18.09.2018Fachbeitrag

Newsletter Health Care, Pharma & Life Sciences 3/2018

Auch konfessionelle Krankenhäuser können an Vergaberecht gebunden sein – Losaufteilung beachten!

Die Vergabekammer Niedersachsen hat mit Beschluss vom 25. April 2018 (Az. VgK-07/2018) entschieden, dass Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft im Einzelfall zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet sein können, auch wenn sie diesem grundsätzlich nicht unterfallen. Daneben hat die Vergabekammer zur grundsätzlichen Notwendigkeit der Fachlosaufteilung und zur ausnahmsweisen Begründung der Gesamtvergabe detailliert Stellung genommen.

Konfessionelle Krankenhäuser sind grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber

Die Vergabekammer Niedersachsen hat die Rechtsauffassung der herrschenden Meinung bestätigt, nach der die katholische Kirche Deutschlands und damit auch Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber sind. Rechtsfolge ist, dass sie dem Vergaberecht in der Regel nicht unterworfen sind.

Denn sie sind weder Gebietskörperschaften nach § 99 Nr. 1 GWB, noch andere juristische Personen im Sinne von § 99 Nr. 2 GWB, und erst recht keine Verbände nach § 99 Nr. 3 GWB, deren Mitglieder unter Nr. 1 oder unter Nr. 2 fallen.

Dazu im Einzelnen:

Kirchen sind zwar als öffentlich-rechtliche Körperschaften sui generis anerkannt, sie stellen aber keine Gebietskörperschaften im Sinne des Verwaltungsorganisationsrechts nach § 99 Nr. 1 GWB dar, weil sie dem staatlichen Rechtskreis weder ein-, noch untergeordnet sind. Auch konfessionelle Krankenhäuser sind keine Gebietskörperschaften.

Konfessionelle Krankenhäuser sind auch keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 99 Nr. 2 GWB. Voraussetzung hierfür wäre, dass sie zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, und von Gebietskörperschaften beherrscht werden. Auch wenn die besondere Zweckbestimmung in der Regel bei Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft zu bejahen sein dürfte, fehlt es jedenfalls an einer Beherrschung durch eine Gebietskörperschaft.

Insbesondere liegt keine überwiegende, unmittelbare öffentliche Finanzierung vor. Bei der „Kirchensteuer“ handelt es sich nicht um eine Zwangsabgabe. § 99 Nr. 2 GWB setzt aber eine solche staatliche Finanzierung durch Steuern und Abgaben voraus. Steuern werden gemäß der Vergabekammer Niedersachsen dadurch charakterisiert, dass sie ohne spezifische Gegenleistung auf hoheitlicher Grundlage durch einen staatlichen Akt festgelegt werden und sich der jeweilige Steuerpflichtige nicht ohne Weiteres der Steuerpflicht entziehen kann. Auf die sogenannte Kirchensteuer trifft dies nicht zu, weil jeder Bürger entscheiden kann, ob er einer Kirche angehören möchte oder nicht.

Auch bei den Beiträgen der Krankenkassen an die konfessionellen Krankenhäuser handelt es sich um keine staatliche Finanzierung, weil die Krankenkassen gegenüber dem jeweiligen Krankenhaus ein Entgelt für eine konkrete Dienstleistung an einem Patienten gewähren. Dem Entgelt steht also eine Gegenleistung gegenüber, was bei einer öffentlichen Finanzierung im Sinne von § 99 Nr. 2 GWB gerade nicht der Fall ist.

Ausnahmsweise konfessionelle Krankenhäuser als öffentliche Auftraggeber

Auch wenn konfessionelle Krankenhäuser grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne von § 99 Nr. 1 bis 3 GWB sind, so können sie ausnahmsweise im Einzelfall zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet sein. In dem von der Vergabekammer Niedersachsen entschiedenen Fall lagen die Voraussetzungen von § 99 Nr. 4 GWB vor.

Gemäß § 99 Nr. 4 GWB sind juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts in den Fällen öffentliche Auftraggeber, in denen sie für die Errichtung von Krankenhäusern oder von anderen Bauwerken der Daseinsvorsorge von anderen öffentlichen Auftraggebern Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden. Denn dann sind sie nur verlängerter Arm der öffentlichen Hand.

Das konkrete Projekt – ein Neubau für ein Krankenhaus – wurde im vorliegenden Fall überwiegend durch das zuständige Ministerium finanziert. Die Vergabekammer Niedersachsen stellte klar, dass für die Berechnung der prozentualen Höhe der Förderung grundsätzlich der Zeitpunkt der Ausschreibung, also der Auftragsbekanntmachung, ausschlaggebend ist. Selbst wenn sich im Nachgang Änderungen ergeben sollten, würde dies nichts an der einmal festgestellten Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber ändern.

Losbildung grundsätzlich notwendig

Bei der konkreten Ausschreibung ging es um die Beschaffung von Deckenversorgungseinheiten, Modularen Raumsystemen, OP-Leuchten, Beatmungsgeräten und Anästhesie-Arbeitsplätzen. Da es sich bei der Antragstellerin des Nachprüfungsverfahrens um einen Medizingerätehersteller handelte, der lediglich Deckenversorgungseinheiten und OP-Leuchten in seinem Produktportfolio hatte, hätte das Angebot nur einen Teil der ausgeschriebenen Leistung umfassen können. Deswegen gab die Antragstellerin kein Angebot ab und griff vielmehr die unterbliebene Fachlosaufteilung vor der Vergabekammer an. Die Vergabekammer Niedersachsen gab der Antragstellerin mit Verweis auf die drittschützende Regelung des § 97 Absatz 4 Satz 2, 3 GWB Recht.

Nach § 97 Absatz 4 Satz 2, 3 GWB sind Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- und Fachlose dürfen nur dann zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Dieses Erfordernis war im konkreten Fall zwar hinsichtlich der Teillosbildung, nicht aber hinsichtlich der Fachlosbildung gegeben.

Die Vergabekammer Niedersachsen ließ die folgenden technischen Argumente im Rahmen des Leistungsbestimmungsrechts des öffentlichen Auftraggebers gelten, um auf die Teillosbildung zu verzichten: Die technische Einrichtung in allen OPs und in der Intensivstation muss gleich sein und das medizinische Personal soll sich insbesondere bei der Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten nicht jeweils auf andere Bedieneinrichtungen umstellen müssen.

Es hätte allerdings eine Fachlosaufteilung vorgenommen werden müssen. Eine solche ist gemäß der Vergabekammer Niedersachsen immer dann erforderlich, wenn sich für eine Einzelleistung ein eigener abgegrenzter Markt etabliert hat. So war es im entschiedenen Fall, weil es entsprechende Fachfirmen gab. Es hätten also Geräte gleicher Art, z. B. OP-Leuchten, als Fachlose jeweils gesondert ausgeschrieben werden müssen.

Auf eine solche grundsätzlich notwendige Fachlosvergabe durfte auch nicht ausnahmsweise verzichtet werden, weil keine wirtschaftlichen oder technischen Gründe die Gesamtvergabe erforderten. Die Vergabekammer Niedersachsen hat die floskelhafte und allgemeine Argumentation einer besonders wirtschaftlichen Form der Vergabe und der Minimierung von Schnittstellen nicht ausreichen lassen. Insbesondere rechtfertige die Komplexität der Verbindungen oder die Erhaltung des Überdrucks im OP keine Gesamtvergabe, weil es sich hierbei um krankenhaustypische Aufgaben handele.

Auch den Hinweis des öffentlichen Aufraggebers auf die nach dem Medizinproduktegesetz erforderliche Systemerklärung des Herstellers vor Vertriebsbeginn eines zusammengesetzten Medizinprodukts hielt die Vergabekammer Niedersachsen nicht für ausreichend, um von dem Erfordernis der Losaufteilung abzusehen. Sie stimmte dem öffentlichen Auftraggeber zwar dahingehend zu, dass es von seinem Leistungsbestimmungsrecht gedeckt sei entscheiden zu können, ob er verschiedene Medizinprodukte beschafft, diese selbst zusammensetzt und damit als Hersteller im Sinne des Medizinproduktegesetzes gilt, oder ob er bereits zusammengesetzte Medizinprodukte mit der Konsequenz erwirbt, dass der Auftragnehmer die notwendige  Systemerklärung abgeben muss. Der öffentliche Auftraggeber hatte sich hier für die zweite Variante entschieden, was grundsätzlich eine Gesamtvergabe rechtfertigen kann.

Allerdings hat die Vergabekammer Niedersachsen die damit im konkreten Fall verbundene erhebliche Wettbewerbsbeschränkung nicht akzeptiert. Der öffentliche Auftraggeber hatte lediglich eine Mindestangebotsfrist gesetzt und keine Vorinformation im Sinne von § 38 VgV über die erforderliche Systemerklärung aufgrund der Gesamtvergabe veröffentlicht. Eine solche Vorinformation hätte insofern mehr Wettbewerb ermöglicht, als interessierte Unternehmen rechtzeitig Bietergemeinschaften hätten bilden können. Damit hat der öffentliche Auftraggeber nicht alle notwendigen Maßnahmen zur Herstellung von möglichst viel Wettbewerb ergriffen.

Fazit

Auch wenn Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber sind, können sie im Einzelfall dennoch an das Vergaberecht gebunden sein, wenn ein Projekt der Daseinsvorsorge im Sinne von § 99 Nr. 4 GWB in Höhe von mehr als 50 Prozent durch die öffentliche Hand gefördert wird. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 99 Nr. 4 GWB nicht erfüllt sind, kann sich die Pflicht zur Einhaltung des Vergaberechts im Übrigen aus Fördermittelbescheiden ergeben. In diesen Fällen ist insbesondere auch der Grundsatz der Losaufteilung im Sinne von § 97 Absatz 4 S. 2 GWB zu beachten.

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