Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Juli 2018
Auch Wandelanleihen sind für die Bestimmung des Mindestpreises bei Übernahmen relevant
BGH, Urteil vom 7. November 2017 – II ZR 37/16
Bei einem Übernahmeangebot für ein Unternehmen sind auch die für den Erwerb von Wandelanleihen gezahlten Preise zu berücksichtigen
Der Bundesgerichtshof stellt in seiner aktienrechtlichen Grundsatzentscheidung vom 7. November 2017 zur Übernahme der Celesio AG klar, dass bei der Ermittlung der angemessenen Gegenleistung für ein Übernahmeangebot grundsätzlich auch die vom Bieter für den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen gezahlten Preise zu berücksichtigen sind. Die klagenden Aktionäre haben nun einen Anspruch auf Nachzahlung.
Der BGH bestätigte durch die Nichtzulassung der Revision das vorinstanzliche Urteil zugunsten der Aktionäre. Das OLG Frankfurt entschied in seinem Urteil zur Übernahme der Celesio AG vom 19. Januar 2016, Az. II ZR 37/16, dass Wandelschuldverschreibungen bei der Berechnung des Mindestpreises im Rahmen eines Übernahmeangebots zu berücksichtigen sind, wenn sie vom Bieter zu Übernahmezwecken wie Aktien eingesetzt und innerhalb der maßgeblichen Frist des WpÜG erworben und gewandelt werden.
Hintergrund der Übernahme der Celesio AG
Ehemalige Aktionäre der Celesio AG, die Aktien im Rahmen des Übernahmeangebotes zum angebotenen Preis von 23,50 Euro angedient hatten, haben daher einen Nachzahlungsanspruch in Höhe des Differenzbetrages zu dem höchsten für die Wandelschuldverschreibung gezahlten Preis.
Das US-Unternehmen McKesson hatte den Pharmahändler Celesio AG Anfang 2014 übernommen. McKesson sicherte sich zuvor 75 Prozent der Anteile an der Celesio AG durch den Erwerb von Aktien sowie den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen, die ein Recht zur Wandlung in Aktien der Celesio AG gewährten. McKesson übte die Wandlungsrechte aus und legte der BaFin die Vorerwerbe offen. Umgerechnet auf jede durch Wandlung entstandene Aktie betrug der an den Wandelanleihe-Investor für die Wandelschuldverschreibungen höchste gezahlte Kaufpreis 30,95 Euro. McKesson gab ein auf den Erwerb der Aktien der Celesio AG gerichtetes öffentliches Übernahmeangebot zum Preis von 23,50 Euro je Aktie ab.
Bisherige Rechtslage
Das WpüG sieht in § 31 vor, dass der Bieter den Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anzubieten hat. Ist die Gegenleistung nicht angemessen, steht den Aktionären, die das Angebot angenommen haben, gegen den Bieter ein Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags zwischen der angebotenen und der angemessenen Gegenleistung zu. Eine angemessene Gegenleistung entspricht mindestens dem Wert der höchsten vom Bieter gewährten oder vereinbarten Gegenleistung für den Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft innerhalb von sechs Monaten vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage. Diesen Vorerwerben sind solche Vereinbarungen gleichgestellt, auf Grund derer die Übereignung von Aktien verlangt werden kann.
Bisherige Verwaltungspraxis der BaFin
Bisher war umstritten, ob Vereinbarungen über den derivativen Erwerb von Aktien über Wandelschuldverschreibungen denen über Aktienerwerbe gleichzusetzen sind. Es geht um die Frage, ob nur der unmittelbare Erwerb von Aktien oder auch der abgeleitete Erwerb über bereits ausgegebene Wandelschuldverschreibungen umfasst ist, da nach dem Erwerb die Übereignung von Aktien verlangt werden kann. Nach der Verwaltungspraxis der BaFin stellt der Erwerb von bestehenden Wandelschuldverschreibungen bisher keinen zu berücksichtigenden Vorerwerb von Aktien dar.
Entscheidung des BGH
Der zweite Senat des BGH vertritt in seiner Entscheidung die gegenteilige Auffassung zur BaFin. Nach seiner Auffassung stellt der Erwerb von bestehenden Wandelschuldverschreibungen also gerade einen zu berücksichtigenden Vorerwerb von Aktien dar. Der BGH begründet seine Entscheidung mit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften eines allgemeinen Umgehungsschutzes. Denn der Bieter solle an dem Preis festgehalten werden, den er im zeitlichen Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot als angemessen angesehen hat.
Perspektive des Bieters
Die Entscheidung wird sich auch auf künftige öffentliche Übernahmeangebote in Deutschland auswirken, sofern der Bieter auch den Erwerb von Wandelanleihen im Rahmen des Übernahmeangebots in Betracht zieht.
Fazit
Der Bieter muss Aktionären der Zielgesellschaft eine angemessene Gegenleistung anbieten. Als angemessen ist der Betrag anzusehen, den der Bieter in dem maßgeblichen Zeitraum zu zahlen bereit war, gleich ob es sich um einen unmittelbaren oder mittelbaren Aktienerwerb handelt. Dazu gehört nach der neuen BGH-Rechtsprechung auch der derivative Erwerb über Wandelanleihen.