01.10.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2015

Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

BAG, Urteil vom 15.7.2015 – 6 AZR 457/14

Auch in Kleinbetrieben mit weniger als 10 Arbeitnehmern kann eine Kündigung wegen Altersdiskriminierung gemäß § 7 AGG unwirksam sein, wenn aufgrund vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten ist und es dem Arbeitgeber nicht gelingt, diese Vermutung zu widerlegen.

Vermutungsregel des § 22 AGG gilt auch in Kleinbetrieben zu Lasten des Arbeitgebers

Der Entscheidung des BAG lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin in einer Gemeinschaftspraxis beschäftigt. In der Praxis waren zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung im Jahr 2013 neben der Klägerin noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin wurde zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Beklagte kündigte ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013. Im Kündigungsschreiben führte die Beklagte als Begründung an, die Kündigung erfolge wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Zudem sei die Klägerin „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen vier Arbeitnehmerinnen wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewendet und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Schon aus dem Kündigungsschreiben folge die Vermutung einer Benachteiligung wegen ihres Alters. Die Beklagte argumentierte, die Kündigung sollte lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 Prozent der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Allein deshalb sei ihr gekündigt worden. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen. Die Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte Erfolg und führte zu einer Zurückweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht Sachsen.

Abweichende Auffassung des LAG Sachsen

Das Landesarbeitsgericht Sachsen hatte noch argumentiert, dass eine Diskriminierung wegen des Alters jedenfalls deshalb nicht vorläge, weil die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Fall der Klägerin gem. § 10 AGG zulässig sei. Die Beklagte habe mit der Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin ein legitimes Ziel verfolgt, weil sie jüngere Arbeitnehmer ohne Pensionsberechtigung vor einer Kündigung habe schützen wollen. Die Berücksichtigung der „Pensionsberechtigung“ bzw. des Alters sei deshalb sowohl abstrakt als auch im konkreten Fall i. S. v. § 10 S. 1 und 2 AGG angemessen und erforderlich.

BAG: Vermutungsregel des § 22 AGG greift zu Lasten des Arbeitgebers

Demgegenüber argumentierte der 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts, dass die Kündigung gegen § 7 AGG verstoße und daher unwirksam sei. Die Klägerin habe gemäß der Vermutungsregel des § 22 AGG vorgetragen, dass die Kündigung wegen der Pensionsberechtigung erfolgt sei. Die Beklagte wiederum hätte daher beweisen müssen, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliege. Hierfür habe sie die erforderlichen Beweise nicht erbracht. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zustehe, könne noch nicht festgestellt werden. Deshalb sah sich der 6. Senat veranlasst, die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück zu verweisen.

Fazit

Diese im Ergebnis überraschende Entscheidung des BAG zeigt einmal mehr, dass äußerste Vorsicht schon beim Abfassen der Kündigungserklärung geboten ist. Selbst in einem Kleinbetrieb kann eine Kündigung wegen einer Altersdiskriminierung unwirksam sein. Von Höflichkeitsformulierungen, mit denen ein Grund für die Kündigung genannt werden soll, ist daher in der Kündigungserklärung dringend abzuraten. Derartige Formulierungen können im Prozess nach § 22 AGG eine Vermutung zuungunsten des Arbeitgebers aufstellen, welche nur schwer zu widerlegen ist.

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