Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 4/2017
Ärztliche Gutachter beim MDK – Arbeitnehmer oder Selbständige? BAG Urteil vom 21. Juli 2015
Das BAG hat sich erneut mit dem Dauerthema der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen befasst. Mit Urteil vom 21. Juli 2015 entschied das BAG über den Status eines Gutachters, welcher für den medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) tätig war. (BAG, 21.7.2015 - 9 AZR 484/14)
Tätigkeit als Sachverständiger
Der klagende Gutachter begehrte die Feststellung, dass zwischen ihm und dem MDK ein Arbeitsverhältnis besteht. Im August 2002 hatten die Parteien einen Rahmenhonorarvertrag vereinbart. In diesem war festgelegt, dass der Kläger aufgrund von Einzelaufträgen tätig wird. Er schuldete dem Beklagten die Erstellung von Gutachten zur Prüfung von Pflegebedürftigkeit. Dem Kläger stand eine Vergütung in Höhe von 175 Euro pro Arbeitstag und eine zusätzliche Zahlung pro Gutachten in Höhe von 17,50 Euro, ab dem „11. Kurzgutachten“ im Monat, zu. Er wurde an zwei verschiedenen Standorten des Beklagten tätig, war aber nicht verpflichtet Gutachteraufträge anzunehmen oder täglich zu arbeiten. Wenn er nicht zur Verfügung stand, gab er dies an und wurde nicht eingesetzt.
Rechtliche Möglichkeit eines Arbeitsverhältnisses hat keine Indizwirkung
Das BAG sah in dieser Konstellation nicht die Voraussetzung für eine Arbeitnehmereigenschaft:
Zunächst stellte das BAG klar, dass bei Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen ausgeübt werden können, nicht allein aufgrund dieser Möglichkeit von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden kann. Dem komme keine Indizwirkung zu.
Bindung an Öffnungszeiten
Laut dem BAG unterlag der Kläger hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage seiner Tätigkeit nicht dem für Arbeitnehmer typischen Weisungsrecht. Zwar nutzte er die Räumlichkeiten des Beklagten und war somit auch an die Öffnungszeiten der Servicezentren gebunden. Er konnte jedoch selbst bestimmen, an welchen Tagen er eine Tätigkeit für den Beklagten durchführen wolle und wann nicht. Da er regelmäßig örtlich präsent war, wurde er im Einzelfall auch eingesetzt, ohne zuvor gefragt worden zu sein. Dies entsprach aber seinen eigenen Vorstellungen und Interessen. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten begründet laut BAG kein ausreichendes zeitliches Weisungsrecht. Es sei für Selbständige durchaus üblich, dass sie ihre Dienstleistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben. Vielmehr sei entscheidend, ob der Kläger bestimmen konnte, ob und an welchen Tagen der Woche er tätig wird.
Arbeitsort nur bedingt entscheidend
Ebenso wie bei der Berücksichtigung der Öffnungszeiten, ist laut BAG für die Entscheidung, ob ein Arbeitnehmerstatus vorliegt, unerheblich, dass die Untersuchungen in den Räumlichkeiten des Beklagten stattgefunden haben. Eine Bindung an einen Arbeitsort sage nichts über die persönliche Abhängigkeit, wenn dieser Arbeitsort für die Tätigkeit typisch ist. Hiervon sei bei der Untersuchungstätigkeit auszugehen, da die Patienten andernfalls zu den unterschiedlichsten Orten, je nach zuständigem Gutachter bestellt werden müssten. Auch die hygienischen Bedingungen der Untersuchungsräume wären dann möglichweise nicht ausreichend gewesen.
Wirtschaftliche Abhängigkeit
Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, er habe Einsätze nie abgelehnt, da er befürchtet habe, der Beklagte würde mit dem Abbruch der Vertragsbeziehung reagieren. Laut BAG ist dies allerdings nicht ein Anzeichen einer persönlichen, sondern einer wirtschaftlichen Abhängigkeit. Letztere begründe aber keine Arbeitnehmereigenschaft, sie könne höchstens den Selbständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lassen.
Modalitäten der Entgeltzahlung
Es kann auch nicht darauf abgestellt werden, ob die Zahlung der Vergütung dem Erscheinungsbild eines Arbeitsverhältnisses entspricht. Die Art der Vergütung spiele keine Rolle, da die persönliche Abhängigkeit danach bestimmt wird, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Die Modalitäten der Entgeltzahlungen seien nicht entscheidend. Es komme auf die Umstände der Dienstleistung selbst an.
Fazit
Die Entscheidung des 9. Senats des Bundesarbeitsgerichts macht erneut deutlich, welche Faktoren bei der Statusfeststellung zu berücksichtigen sind und welche nicht. Die Entscheidung zeigt aber auch, wie schwierig oft eine Abgrenzung in der Praxis ist. Arbeitgebern ist somit immer zu empfehlen, für klare Verhältnisse zu sorgen.