10.07.2018Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Juli 2018

Arbeitnehmermitbestimmung einer Holding-Gesellschaft bei ausländischer Konzernleitung

HansOLG, Beschluss vom 4. Juli 2017 – 11 W 19/17

Im Rahmen von § 5 Abs. 3 MitbestG kommt es lediglich auf die Vermittlung der Konzernleitungsmacht, nicht zwingend auf deren tatsächliche Ausübung an.

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat zur umstrittenen Reichweite der Zurechnungsvorschrift des § 5 Abs. 3 MitbestG Stellung bezogen. Für die Feststellung, dass die Konzernleitung über eine Zwischengesellschaft weitere Unternehmen des Konzerns beherrscht, genüge es bereits, wenn eine untergeordnete Konzernzwischengesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung an nachfolgenden Unternehmen die Leitungsmacht der Konzernspitze vermittelt. Auf die konkrete Ausübung einer eigenständigen Leitungsmacht komme es dagegen nicht an.

Aktuelle Rechtslage

Die gesetzlichen Regelungen zur Gewährleistung einer Arbeitnehmermitbestimmung ab Erreichung bestimmter Schwellenwerte (500 Arbeitnehmer gemäß DrittelbG; 2000 Arbeitnehmer gemäß MitbestG) sind ein Charakteristikum des deutschen Unternehmensrechts. Oft werden die relevanten Schwellenwerte nur aufgrund einer gesetzlich angeordneten Zurechnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Konzerngesellschaften erreicht. Dies hat aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 1 MitbestG nicht selten zur Folge, dass eine Mitbestimmung letztendlich nur auf Ebene der Konzernholdinggesellschaft etabliert werden muss. Sofern eine Arbeitnehmermitbestimmung auf Ebene der Konzernholdinggesellschaft aus bestimmten Gründen (etwa aufgrund eines im Ausland gelegenen Sitzes dieser Gesellschaft) ausscheidet, bestimmt die Auffangregelung des § 5 Abs. 3 MitbestG, dass in dem Fall eine entsprechende Mitbestimmung auf der nächst unteren Konzernebene zu etablieren ist.

Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur

In diesem Zusammenhang wird in Rechtsprechung und Literatur seit Jahren darüber gestritten, ob diese Regelung nur dann zur Anwendung kommt, wenn die nachfolgende Konzernzwischengesellschaft tatsächlich und nachweislich eine eigenständige Beherrschungsmacht bzw. Leitungsmacht ausübe oder ob es bereits ausreiche, wenn diese Gesellschaft lediglich die Leitungsmacht der Holding-Gesellschaft vermittle.

Enge Auslegung: Ausübung konkreter Leitungsmacht erforderlich

Die herrschende Literatur vertritt den Standpunkt, dass es für die gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG erforderliche Einschaltung des jeweiligen Zwischenunternehmens in die Ausübung der Konzernleitungsmacht nicht ausreiche, wenn deren Unternehmensstand lediglich in der Verwaltung von Beteiligungen an weiteren Konzernunternehmen ohne Einflussnahme auf die Geschäftsführung dieser Konzernunternehmen bestehe. Erforderlich sei vielmehr, dass die Konzernzwischengesellschaft auch dazu im Stande ist, eine bestehende Leitungsmacht gegenüber nachfolgenden Konzerngesellschaften konkret auszuüben.

Weite Auslegung: Eingliederung in einen Konzern ausreichend

Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt es demgegenüber bereits ausreichen, wenn eine Zwischengesellschaft in einen Konzern eingegliedert ist, der von einem nicht mitbestimmungspflichtigen Unternehmen beherrscht wird. Es komme insbesondere nicht darauf an, ob Weisungen der Konzernspitze über das Zwischenunternehmen an die nachgeordneten Konzerngesellschaften weitergeleitet werden. Die Rechtsprechung argumentiert insbesondere damit, dass eine zu starre Auslegung dem Sinn und Zweck der Mitbestimmungsregelungen widerspräche. Es könne daher im Interesse der Rechtssicherheit sowie zur Einschränkung etwaiger Umgehungsversuche nicht darauf ankommen, ob die Zwischengesellschaft konkrete Weisungsbefugnisse besitze.

Bestätigung der weiten Auslegung durch das HansOLG

Das HansOLG hat mit seinem Beschluss vom 4. Juli 2017 die bisherige Rechtsprechungslinie bestätigt. Der Senat begründet seine Entscheidung insbesondere mit der Systematik des Mitbestimmungsgesetzes. Würde gefordert, dass eine Konzernzwischengesellschaft eine konkrete Leitungsmacht im Konzern ausüben müsse, bedürfte es keiner Auffangregelung im Sinne des § 5 Abs 3 MitbestG. Maßgeblich könne demnach nur sein, ob die Konzern-Holdinggesellschaft über die jeweilige Zwischengesellschaft Leitungsmacht zumindest ausüben könne. Ob dies auch tatsächlich geschehe, sei nicht maßgeblich. Etwas anderes könne lediglich in dem Sonderfall gelten, dass weder die Konzernholding, noch die Zwischenholding Leitungsmacht ausübten.

Fazit

Das HansOLG bestätigt in seinem Beschluss vom 4. Juli 2017 den Ansatz der bisherigen Rechtsprechung, wonach es im Rahmen des § 5 Abs. 3 MitbestG lediglich auf die mögliche Vermittlung einer konkreten Konzernleitungsmacht, nicht hingegen auf deren tatsächliche Ausübung ankomme. Das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den BGH mag dazu verleiten, durch die Zwischenschaltung von Holding-Gesellschaften mitbestimmungsrechtliche Anforderungen zu umgehen. Die obergerichtliche Rechtsprechung ist jedoch einheitlich und sollte in der Praxis bei Aufbau und Umstrukturierungen von Konzernstrukturen entsprechend berücksichtigt werden. Nur so kann eine rechtssichere Struktur geschaffen werden.

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