittel

• Im Falle einer rein gemeinnützigen GmbH – hier ergebe sich schon aus dem Satzungszweck, dass eine an ihr gehaltene Beteiligung mit „stiftungsähnlichem Charakter“ keinen materiellen Vorteil vermitteln soll (für die BGB-Gesellschaft: BGH, Urteil vom 2.6.1997, Akz.: II ZR 81/96, für die GmbH: OLG Hamm, Urteil vom 26.5.1997, Akz. 8 U 163/96).

• Im Todesfall eines Gesellschafters, wenn die Gesellschaft ohne den oder die Erben fortgesetzt werden soll: Oftmals soll die Vererbbarkeit eines Geschäftsanteils dadurch unter Vorbehalt gestellt werden, dass die Gesellschafter einen vererbten Geschäftsanteil binnen einer festgelegten Frist einziehen können. Um den Erhalt der Gesellschaft nicht durch die Abfindungslasten zugunsten eines Erben zu ge- fährden, soll in diesem Fall ein Abfindungsausschluss zulässig sein (BGH, Urteil vom 20.12.1976, Akz.: II ZR 115/75).

• Bei Gesellschaften mit von vornherein zeitlich begrenzten Mitgliedschaften (beispielsweise Mitarbeiterbeteiligungsmodelle) (BGH, Urteil vom 19.9.2005, Akz.: II ZR 342/03)

• Nach der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur sollte ein Abfindungsausschluss darüber hinaus auch dann wirksam sein, wenn ein betroffener Gesellschafter aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird. Vom BGH entschieden war insoweit bislang nur, dass eine Abfindung unterhalb des vollen Werts zulässig ist (BGH, Beschluss vom 29.9.1983, Akz. III ZR 213/82).

Der nunmehr vom BGH zu entscheidende Fall betraf die Konstellation eines Abfindungsausschlusses für den Fall einer zwangsweisen Einziehung eines Geschäftsanteils aus wichtigem Grund und den hiermit verbundenen Ausschluss des Gesellschafters. Gegenstand der Revision war nicht mehr die Frage, ob tatsächlich ein wichtiger Grund für die Zwangseinziehung bestand, sondern nur noch, ob ein Abfindungsentgelt entgegen der Satzungsbestimmung geschuldet sei.

Der BGH hat diese Frage bejaht und den Abfindungsausschluss als sittenwidrig gemäß § 138 BGB für nichtig erklärt. Die Gesellschaft hatte erfolglos argumentiert, der Abfindungsausschluss habe als eine Art Vertragsstrafe Sanktionscharakter und sei dadurch gerechtfertigt, dass er die Gesellschafter zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anhalten solle. Hierzu führte der BGH aus, dass bereits der zwangsweisen Einziehung und damit dem zukünftigen Entfall einer regelmäßigen Einkunftsquelle ein Drohpotential zukomme. Es sei nicht ersichtlich, wie hierüber hinaus auch der Ausschluss des Abfindungsentgelts einen zusätzlichen Anreiz des Gesellschafters zur Pflichterfüllung darstelle. Darüber hinaus sei eine solche Sanktion auch zu undifferenziert, da ein wichtiger Grund, der zur zwangsweisen Einziehung führt, nicht notwendig einen Schaden der Gesellschaft nach sich ziehen müsse.

Fazit

Die Vereinbarung eines vollständigen Abfindungsausschlusses bei einer zwangsweisen Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils aus wichtigem Grund ist sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB und damit nichtig. Für die Praxis ist weiterhin Augenmaß bei der Formulierung von Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen geboten: Entpuppt sich eine Abfindungsklausel als unwirksam, droht als Konsequenz ein Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters in Höhe des vollen wirtschaftlichen Werts.

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