Newsletter Arbeitsrecht Mai 2016
Abgeltung von Zeitguthaben auf Arbeitszeitkonten
BAG, Urteil vom 23.9.2015 – 5 AZR 767/13
Für den Anspruch auf Abgeltung von Arbeitszeitguthaben ist hinsichtlich der Darlegungslast danach zu differenzieren, ob die Stunden vorbehaltlos in einem arbeitgebergeführten Arbeitszeitkonto ausgewiesen werden oder ob sie auf vom Arbeitnehmer selbst gefertigten Arbeitszeitaufstellungen beruhen. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall ging es um die Auszahlung eines Arbeitszeitguthabens. Die Klägerin verlangte nach der von ihr ausgesprochenen Kündigung zum 31. März 2012 die Auszahlung von vermeintlich von ihr erbrachten Überstunden. Während der Beschäftigungszeit vom 1. Juni 2007 bis zum 25. August 2008 führte die Beklagte für die Klägerin ein Arbeitszeitkonto. Dieses Arbeitszeitkonto wies ein Zeitguthaben von 414 Stunden auf. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2012 führte die Beklagte dieses Arbeitszeitkonto jedoch nicht weiter. Stattdessen notierte die Klägerin ihre Arbeitszeiten eigenständig. In dieser Arbeitszeitaufstellung hielt die Klägerin ihre Regelarbeitszeit, Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit und Pausenzeiten sowie Mehr- und Minderarbeit fest. Nach der Aufstellung der Klägerin ergab sich ein weiteres Zeitguthaben von 643 Stunden. Mit ihrer Klage machte die Klägerin sowohl die 414 Stunden auf ihrem Arbeitszeitkonto sowie die weiteren 643 Stunden geltend und forderte die Beklagte auf, die vermeintlich geleisteten Überstunden finanziell abzugelten.
Das BAG hat der Klage teilweise entsprochen.
Vorbehaltlose Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto bedeuten Anerkennung
Das BAG hat festgestellt, dass die 414 Stunden, die vorbehaltlos auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutgeschrieben waren, von der Beklagten abzugelten sind. Durch die Buchungen in dem Arbeitszeitkonto habe festgestanden, in welchem zeitlichen Umfang die Klägerin ihre Arbeitsstunden bei der Beklagten erbracht hat. Die regelmäßigen Buchungen auf dem Arbeitszeitkonto würden zwar keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen der Beklagten darstellen. Allerdings stelle der Arbeitgeber mit der vorbehaltlosen Ausweisung von Guthabenstunden in einem für den einzelnen Arbeitnehmer geführten Arbeitszeitkonto dessen Saldo streitlos. Denn es werde zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte Arbeitsstunden tatsächlich und mit der Billigung des Arbeitgebers geleistet worden seien. Die Beklagte hätte somit im Einzelnen vortragen müssen, warum der im Arbeitszeitkonto vorbehaltlos ausgewiesene Saldo unzutreffend ist. Dies hatte die Beklagte nicht getan.
Bei selbst gefertigten Arbeitszeitaufstellungen: Volle Darlegungslast beim Arbeitnehmer
Ein über die 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben sei jedoch von der Klägerin bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt worden. Denn die Klägerin habe – wie in jedem Überstundenprozess – darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Arbeit in einem die normale Arbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet wurde und geleistete Überstunden von der Beklagten veranlasst wurden oder dieser zumindest zuzurechnen sind. Dies habe die Klägerin nicht getan.
Die Konsequenz daraus ist, dass ein Arbeitnehmer in diesem Fall seiner Darlegungslast nicht schon allein dadurch genügt, indem er vorträgt, an welchen Tagen er gearbeitet oder sich zur Arbeit bereitgehalten hat. Er muss vielmehr darüber hinaus darlegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Diesen – vom BAG zutreffend dargelegten – Anforderungen genügte der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der weiteren 643 Stunden nicht. Dem stand auch nicht entgegen, dass die Beklagte es bewusst unterlassen hatte, nach dem 25. November 2008 ein Arbeitszeitkonto zu führen. Das BAG stellt somit im Ergebnis klar, dass es für die Abgeltung von Überstunden nicht ausreicht, wenn ein Arbeitnehmer eigene Arbeitszeitaufstellungen führt, ohne den Nachweis zu erbringen, inwieweit diese Überstunden auch erforderlich oder mit dem Arbeitgeber abgestimmt waren.
Fazit
Ein Arbeitnehmer kann dem Arbeitgeber nicht die Abgeltung von Überstunden aufzwingen, indem er eigene Arbeitszeitaufstellungen führt, diese aber nicht dem Arbeitgeber zur Abzeichnung (Genehmigung) vorlegt. Umgekehrt ist bei der Führung eines Arbeitszeitkontos aus Arbeitgebersicht darauf zu achten, ob die in dem Arbeitszeitkonto eingestellten Überstunden der tatsächlich geleisteten Arbeit des Arbeitnehmers entsprechen und ob die Überstunden auch erforderlich waren bzw. angeordnet wurden. Denn wenn die Überstunden vorbehaltlos in dem Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers ausgewiesen sind, werden diese später in einem etwaigen Prozess auf Abgeltung von Überstunden als zugestanden angesehen.