Update Arbeitsrecht Juli 2020
Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschiebung des bereits genehmigten Urlaubs in Corona-Zeiten
Die Sommerferien haben in den meisten Bundesländern bereits begonnen oder sie stehen kurz bevor. Schon während der Osterferien ließ die Corona-Pandemie viele Urlaubspläne ins Wasser fallen. Zwar wurden die Reisewarnungen für die meisten Länder in der EU pünktlich vor den Sommerferien aufgehoben, aber ein „gewohnter“ Urlaub ist dennoch zurzeit nicht möglich. Dies führt dazu, dass Arbeitnehmer mit dem Wunsch an den Arbeitgeber herantreten, den bereits genehmigten Urlaub – zumindest teilweise – zurückzunehmen, um ihn sich für später aufzubewahren. Dies entspricht häufig nicht dem Interesse des Arbeitgebers. Abgesehen von seiner Pflicht, den Urlaub im Urlaubsjahr zu gewähren, ist der Beschäftigungsbedarf in den Sommermonaten regelmäßig geringer. Demgegenüber rechnen (oder spekulieren) die Arbeitgeber zum Jahresende wieder mit einem anziehenden Geschäft, so dass gehäufte Urlaubswünsche aufgrund angesparter Urlaubsansprüche dann nicht mehr realisierbar wären.
Urlaub nicht auf das Jahr 2021 „verschiebbar“
Der Wunsch mancher Arbeitnehmer, den Urlaub aus diesem Jahr (zum größten Teil) auf das nächste Jahr zu verschieben, um dann (unter Umständen) wieder größere Urlaubsreisen erleben zu können, ist jedenfalls einseitig nicht durchsetzbar.
Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Nur der Urlaub, der im laufenden Jahr aus dringenden betrieblichen oder persönlichen Gründen wie zum Beispiel Krankheit nicht erteilt werden kann, ist in das Folgejahr zu übertragen. Er ist dann aber auch dann bis zum 31. März des Folgejahres zu gewähren und verfällt andernfalls (§ 7 Abs. 3 S. 2, 3 BUrlG). Kann der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht mehr gewährt werden, ist eine Auszahlung von Urlaubsansprüchen nur ausnahmsweise bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Ein wegen der „Corona-Pandemie“ im Jahr 2020 nicht wie gewohnt durchführbarer Urlaub kann also gegen den Willen des Arbeitgebers nicht eine mehrwöchige Fernreise im nächsten Jahr „umgewandelt“ werden.
Bereits genehmigter Urlaub kann nicht „zurückgegeben“ werden
Ein Arbeitnehmer, der aufgrund der Corona-bedingten Umstände einen bereits vom Arbeitgeber genehmigten Urlaub nicht in Anspruch nehmen möchte, wird eine Verlegung des Urlaubszeitraums grundsätzlich nur mit Zustimmung des Arbeitgebers erreichen können. Dies verdeutlichen die Grundsätze der Urlaubserteilung: Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Jahresurlaub bedarf nämlich der Festlegung durch den Arbeitgeber gemäß § 7 Abs. 1 BurlG durch die Abgabe einer einseitigen empfangsbedürftigen Willenserklärung (sog. Freistellungserklärung). Bei der Festlegung des Urlaubszeitraums hat der Arbeitgeber jedoch die Wünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Das bedeutet praktisch: Zwar wird die zeitliche Lage des Urlaubs vom Arbeitgeber bestimmt, aber vom Wunsch des Arbeitnehmers darf er nur aufgrund der genannten Ausnahmen abweichen.
Wurde also ein entsprechender Urlaubswunsch z. B. in Form eines Urlaubsantrag vom Arbeitnehmer geäußert und vom Arbeitgeber „genehmigt“ und somit der Urlaub „festgelegt“, hat der Arbeitgeber die ihm obliegende Erfüllungshandlung bewirkt. Die Erfüllungswirkung (die tatsächliche Inanspruchnahme des Urlaubs) nach § 362 BGB kann also eintreten. Eine einseitige Loslösung des Arbeitnehmers (wie auch des Arbeitgebers) ist dann grundsätzlich nicht mehr möglich. Auch der Arbeitgeber hat lediglich in extremen Notfällen einen Anspruch darauf, dass der Arbeitnehmer seine bereits vereinbarten Urlaubspläne abändert.
Ein Abstandnehmen von einem bereits festgelegten Urlaubszeitraum kommt allerdings durch eine Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB in Betracht. Haben sich nämlich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags auf Urlaubsgewährung geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Grundsätzlich dürften in den Corona-Fällen die Voraussetzungen für das normative Element, also die Unzumutbarkeit am festgelegten Freistellungszeitraum festzuhalten, nicht vorliegen. Denn dafür wären untragbare Härten für den Arbeitnehmer und ein mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarendes Ergebnis erforderlich. Das Argument, dass beispielsweise die geplante Fernreise nach Asien nicht angetreten werden kann und der Urlaub damit „sinnlos“ werde, ist nämlich kein rechtliches Argument dafür, dass die Inanspruchnahme des Urlaubs für den Arbeitnehmer unzumutbar wäre. Der Anspruch auf Urlaub dient dem Gesetz nach dem Erholungszweck. Dass der Erholungszweck nur bei einer Fernreise eintreten kann und nicht bei einer Reise innerhalb von Deutschland (oder auch bei keinerlei Reisetätigkeit), kann nicht als rechtlich tragendes Argument herangezogen werden.
Einvernehmliche „Verschiebung“ des Urlaubs
Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern entgegenkommen möchten und einvernehmlich den genehmigten Urlaub „verschieben“, müssen aber darauf achten, dass sie den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz wahren. Wenn also vereinzelt Urlaub verschoben wird, dann sollte vorsorglich ein sachlicher Grund für die Verschiebung bestehen und dokumentiert werden. Dies könnte beispielsweise eine dargelegte starke Arbeitsauslastung (bestimmtes größeres Projekt etc.) in der konkreten Abteilung des Arbeitnehmers, der seinen Urlaub verschieben möchte sein, oder in persönlichen Härtefällen liegen. Andernfalls könnte sich die Verpflichtung ergeben, alle übrigen Mitarbeiter gleich zu behandeln und von sämtlichen Arbeitnehmern, die einen entsprechenden Wunsch äußern, den Urlaub zu verschieben. Im Ergebnis sollten Arbeitgeber mit solchen Ausnahmen also vorsichtig umgehen.