Update Arbeitsrecht Februar 2025
Beteiligung des Betriebsrats bei Vergütungsanpassung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds
BAG 26.11.2024 - 1 ABR 12/23
Die Vergütung von (freigestellten) Betriebsratsmitgliedern ist spätestens mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Januar 2023 (Az. 6 StR 133/22) zur Frage der Strafbarkeit wegen Untreue bei Verstößen gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten. Das Urteil des BGH veranlasste viele Unternehmen, die Vergütung ihrer Betriebsratsmitglieder zu prüfen. Zudem wurden mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“, das am 25. Juli 2024 in Kraft getreten ist, „neue Spielregeln“ zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern geschaffen. Mit ihrem Urteil zur Beteiligung des Betriebsrats bei der Vergütungsanpassung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds haben nun auch die Richter des Ersten Senats in Erfurt für weitere Rechtssicherheit in dieser relevanten Thematik gesorgt.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin, die regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt in Leipzig zwei Autohäuser, für die der antragstellende Betriebsrat errichtet ist.
Die Arbeitgeberin vergütete den von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Vorsitzenden des Betriebsrats bis Ende Mai 2020 entsprechend der Vergütungsgruppe VI des Vergütungstarifvertrags für die Beschäftigten der Mitgliedsbetriebe der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe in Sachsen (TV).
Nachdem der freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats am 24. März 2021 erfolgreich das Assessment Center „Führungskräftepotenzial“ durchlaufen und damit die Voraussetzungen für die Übernahme der Position des Werkstattleiters erfüllt hatte, vergütete ihn die Arbeitgeberin entsprechend der höheren Entgeltgruppe VIII des einschlägigen Tarifvertrags.
Der Betriebsrat war der Auffassung, ihm stehe hierbei ein Mitbeurteilungsrecht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG zu, und hat entsprechend § 101 S. 1 BetrVG seine Beteiligung gerichtlich geltend gemacht. Das Arbeitsgericht Leipzig (Az.: 3 BV 17/21) sowie das Landesarbeitsgericht Sachsen (Az.: 3 TaBV 26/21) haben dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben.
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26.11.2024 – 1 ABR 12/23
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg. Dem Betriebsrat steht nach Ansicht des BAG bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf der Grundlage von § 37 Abs. 4 BetrVG oder § 78 S. 2 BetrVG kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu.
Nach dieser Vorschrift sei der Betriebsrat bei Ein- und Umgruppierungen zu beteiligen, das heißt, wenn der Arbeitgeber die zu verrichtende Tätigkeit eines Arbeitnehmers einer Entgeltgruppe der maßgebenden Vergütungsordnung zuordne. Eine solche Zuordnung nimmt der Arbeitgeber – nach Auffassung des BAG – bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds nach § 37 Abs. 4 BetrVG oder § 78 S. 2 BetrVG nicht vor. Vielmehr werde die Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der in diesen Normen geregelten gesetzlichen Vorgaben angepasst, also entweder entsprechend der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer (§ 37 Abs. 4 BetrVG) oder zur Vermeidung einer Benachteiligung, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte (§ 78 S. 2 BetrVG).
Praxishinweis
Die Entscheidung des Ersten Senats ist sowohl aus Arbeitgeber- als auch aus Betriebsratssicht zu begrüßen, da sie klare Grundsätze zur Reichweite des Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG aufstellt und damit für Rechtssicherheit in dieser umstrittenen Rechtsfrage sorgt. Zudem reiht sich die Entscheidung ein in eine Vielzahl von Entscheidungen des höchsten deutschen Arbeitsgerichts zur Betriebsratsvergütung der letzten Jahre und unterstreicht somit die hohe praktische Relevanz für alle Beteiligten.
Der Erste Senat stellt überzeugend fest, dass dem Betriebsrat kein Mitbeurteilungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG zusteht, wenn der Arbeitgeber das Mindestentgelt nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG festsetzt. Er bestätigt damit eine Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 26. Mai 2023 (Az.: 12 TaBV 1/23). Die für eine Ein- oder Umgruppierung typische Zuordnung einer Tätigkeit zu den Merkmalen einer Vergütungsordnung findet hier nicht statt. Die Höhe des Entgeltanspruchs aus § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG ist unabhängig von der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds. Sie richtet sich allein nach der Vergütung der vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Auch bei einer Entgeltanpassung nach § 78 S. 2 BetrVG findet nach überzeugender Ansicht des BAG keine Zuordnung einer vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Gruppe einer Vergütungsordnung statt. Dies gilt selbst dann, wenn sich das Arbeitsentgelt für die höher vergütete Position – wie in dem entschiedenen Fall – nach einer betrieblichen Vergütungsordnung richtet. Auch in diesem Fall werden nicht – wie für eine Ein- oder Umgruppierung erforderlich – die zu verrichtenden Arbeitsaufgaben des Betriebsratsmitglieds, sondern lediglich ein möglicher Arbeitsplatz bewertet.